Henriette Ernestine Christiane vom Hagen (1760-1794) - Liebesgedichte



Henriette Ernestine Christiane vom Hagen
(1760-1794)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 




Guilbert und Amaryllis
Eine Romanze. 1776

Es lebte einst (wo? hab ich nicht erfahren:)
Salmanca, reich, gewißenlos,
Als Witwe schon seit sieben Jahren
In einem abgelegnen Schloß.

Sie hatte zwey erwachsne Töchter,
Die sie mit in dieß Schloß verwieß;
Und, als des goldnen Vließes Wächter,
Nicht aus den Drachenaugen ließ.

Die armen Kinder seufzten lange
Nach Freyheit, - doch sie sagten's nicht.
Vor Keifen, und vor Schelten bange,
Blieb Schweigen ihre harte Pflicht.

Ein Ritter nach Salmanca's Sinne
Hielt bald um Amaryllis an:
"Der, - sprach zur ältesten Korinne
Die Mutter, - ist für dich ein Mann."

Drum ward die Jüngst' ihm abgeschlagen.
"Es kann, mein Herr, unmöglich seyn, -
So ließ ihm Salamanca sagen, -
Denn erst muß stets die Aeltste freyn!"

Doch unsers Guilberts festen Willen,
(So hieß der Ritter,) schreckt nichts ab.
Er schwört zu bleiben Amaryllen
Getreu, trotz allen, bis ins Grab.

Indeß betrübte sich die Schöne,
Wie sie das Resultat vernahm;
"Ach wie ich mich nach Freyheit sehne!"
Seufzt sie - als schnell ein Bote kam.

Von wem? (Sie war allein zum Glücke!)
Sie nimmt des Ritters Brief geschwind;
Erbricht ihn, und mit scheuem Blicke
Durchläuft ihn schnell das gute Kind.

Er schrieb: "Die Streng' hat mich verdroßen,
Die Frau Salmanca mir bewies.
Ich liebe Sie, und bin entschloßen
Sie zu befreyn. Erlauben Sie's?

So komm' ich früh, noch eh der Morgen
Der Mutter spähend Auge weckt,
Vors Schloß, und seyn Sie ohne Sorgen;
Ich weiß, daß uns kein Mensch entdeckt.

Nur leis' herunter in den Garten;
(Denn so entkam ja manche schon,)
Hier soll ein Wagen Ihrer warten,
Und wie der Blitz, sind wir davon."

Sie zweifelt, ob sie folgen solle. -
Die Mutter ruft. - Im Augenblick
Sprach sie zum Boten: ja, sie wolle; -
Und gieng bestürzt ins Haus zurück.

Oft noch erwog sie's in der Stille,
Und schien drob ganz Melancholie.
Was machst und träumst du, Amarylle?
Frägt argwohnsvoll die Mutter sie.

Das fuhr ihr schnell durch alle Glieder.
Wie? merkt die Alt' es etwa schon? -
Doch sie erholt sich eilig wieder,
Schützt Kopfweh vor, und eilt davon.

Drauf gieng sie mäuschenstill ins Zimmer,
Wo das Juwelenkästchen stand,
Nahms zu sich, und beym Mondenschimmer
Den Weg zur Gartenthür sie fand.

Hier harrte längst mit der Karosse
Der Ritter. Froh stieg sie hinein.
Der Kutscher peitscht die schwarzen Rosse,
Und schnell schwand Schloß und Feld und Hayn.

So gieng die Flucht nach Wunsch von statten,
Und vor des nächsten Dorfs Altar
Empfieng sie morgens drauf zum Gatten
Den Ritter, der so zärtlich war.

Sie reisten nun nach seinem Lande;
Und unsrer Amaryllis deucht
Das Joch in ihrem neuen Stande,
Wie Mohn- und Rosenblätter leicht.

So, gleich den ersten Trauungstagen,
Verfloß ein Jahr im Sonnenschein. -
Doch, ists nicht schwer sein Glück zu tragen?
Auch hier traf's alte Sprichwort ein.

Oft wurmts der Frau, daß wider Willen
Der Mutter sie gefreyet hat;
Drum kams, daß sie, den Gram zu stillen,
Sie schriftlich um Vergebung bat.

Die Alte liest's mit wüthgem Blicke,
"Glaubst du, daß das vergeßen ist?
Ha, komm, damit ich dich zerstücke!
Und Satan leih mir seine List." -

Sie schrieb: "Erkenn an diesen warmen
Um dich gefallnen Thränen, du,
Daß ich verzeih; und flieh den Armen
Der treusten Mutter wieder zu."

Die Tochter eilt zur Mutter Füßen,
Begleitet von dem lieben Mann;
Indeß auf Mord und Blutvergießen
Im stillen Grimme diese sann.

