Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Te

61.

Weil sich in deiner Locken Ring
Mein armes Herz von selber fing,

So tödt' es mit der Wimper Schwert,
Denn dieser Strafe ist es werth.

Wenn deine Hand mir zugesteht
Das, was mein heisser Wunsch erfleht,

So sei damit schnell bei der Hand:
Recht ist hier Gutes angewandt.

Bei deiner Seele schwör ich's hier,
O du mein süsser Götze, dir:

Des Nachts bin ich - der Kerze Bild -
Mich selbst zu opfern dir gewillt.

An Liebe, Sprosser, dachtest du;
Da rief ich dir als Warnung zu:

»Thu's nicht: die Rose jener Flur
Hat ihren eig'nen Willen nur.«

Dem Moschus aus Tschigil und Tschin1
Ist Rosenduft wohl kein Gewinn:

Des eig'nen Kleides Falte beut
Den Wohlduft ihm, den er verstreut.

Betritt des Mannes Wohnung nicht,
Dem es an Menschlichkeit gebricht:

Den Winkel wahrer Seelenruh'
Triffst nur im eig'nen Hause du.

Hafis verbrannte; doch gefiel
In Liebe und im Seelenspiel

Ihm auszuharren wie zuvor,
Dem Bunde treu, den er beschwor.
 

1 Tschigil in der Tatarei und Tschin, d.i. China, sind, wie Choten, Tharas, Tharem, Challedsch, Wesch, Jaghma, Kaschghar, Hek, Hedschawer, Ferchar, Ghatkar, Chatlan und Tschatsch, Städte, die sämtlich in Turkistan liegen, das Vaterland der Moschushirsche und der Schönen.

 

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