Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Te

80.

Ging je ein Mann beglückten Blickes
Die Seligkeit zu suchen aus,

So ging er in der Schenke Winkel
Und in des freien Willens Haus.

Der Wand'rer löste mit dem Glase,
Das einen halben Menn1 enthält,

Die tiefverhüllten Räthsel alle
Bezüglich auf die Sinnenwelt.

O komm und horche meinem Wissen,
Denn jedes Wort aus meinem Mund

Gibt, durch des heil'gen Geistes2 Gnade,
Was er mich Weises lehrte, kund.

Von meinem Schicksalsstern begehre
Nichts And'res je als Trunkenheit,

Denn mein Geburtsstern schon bestimmte
Mich nur zu solcher Thätigkeit.

 Als Morgens du hieher gekommen,
Schien deine Laune mir getrübt:3

Hast du vielleicht beim Abendweine
Zu vielfach deine Pflicht geübt?

Ein Wunder, scheint es, wolle wirken
Der Arzt, der 'Îsa's Hauch besitzt,

Weil mir, dem gar so schwer Erkrankten,
Kein ärztlicher Besuch mehr nützt.

O tausend Dank, dass gestern Abends
Hafis der Schenke Schatz verliess

Und in dem Winkel sich des Klosters
Der Pflicht und Andacht niederliess!
 

1 Menn, der Name eines grösseren, je nach den Provinzen verschiedenen Masses.

2 Der Engel Gabriel, der ewige Bote himmlischer Sendungen, heisst bei den Muhammedanern vorzugsweise der heilige Geist.

3 Wörtlich: Kamst du mit der anderen, d.i. mit der linken Hand, ganz wie wir sagen würden: Schienst du mit dem linken Fusse aufgestanden zu sein.

 

zurück