So blieben die bethörten Beyde
Vergnügt und sorgenfrey bey ihr.
Wol Tage eitlen Golds und Seide
Versprach das liebe Paar sich hier.

Doch, nichts besteht. - Nach vierzehn Tagen
Muß Guilbert eine Reise thun;
Die Alte scheint es zu beklagen,
Und weint, und schreyt, und kann nicht ruhn.

Der Ritter geht. Mit Ahndungsthränen
Sagt seine Frau ihm: Lebewohl. -
Man darf des Gatten kaum erwähnen,
So ist ihr Auge thränenvoll. - -

Jetzt blicket mit satanscher Freude
Ihr Opfer Salamanca an;
Und kaum, daß sie die Herzensweide
Den Tag hindurch verbergen kann. -

Nun sinkt sie, bey der Eulen Schwirren,
Herab, die fürchterliche Nacht.
Der Poltergeister Ketten klirren
Und Boden und Gewölbe kracht.

Schon schloß der Schlaf die Augenlieder
Der hochbetrübten Gattin zu. -
Und ihre sorgenmüden Glieder
Umfing der weiche Arm der Ruh:

Als, ohne Frevelthat zu scheuen,
Vor ihrem Bett die Mutter stand. -
"Komm, folge"! sprach sie, "wirst du schreyen,
So stirbst du gleich von meiner Hand."

Sie schleppt sie wütend aus dem Bette,
Ein blankes Meßer in der Faust,
Schlingt um den Leib ihr eine Kette,
Und zerrt sie, daß der Armen graust.

"Ach!" klagt die, "was hab' ich verbrochen?
O Mutter! was so" - "Schweig! kein Wort!
Dein Ungehorsam wird gerochen;
Du mußt aus meinen Augen fort!"

Jzt standen sie vor einem großen
Und tiefen Keller. Da hinab
Wird mit den Worten sie gestoßen:
"Verschmachte da; hier ist dein Grab!" -

Fort war sie; zu die Thüre wieder.
Man hört ihr Angstgewinsel nicht.
Zulezt fällt sie in Ohnmacht nieder,
Und todtenblaß wird ihr Gesicht.

Drey Tage reist ihr Mann indeßen,
Und kehrt des Nachts im Wirthshaus ein.
Er kann die Gattin nicht vergeßen;
Seufzt tief, und schlummert traurig ein.

Da kommt zur Zeit, wo Geister reisen,
Der Schutzgeist seiner Frau, und zeigt
Ihr Bild im Traum, wie sie, in Eisen
Gelegt, die matte Hand ihm reicht.

Hoch fährt er auf; sieht sie am Bette;
Mit trübem Auge schleppt sie sich
Zu ihm, und röchelt: "Komm, ach rette!
Der Mutter Rache tödtet mich."

Das Bild zerschmilzt, wie Nebel schwinden.
Er wirft erschreckt vom Lager sich,
Und schreyt: "Dich soll die Rache finden!
Ja, Gattin, ja ich rette dich!"

Und rennend über Stock und Steine,
Kehrt er zu Amaryllis um;
Doch irrt er in dem düstern Hayne
Die ganze, lange Nacht herum.

Sein Pferd fiel todt am Morgen nieder,
Denn schon neun Meilen jug er fort;
[jug=jagte]
Doch nimmt er gleich ein frisches wieder,
Und kommt an den bestimmten Ort.

Er sieht das Haus in tiefer Trauer;
Man sagt ihm: seine Frau sey todt.
Da packt ihn kalter Todesschauer;
Er weint, und fluchet, fleht und droht.

Er droht, die Mutter zu erschießen,
Und schreyt: ich fordre sie von dir!
Sie fällt ihm weinend zu den Füßen,
Und schluchzt: "was willst du denn von mir?"

"Sie starb, mein Kind, in meinen Armen,
(Zwey Tage weint' ich schon um sie:)
An einem Schlagfluß; - Weh uns Armen!
Ach nie sehn wir sie wieder! nie!"

"Schweig, Satansbrut, mit deinen Lügen!"
Rief Guilbert, "denn von deiner Hand
Starb sie; wir ließen uns betrügen.
Doch weh dir selbst, du Höllenbrand!"

Und schnaubend springt der Treppe Stufen
Der Ritter wuthentbrannt hinab;
Und fängt an ungestüm zu rufen:
"Den Keller auf! hier ist ihr Grab!"

Man öffnet ihn. Ein bang Gewimmer,
Glaubt er zu hören ganz genau;
Doch ach! - beym blaßen Lampenschimmer
Sieht er den Leichnam seiner Frau.

Ich folge dir! ruft er, und nieder
Stürzt er auf ihren Leichnam hin.
Man läuft hinzu; doch seine Glieder
Sind starr und kalt. Er war dahin!

