Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Te

59.

Fort sind Glaub' und Herz, und grollend
Stand der Holde auf1 zu mir,

Also sprechend: »Bleib' nicht sitzen,
Denn das Heil stand auf von dir!«

Doch wer sass bei diesem Feste
Und genoss der kurzen Lust,

Der nicht endlich aufgestanden
Mit der Reue in der Brust?

Weil die Kerze lachen wollte
Hold, wie jene Wange lacht,

Stand zur Straf' vor deinen Buhlern
Aufrecht sie die ganze Nacht.

Aus der Rose und Zipresse
Armen stand der Lenzwind auf,2

Jenen Wuchs und jene Wange
Suchend im beschwingten Lauf.

 Trunken schrittest du vorüber;
Engel sah'n dich: da entstand

Wie am Auferstehungstage
Ein Tumult am Himmelsrand.

Ganz beschämt vor deinem Gange
Machte die Zipresse Halt

Und mit anmuthsvollem Wuchse
Stand sie da, die Hochgestalt.

Wirf, Hafis, zur Seelenrettung
Weg von dir dies Mönchsgewand,

Weil aus einer Gleissnerkutte
Immer Feuer nur entstand.3
 

1 D.h.: Wich

2 D.h.: Entriss sich den Armen der Rose und der Zipresse.

3 D.h. nach Sudi's Commentare, weil Jene die Tugend heucheln, dadurch das Feuer der allgemeinen Schmach und der Beschämung ihrer selbst erwecken.

 

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