Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Te

41.

Nun der Westwind aus dem Garten
Wehet wie aus Himmelshöh'n,

Labt mich Wein, der Freudenschenker,
Und ein Freund wie Huris schön.

Wesshalb dünke sich der Bettler
Heute nicht ein Fürst zu sein?

Sein Gezelt heisst Wolkenschatten,
Und sein Prunksaal - Saatenrain.

Es erzählt die grüne Wiese
Mährchen von des Frühlings Fest;

Thöricht ist, wer Hoffnung1 kaufet
Und Gewisses fahren lässt.

Lass' den Wein das Herz erbauen,
Denn zu Ziegeln will die Welt

Meinen Moderstaub benützen,
Sie, die ganz in Trümmer fällt.

Ford're Treue nicht vom Feinde,
Weil's nie Licht verbreiten kann:

Zündest du die Zellenkerze2
An der Kirchenfackel an.

Tadle mich, den Trunk'nen, nimmer,
Steh' ich auch im schwarzen Buch!

Kennt man was uns ward geschrieben
Auf die Stirn' als Schicksalsspruch?

Nicht entferne deine Tritte
Von der Leiche des Hafis:

Ist er gleich getaucht in Sünden,
Kömmt er doch in's Paradies.3
 

1 Wörtlich: Credit.

2 Die Kerze einer muhammenidanischen Mönchszelle.

3 Diesem Verse verdankte Hafis die ihm gleich nach seinem Tode verweigerte Ehre des Begräbnisses.

 

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