Und pauf! ein Schuß! es liegt im Blute
Die Mutter, selbst erschoß sie sich;
Und in verzweiflungsvollem Muthe
Ihr schwarzer Geist zur Hölle wich. -

Im Keller lag bey Amaryllen,
Sagt man, ein Blatt; Blut klebte dran.
Es faßte ihren letzten Willen,
Und war an Guilbert, ihren Mann.

Zur Feder hatte sie ein Stöckgen
(Denn Noth macht sinnreich) zugespizt,
Und in ihr Blut getaucht das Pflöckgen,
Nachdem sie sich den Arm zerrizt.

Dann schrieb sie: "ach, die Mörder trafen, -
Das quält! - mit mir auch, Guilbert, dich!
Doch räche, soll ich ruhig schlafen,
Nur nicht an meiner Mutter mich.

Durch sie starb ich. O Quaal! mein Leben
Ist nie beschriebner Marter voll! -
Ach könnt' ich dir noch Abschied geben!
Noch sagen: Guilbert, lebe wohl!" -

Bleich, wundergerungen beyde Hände,
Entstellt vom Schmerz, traf sie der Tod.
Sie lächelt ihm, der doch, mitleidig, Ende
Dem Jammer und der Quaal gebot!

Drauf legte man, des Nachts im Stillen
Das treue Paar in Eine Gruft.
Da ruhn sie nun, bis ihrer Hüllen
Einst der Gerichtstag Leben ruft.

Und Blümchen, schöne Blümchen stiegen
Hervor in bunter Menge dort.
Zwey Täubchen, weiß wie Schnee, umfliegen
Noch izt zur Zeit den heilgen Ort.

Doch, weder Kraut noch Blum' erzeuget
Der Mutter immer sandge Gruft;
Und tief aus ihrem Schlunde steiget
Ein schwarzer, dicker Schwefelduft.

Ihr Geist läßt sich bey Nachtzeit sehen
Im Keller oft - hu! wie mir graut! -
Dann sieht man sie zum Kirchhof gehen;
Da weint und heult sie überlaut.

Bis sie mit donnerndem Gerassel
Sich brüllend wälzt zu ihrem Grab;
Es öffnet sich, und mit Gepraßel
Stürzt sie zum Höllenpful hinab!
(S. 4-18)
_____



Das bis in den Tod getreue Paar
oder
Hastery und Kattine
Den 28. Oct. 1778

In einem alten Bücherschrank,
Darin seit langen Jahren
Die Mäus' und Spinnen frey und frank
Zu seyn berechtigt waren,
Wo mancher dicker Foliant,
Den jeder einstens ehrte,
Vergeßen jezt im Winkel stand,
Und seine Motten nährte;
In diesem Schranke fand ich nun
Ein Buch, in Juchtenbande. -
"Hier, sprach die Zeit einst, wirst du ruhn
Im niedern dunkeln Stande,
Viel Jahre lang; doch sollst du nicht
Verderben und vermodern,
Denn noch zuletzt ans Tageslicht
Wird man dich wieder fodern.

Drum hab's im Voraus heißen Dank;
Du sollst auf starken Beinen,
In Reimgeschmeide, baar und blank,
Dann in der Welt erscheinen." -
Und sieh, da lags und durfte sich
Nicht rühren und nicht regen.
Es harrt in Ungeduld auf mich
Der Zukunft stolz entgegen.

Ich kam, und las: Wie lieblich scholl
Manch Mährlein meinen Ohren!
Allein von allen hab ich wol
Zum Liebling dieß erkohren:
(Der Titel schon urkundet klar,
Daß es den Rang verdiene:)
Das bis in Tod getreue Paar,
Hastery und Kattinne.

Das bis in Tod getreue Paar,
Hastery und Kattine,
Trat, etwa vor dreyhundert Jahr,
In Asien auf die Bühne.
Ihr Stand war niedrig; hoch ihr Geist,
Schön beide zum Entzücken,
So schön - ihr wäret weit gereist,
Sie einmal anzublicken.

Blau war des Mägdleins Augenpaar,
Und glich an Glanz den Sternen.
Ihr Augenbraun und Ringelhaar
War schwarz wie Apfelkernen,
Ihr Mund an Lieblichkeit so reich - -
Man kanns so nicht recht fassen! -
Ich möchte beid' in Kupfer gleich
Voran hier stechen lassen!

Ihr Geist war schön, wie die Gestalt.
Was Wunder, daß zur Liebe
Und Herzenswechsel alsobald
Sich neigten ihre Triebe!
Heiß, feurig liebte Hastery,
Heiß, wie ein Salamander;
Und sie? - Es schien, als wären sie
Geschaffen für einander!

Acht Tage nur, dann sollte schon
Der Bonze sie vereinen;
Da mußten sie in Surinon
Schnell, auf Befehl, erscheinen.
Der Perser Sophi, Astarrath,
Der ihren Ruf vernommen,
Ließ in die stolze Königsstadt
An seinen Hof sie kommen.

