Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Te

51.

Du sah'st wie grausam und wie hart
Sich gegen mich der Freund benahm:

Er riss der Treue Band entzwei,
Und nimmer grämte ihn mein Gram.

Herr, zürn' ihm nicht, und hätt' er auch
Mein Herz, das Taubenherzen gleich,

Getödtet, und auf heil'ges Wild
Geführt den unerlaubten Streich!1

Es ist an dieser Grausamkeit
Wohl nur mein eig'nes Unglück Schuld:

Denn nie und nimmer war's der Freund,
Der's fehlen liess an Gnad' und Huld;

Und doch ist Jeder, der von ihm
Nicht irgend eine Schmach erfuhr,

- Er wende sich wo immer hin -
Von Jedermann verachtet nur.

Bring', Schenke, mir den Weinpocal
Und zu dem Vogt gewendet, sprich:

»Gesteh' es mir, selbst Dschem besass
Kein Glas das diesem sich verglich.«

Wer nicht zu Seinem heil'gen Thor
Gelangte auf der Pilgerbahn,

Der mühte durch die Wüste sich
Und kam im Heiligthum2 nicht an.

Trag' der Beredtheit Ball davon,3
Hafis; denn wer dein Gegner war,

Entbehrte jeglichen Talent's
Und war auch jedes Wissens bar.
 

1 In dem Umkreise Mekka's gibt es Orte, wo die Tödtung des Wildes verboten ist.

2 In Mekka, dem Ziele der frommen Pilgerreise.

3 D.h.: Trage den Preis der Beredtheit davon. - Die Perser sagen: den Ball davontragen, wie wir  die Palme.

 

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