Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Te

79.

Vorüber ist's, wenn einen Fehler
Begangen hat dein Moschushaar;1

Vorüber ist's, wenn auch dein Inder2
Hart gegen mich gewesen war.

Mag immerhin der Blitz der Liebe
Versengen eines Armen Saat!

Vorüber ist's, wenn einem Bettler
Ein mächt'ger König Unrecht that.

Mag immerhin des Holden Blicken
Ein liebend' Herz erliegen schier:

Vorüber ist, was Statt gefunden
Einst zwischen meinem Freund und mir.

Die Worteklauber fördern immer
Nur Tadel an das Licht; allein

Vorüber ist, was zwischen Freunden
Nicht recht und schicklich mochte sein.

Nichts Kränkendes für die Gemüther
Gibt's auf dem Pfade.3 Bringe Wein!

Vorüber ist nun deine Trauer,
Nicht deine Freude nur allein.

Der Liebe Launen muss man tragen,
D'rum harre muthig aus, o Herz!

Vorüber ist nun jeder Kummer,
Verschwunden jeder Unbill Schmerz.

Der Pred'ger tadle nicht Hafisen,
Weil aus dem Kloster er entwich;

Vorüber ist's, wenn er entwichen:
Nicht fesseln lässt der Freie sich.
 

1 D.h.: Wenn dein Moschushaar sich nicht von mir berühren lassen wollte. - Hafis bringt hier das Wort Chata, d.i. Fehler, mit dem Moschushaare in Verbindung, da Chata das Vaterland der Moschusrehe ist.

2 D.i. dein Muttermaal, dessen Farbe der braunen Hautfarbe der Inder gleicht.

3 Auf dem Pfade der Liebe.

 

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