Wie klang so ahnungsvoll, und schwer
Die Nachricht ihren Ohren!
"Kattine! ach für mich nunmehr,
Auf ewig wohl verloren!
Vielleicht nun bald, von dir verbannt,
Werd ich entfernt dich lieben;
Ach, wärst du ewig unbekannt,
So wärst du mein geblieben!" -

Hastery! Wie! Dir bangt, daß ich
Dich einst vergeßen könnte?
Wenn auch ein König selbst für mich
In Liebesglut entbrennte:
Was Kronenglanz! wenn Hastery
Kattinnen sollte fehlen!
Was Königs Lieb'! - ich würde sie
Verachten, und dich wählen.

Drauf ziehn sie fort, - O Mißgeschick!
O thränenvolle Stunde! -
Bewunderung floß beym ersten Blick
Des Hofs aus jedem Munde.
Mit Zittern hin zum Sophi gieng
Das treue Paar zusammen,
Und kaum ersah er sie, so fieng
Sein Herz, wie Zunder, Flammen.

Rasch wollt' er auf den Thron sie hoch,
Wenn sie ihn liebt', erheben. -
Kattine, wirst du nun wol noch
Nur deinem Jüngling leben?
Noch sagen: was kann Kronenglanz
Ohn' ihn für Freude bringen?
Noch lieber einen Myrthenkranz
Um deine Locken schlingen? -

Ja seht! sie schlägt den Sophi aus,
Sagt, jenem treugeblieben,
Mit edlem Stolz ihm frey heraus:
"Ich werde dich nicht lieben:
Mein Herz ist gegen deinen Stand,
O König, ohn' Empfindung:
Mich schließt ein ältres Liebesband
In süßere Verbindung." -

Von Eifersucht und Grimme schier
Durchglühet zum Verbrennen,
Ruft er: "Verwegne! wirst du mir
Gleich den Verräther nennen?" -
"Ha, sagt sie spottend, diese Wuth
Wird dir mein Herz verdienen!
Zu Tod und Leiden hab ich Muth!
Geh, du verkennst Kattinen!" -

Das, was sie schmerzt, - ihr Vater will
Zur Königin sie zwingen.
Ihr Trost war, Flut und Wäldern still
Ihr Thränenlied zu singen.
Sie sucht durch hohe Sprödigkeit
Den Sophi zu verscheuchen,
Doch wollte seine Zärtlichkeit
Nicht wanken und nicht weichen.

Soloen, der von je ihr Herz
Nie hatte was verborgen,
Vertraut sie ihrer Liebe Schmerz
Und ihre schweren Sorgen. -
Ihr Mädchen, trägt am Plaudern ihr
Nur nicht so leicht Vergnügen! -
Sie nennt sogar den Jüngling ihr. -
O hätte sie geschwiegen!

Soloe, die Verrätherin,
Weint mit in ihre Klagen;
Geht treulos dann zum Sophi hin,
Ihm alles anzusagen.
Der läßt in nächster Mitternacht
Sogleich Befehl ertheilen
Und weg wird Hastery gebracht,
Weit weg - wol hundert Meilen!

Drey Tage sah nun schon nicht mehr
Kattin' an Hof ihn kommen.
Da schien die ganze Burg ihr leer;
Ihr schönes Aug' umschwommen
Stets Thränen; ach! und aus der Stadt
Dringts bis zu ihren Ohren:
Durch Meuchelmörder Dolchstich
Sein Leben er verloren.

"Ha! wer durchbohrte mördrisch ihn?
Du, Sophi, bist der Thäter!
Soloe, die Verrätherin, -
Doch größere Verräther
Dieß Herz und diese Zunge hier,
Der einst sein Nam' entflohen! -
Weh dir, Unglückliche! weh dir!
Du nanntest ihn Soloen!

Er todt! - ha, stirb! was weilst du noch,
Was weilst du noch auf Erden?
Ha! stirb ihm nach, du kannst ja doch
Nun nimmer glücklich werden!
Mein Jüngling, willst du ohne mich
Hinauf zur Sonne streben?
Verzeih, geliebter Schatten, ich
Will mit, will mit dir schweben!" -

So ihr Geschrey und wilder Sinn.
Vor großer Schmerzensfülle
Streut sie die Locken vor sich hin,
Dann sinnt sie in der Stille
Auf Rach', es schien Beruhigung
In sie zurück zu kehren,
Indeß sie voll Verzweifelung. - -
Doch laßt uns weiter hören!

Ihr glaubt, sie wird im Flor nun bald
Um den Geliebten weinen! -
Doch nein; in festlicher Gestalt
Sieht man sie izt erscheinen.
Sie kommt, wie eine Braut geschmückt,
Im frischen Blumenkranze;
Aus ihren schönen Augen blickt
Glanz, gleich dem Sonnenglanze.

