Aus: Buchstabe Te
44.
Jenen Knoten, schlau geschlungen
Um den Bogen deiner Brau'n,
Schlangst du nur, um mich, den schwachen
Klagenden im Blut zu schau'n.1
Trunken und vom Schweisse triefend
Kamst du auf der Wiese an,
Und da warf dein Wangenwasser
Feuer auf den Ergawan.2
Weil nur Einmal voll von Dünkel
Die Narcisse umgeblickt,
Hat dein Augenspiel die Erde
Hundertfach in Streit verstrickt.3
Der Jasmin, beschämt darüber,
Dass man dir ihn gleich gestellt,4
Hat nun, durch die Hand des Ostes,
Staub sich in den Mund geschnellt.
Als ich trunken gestern Abends
Kam vorbei am Wiesengrund,
Weckte mir die Knospe Zweifel
In Bezug auf deinen Mund.5
Seine Ringellocke kräuselnd
Stand das Veilchen auf der Flur,
Und der Morgenwind erzählte
Doch von deinem Haare6 nur.
Eingezogen lebend, wusst' ich
Nichts vom Sänger und vom Wein;
Doch die Lust nach Schenkenknaben
Warf in Beide mich hinein.
Mit dem Wasser rothen Weines
Wasch' ich jetzt mein Ordenskleid:
Wer vermöchte abzuwerfen
Das Geschick der Ewigkeit?
Noch vor Bildung beider Welten
Gab sich Freundschaftsfarbe kund,
Und die Zeit legt' nicht erst heute
Zu der Liebe Bau den Grund.
Mich zerstörte7 deiner Wange
Holder Flaum. Erhab'ner Gott!
Wessen Pinsel ist's gewesen,
Der dies schöne Bild uns bot?
Liegt nicht etwa für Hafisen
Glück in der Zerstörung Schooss,
Da für Wein nur und für Schenken
Ihn bestimmt das ew'ge Loos?
Ganz in meine theuren Wünsche
Fügt von nun an sich die Welt,
Da dem Herrn der Welt8 zum Knechte
Mich der Zeiten Lauf bestellt.
1 D.h.: Du runzelst deine
Augenbrauen und stellst dich böse gegen mich, mit dem schlauen Vorsatze
mich dadurch zu tödten.
2 D.h.: Der Glanz deiner Wange weckte im Ergawan (der syringa persica)
das Feuer der Eifersucht.
3 D.h.: Weil die Narzisse, mit welcher die Dichter das Auge vergleichen,
sich im Dünkel nur einmal vermessen hat, es dir gleich zu thun und mit
dir zu liebäugeln, so hast du, um dich zu rächen, deinem Auge
freies Spiel gelassen und durch deine Blicke die Welt in Aufruhr
versetzt.
4 Der Jasmin, der sich unwürdig fühlt mit dir verglichen zu werden,
wirft sich aus Gram darüber Staub in den Mund, wie sich die Alten zum
Zeichen des Schmerzes Staub auf's Haupt streuen. Überdies heisst, wie
Sudi bemerkt, der Ausdruck: Sich Staub in dem Mund werfen, so viel als:
seine Unwürdigkeit eingestehen.
5 D.h.: Der Anblick der Knospe setzte mich in Zweifel, ob ihr oder
deinem Munde der Vorzug gebühre?
6 Die Haare der Geliebten werden von orientalischen Dichtern mit den
Veilchen (oder mit den Hyacinthen) verglichen.
7 D.h.: Mich berauschte.
8 D.i.: Dem Wesire Kawameddin Hassan, dem Gönner Hafisens.
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