Sie geht an Hof; nicht müd' und satt
Gaft sich an ihr die Menge.
Sie eilt zum Sophi Astarrath,
Durchs murmelnde Gedränge.
Er sieht sie, und ein Hoffnungslicht
Beginnt in ihm zu tagen;
Es scheint ihr heitres Angesicht
Ihm Tröstung zuzusagen.

Ein Wink. - Der Hofstaat weicht zurück,
Mit ehrfurchtsvollem Schwingen. -
"Kannst du, beginnt sie, noch den Blick
Hin zu Kattinen neigen?
Die als dein Herz die Lieb' ihr bot,
Mit Weigern es betrübte,
So sey sie heute dein, denn todt
Ist der vorhin Geliebte.

Ich weiß die Hand, o König, die
Geraubt ihm hat das Leben;
Ihr seys verziehn; doch kann ich nie
Soloen auch vergeben.
Wie könnte wohl sein Schatten ruhn,
Wenn meine Rache ruhte?
So schreib der Liebe Bündniß nun
Mit der Verräthrin Blute." -

Er schwörts ihr zu mit frohem Sinn;
Der Bonze spricht den Segen
Zum Bündniß, und als Königin
Jauchzt alles ihr entgegen.
Und selbst Soloe, sorgenfrey,
Nichts ahndend von dem Lohne
Des Treubruchs, eilt mit Haß herbey
Und wünscht ihr Glück zum Throne.

Kattinens Blick schien freundlich auch
Für sie, wie Mayenwetter.
So küßt die Rose Zephyrs Hauch
Und raubt ihr dann die Blätter.
Sie nimmt als erste Dienerin
(Hofdame nennt man's heute,)
Ihr Zimmer bey der Königin,
Bestimmt dem Tod zur Beute. -

Als so der Tag vorbey gerauscht,
Und nun der Mond vom Himmel
Auf Surinon hernieder lauscht,
Wich mählig das Gethümmel. -
Still seufzt Kattine: "winkst du mir
Dann, Nacht der Ruh? - bald sehn' ich
Mich nicht umsonst mehr hin zu dir!
Nun Muth gefaßt! zum König!"

"Auf, spricht sie, denn du schwurst mir's zu
Zu rächen meinen Jammer!
Soloe schläft in sichrer Ruh
Hier in der Nebenkammer;
Geh, finster ists. Vollbring' ihn nun,
Den Streich so unvermuthet:
Eh kann nicht meine Seele ruhn,
Bis die Verräthrin blutet." - -

Sie schlüpft hinaus, - er, leis' und stumm,
Schleicht nach ihr, auf den Zehen!
Er zittert, und weiß nicht warum,
Und wünscht: es sey geschehen. -
Nun haut er zu: wohl trifft sein Schwerdt;
(Nur, daß ichs kurz erzähle,)
Er horcht - es rächelt! - bald entfährt
Der Sterbenden die Seele.

Und als voll Unruh er zurück
Kehrt, in Kattinens Zimmer,
Und allenthalben es sein Blick
Beym matten Lampenschimmer,
Sie suchend, hastig nun durchlief,
Da fand  er an dem Orte,
Wo sie geseßen, einen Brief,
Drinn standen diese Worte:

"Schau an dein blutgefärbtes Schwerdt,
Es tödtete Kattinen.
Soloe lebt. Nicht Kronenwerth
Kann dir dieß Herz verdienen.
Wie konnt' es, unentdeckt von dir,
So lang in Rache kochen?
Du raubtest den Geliebten mir.
Tyrann, ich bin gerochen!" -

Er liest, und seine starre Hand
Greift bebend nach dem Lichte;
Er kommt ans Bett' herbey gerannt; -
Ha! schreckliches Geschichte! -
Die Königin, beschwemmt mit Blut,
Schon mit gebrochnen Blicken! -
Er heult, und brüllt, und will vor Wuth
Sich selber gar zerstücken.

Soloe kommt: ein Grausen fährt
Ihr kalt durch alle Glieder.
Kaum sieht er sie, so streckt sein Schwerdt
Sie blutig vor sich nieder,
Stößt rasend drauf sich durch und durch;
Da lag er ohne Leben! - -
Von Klaggeheul die Königsburg
Begonnte zu erbeben.

Hastery kommt befreyt, und faßt,
Die Urne der Geliebten:
Ha! Götter, schreyt er, Götter, laßt
Laßt ab von mir Betrübten!
Mög izt mein Geist mit schnellem Flug
Sie einzuholen fliegen!" -
Er sprachs und auf dem Aschenkrug
Blieb todt der Arme liegen. - -

Beliebt mir itzo kund zu thun,
Wie's Mährlein euch behaget,
Ihr Mädchen? - Aber merkt auch nun,
Was die Moral besaget! -
Sie lehrt vor Uebel dreyerley
Euch bang zurücke schaudern:
Vor Liebe, vor Verrätherey,
Und denn vorm leidgen Plaudern!
(S. 45-63)
_____



Jette
Eine schreckliche Geschichte
Den 1. Dec. 1779

Wie glücklich war vormals mein Leben! doch ach!
Mein Glück ist entschlafen, und Kummer ward wach. -
So schwimmt durch die Himmelsflur Luna empor,
Dann schlingt sie Gewölke, kommt nimmer hervor. -

Ich hatt' eine Braut; sie hieß Jette. So schön
Kann keiner sie denken, noch weniger sehn!
Ich hatte Vergnügen, und frölichen Sinn,
Gesundheit und Freude, - das alles ist hin!

Wie liebt' ich nicht Jetten! wie liebte sie mich!
In Starliz war sie, und in Rosenau ich.
Ihr Dorf lag nur etwa ein Stündchen von hier,
Auch lief ich fast täglich hinüber zu ihr.

Einst kam ich von Starliz, war traurig fast sehr,
Der Abschied fiel dießmal uns beiden so schwer.
Ich weinte, sie schluchzte - ich seufzte, sie schrie,
Mir wars so ums Herz, ich weiß selbst nicht recht wie.

Ich sagte zwar: Närrchen, was weinst du doch so?
Du siehst mich ja wieder; doch ward sie nicht froh.
Da zog ich heraus einen zierlichen Ring,
Und steckte den ihr an den Finger, und gieng.

Spät kam ich nach Hause, ich sprach nicht ein Wort;
Mein Geist, so voll Ahndung, war immer noch dort.
Ich warf mich ins Fenster. - Nach Starliz hin stand
Von nächtlichen Wolken so schwarz eine Wand.

Der Nebel verhüllte vom Dörfchen den Thurm,
Da pfiffen die Winde, da heulte der Sturm.
Es rauschte die Mühle mit dumpfigem Klang. -
Das dünkte mir alles wie Leichengesang.

Pauf! gieng es da plözlich; von Starliz herauf
Fuhr lodernde, bläuliche Flamme schnell auf,
Und schlug an die Wolken. In Stille versank
Dann alles, und h'rüber kam Pulvergestank.

Von Schrecken erstarrt, stand ich zitternd erst dort,
Dann rafft' ich mich auf, und nach Starliz giengs fort.
Getöse und Rufen, je näher ich kam,
Der Lärm und das Schreyen noch überhand nahm.

Nun kam ich im Dorf an, und hörte mit Graus:
Es läg' in der Asche - ach! - Jetten ihr Haus!
Von Pulver gesprengt bis an Himmel so hoch! -
O schrie ich, o weh mir! lebt Jette nur noch!

Da warf ich zur Seite den düsteren Blick; -
Was seh ich! o Jammer! wie bebt' ich zurück!
Zerstümmelte Glieder, versengt von der Glut,
Zerstreut hin und wieder, in Asch' und in Schutt.

Ich hob eine Hand auf; o Himmel! und fand
Den Ring meines Mädchens am Finger der Hand.
Ach Jette! - und plözlich schwand jeglicher Sinn;
In Todeskampf stürzt' ich zur Erde straks hin.

Und erst nach zwölf Stunden ward wieder gebracht
Das Licht meinem Auge. - Ach! deckt' es noch Nacht!
Doch Muth und Geduld nur noch wenige Frist,
So bin ich auch dort, wo nun Jette schon ist!
(S. 85-88)
_____



Der betrogne Liebhaber
oder Klaus von Straußenhayn
Den 26. Nov. 1781

Die Liebe hat zu aller Zeit
Gestiftet Unheil, Zank und Streit,
Absonderlich bey Rittern.
Tritt ihnen etwas in die Queer,
So muß vor ihrem Mordgewehr
Gleich alle Welt erzittern. -
Man führt von manchem Rittersmann
Die traurigsten Exempel an.

Der Junker Klaus von Straußenhayn,
Und Ludewig von Edelstein,
Gebürtig beid' aus Pommern,
Bewarben sich mit Flehn und Drohn,
Um Fräulein Bernhardinen schon,
Seit zwey sehr heißen Sommern.
Da nun der Spaß so lang gewährt,
Sie einstens sich, wie folgt erklärt:

Ihr Ritter, hört, die Eifersucht
Bringt euch und mir gar schlechte Frucht;
Macht endlich einmal Friede.
Lächl' ich nur einmal, Ludwig, dir,
Hat Klaus das Gallenfieber schier,
Und ist des Lebens müde;
Und schein' ich einmal Klausen hold,
Brummt Ludwig, wie ein Bär, und schmollt.

Drum, Ritter, schreitet zum Vergleich;
Sonst werd' ich keinen nicht von euch,
Und einen dritten nehmen.
Eins lebt dem andern nur zur Quaal.
Hört an, ich werde mich zur Wahl
Desjenigen bequemen,
Der, seys durch Muth nun oder List,
Mich zu erwerben glücklich ist."

"Wolan! es sey durch Muth! (rief Klaus;)
Auf, Ludewig, zum Kampf heraus,
Wie's edlen Rittern ziemet!
Der Straußenhayne Tapferkeit
War lange, vor der Hunnen Zeit,
In Deutschland hoch berühmet.
Blut heischt dieß Schwerdt! hier Ludewig,
Mein Handschuh! morgen stelle dich!"

Der Morgen graut nun schon herauf;
Klaus rafft sich von dem Lager auf,
Und greift nach seinen Waffen.
Doch sieh! welch blutig Morgenroth!
Wie flunkerts! - ach, das ahndet Tod!
Wird nichts den Muth erschlaffen?
Zwar tapfer seyn ist gut genug:
Doch horch! - Die Fehdestunde schlug! -

So standen auf dem Kampfplatz dort
Die beiden Helden. "Hör' ein Wort!"
Sprach Ludewig zu Klausen.
Wer siegt, ist noch nicht ausgemacht,
Doch steht, auf allen Fall bedacht,
Mein Pferd am Garten draußen.
Dein sey der Sieg nun oder mein,
So soll das Pferd des Siegers seyn.

Bleib ich im Kampf, dann eilest du
Sogleich der nächsten Grenze zu,
Nach Preußen oder Polen,
Und dieser Beutel hier enthält
Für'n Flüchtigen das Reisegeld,
Zweyhundert Stück Pistolen;
Stirbst du, so brauch ich selber sie. -
Wolan! nun mach dich fertig! zieh!"

Da zogen sie, und fürchterlich
War jeder Hieb, und jeder Stich,
Und jeder Blick und Mine.
Klaus hieb und hieb, und stach und stach -
Halt! Ludwig sinkt! rief röchelnd: "Ach!
Ade nun, Bernhardine!" -
Mehr sprach er nicht; Sein Mörder sieht
Mit Schrecken seinen Tod, und flieht.

Verbannt aus seiner Vaterstadt,
Verbannt von ihr, um die er hat
Die blutge That begangen,
Irrt er im fernen Polen nun,
Kann weder rasten, weder ruhn,
Ob des Gewißens Bangen;
Auch oft erscheint, im Traum zumal,
Ihm Ludwigs Geist mit blutgen Stal.

So härmt er sich vier Wochen schier,
Und nichts von ihm und nichts von ihr
Ertönte seinen Ohren.
Es schien, als ob der Fremden Heer
Auf sein: Kommt ihr aus Pommern her?
Sich all zu - Nein verschworen.
Bis einst, da ers sich nicht versah,
Ihn einer noch erfreut mit Ja.

Ey, lieber Landsmann, sagt mir doch,
Spricht man denn wol in Pommern noch
Von dem erstochnen Ritter?
Sein Mörder, Klaus von Straußenhayn,
Erzählt man, soll entflohen seyn;
Denn Kerkerstraf' ist bitter.
Auch kennt ihr ja ein Fräulein wol,
Die Bernharden heißen soll!"

O, sprach der Fremde lachend: "Ja,
Wol kenn ich sie, das Fräulein da;
Kein listgers lebt auf Erden.
Sie liebte heimlich Edelstein,
Und um den Narrn, den Straußenhayn
In Güte los zu werden,
Ersann sie einen Kniff, der ist
Das Meisterstück von Weiberlist.

Im Zweykampf fochten sie um sie,
Und Ludwig fiel und starb, doch wie?
Als Helden auf der Bühne;
Denn kaum war Klaus in höchster Eil
Entflohn, so war die Wunde heil,
Und sein ward Bernhardine." -
Drauf gieng der Fremde. Ritter Klaus
Schwieg mäuschenstill, und schlich nach Haus.
(S. 143-150)
_____



Hyacinth und Olivia
Eine Ballade
Den 30. April 1783

Ein Berg, hoch wie der Brocken ist,
Der Dolenberg genannt,
Von oben und von unten schön
Hinunter und hinauf zu seyn,
Liegt in Walliserland.

Auf seinem steilen Gipfel thront
Ein grünes Lustrevier;
Bedeckt mit Gras und Blumenschmelz,
Ist wunderschön der kahle Fels
Auf weiter Ebne hier.

Kommt Festtag nun im Erndtemond,
Zieht jauchzend Jung und Alt,
Den Berg hinauf, von weit und breit,
Und lebt und webt in Fröhlichkeit,
Daß drob die Ebne schallt.

Einst zog auch nun im Hochzeitskranz,
Mit rosenrothem Sinn,
Wol unterm ganzen fröhlichen
Walliser Volk die fröhlichsten,
Ein junges Brautpaar, hin.

Das Mädchen hieß Olivia,
Und er hieß Hyacinth.
Man schaute seine Freude dran;
Er war ein schöner junger Mann,
Und sie ein holdes Kind.

Sie wirbelten in raschem Tanz,
Herum mit Klein und Groß;
Bis tief herab die Sonne sank,
Und schon der Berg das Thal entlang
Mit Schatten übergoß.

"Komm, Liebe, sprach der Jüngling da,
Ich bin des Lärmens satt.
Komm mit, der Abendhauch weht kühl,
Laß tanzen noch, wer tanzen will,
Und wer kein Liebchen hat."

Sie schlenderten dem Hügel zu,
Hart an des Berges Rand.
Hier schoß, von Busch und Kräutern kahl,
Recht senkrecht, tief hinab ins Thal
Die schroffe Felsenwand.

Da saß im traulichem Gespräch
Das unbefangne Paar.
Sie plauderten, und merktens nicht,
Daß ausgelöscht vom Sonnenlicht,
Das lezte Fünkchen war. -

"Horch, Mädchen, die Schallmeye ruft
Uns schon zum Abzug dort!
Sieh, sind nicht schon die Sterne wach!
Warum so kurz der schöne Tag!
Wir müßen, müßen fort!" -

"Nun gute Nacht, du Plätzchen dann.
Ein Blümchen pflück ich ab,
Von dir, das soll noch mit mir ziehn." -
Sie bückt sich nach dem Blümchen hin,
Und - stürzt den Fels hinab.

Ihr nach stürzt jäh der Jüngling sich,
Und faßt sein Mädchen auf.
Noch Arm in Arm geschlungen, fand
Sie unten an der Felsenwand
Ein Hirt am Morgen auf. -

Der Fels, besprüzt von treuem Blut
Der beiden Liebenden,
Entsezte sich ob diesen Tod,
Und ist, gefärbt in blutig roth,
Bis diesen Tag zu sehn.
(S. 252-255)
_____



Nirza
eine arabische Erzählung
Den 2. Jul. 1783

Durch die ätherischen Höhen
Fuhr einst, in Wolken gehüllt,
Nirza, die schönste der Feen,
Nirza, so reizend als mild.

Näher und näher der Erde
Zogen im fliegenden Trab
Pfadlos die himmlischen Pferde,
Nirzen allmählig herab.

Eben nun schwang sich ihr Wagen
Wieder zum Aether empor,
Horch! da erschütterten Klagen
Menschlicher Stimmen ihr Ohr.

Unter dem Grün einer Mirthe,
Floßen, wie Bächlein so klar,
Thränen des Jammers; hier girrte
Trostlos ein liebendes Paar.

Nirza sah nieder zum Ringe,
Den sie vom Finger nie ließ;
Wunderbar zeigt' er die Dinge
Die sie zu zeigen ihm hieß.

Zulmis, Nadine, so heißen,
Zeigt' er, die traurigen Zwey.
Trennung bedroht sie, zerreißen
Will man das Band ihrer Treu.

Zulmis war blind, und der Arme,
Sollte verlieren im Nu -
Daß es dem Himmel erbarme! -
Gar auch sein Mädchen dazu.

"Welchem die Sonne nicht funkelt,
Liebet die Gottheit auch nicht.
Weil sie dich haßt, drum verdunkelt
Ewige Nacht dein Gesicht.

Magst du vorher sie versühnen,
Tilgen die Strafe; nur dann
Zulmis, dann halt' um Nadinen,
Sprach ihre Mutter, erst an." -

Alibek, Freund dieser Beiden,
Treflich im Zauber geübt,
Sprach einst: "Ich ende das Leiden,
Das euch sonst ewig betrübt.

Fern von hier tröpfelt verborgen
Waßer, aus kühligem Fels,
Heilend all' Uebel, und morgen
Reis' ich, und schöpf euch des Quells." -

Alibek reiste, doch nimmer
Sah ihn ihr wartender Blick;
Alibek starb, und noch immer
Hofften sie, käm er zurück.

"Zulmis wird, sprach ein Orakel,
Sehen vorm zwanzigsten Jahr." -
Und der vermeint, dieß Mirakel
Mache Freund Alibek wahr. -

Wenige Stunden entrollten
Nur noch der Sanduhr der Zeit,
Dann war er zwanzig, dann sollten
Beide sich trennen noch heut.

Aber von Nirzen gefunden,
Schwebt' ihre Rettung schon nah.
Nirza, die plözlich verschwunden,
Stand izt als Alibek da.

Nähert sich langsam, und Segen
Sprach schon von weitem ihr Blick.
Froh fliegt Nadin' ihm entgegen:
"Alibek, Götter! welch Glück!

Ach, nun getrocknet die Thränen!
Dank unserm guten Geschick!
Brachte dich endlich mein Sehnen,
Engel der Hülfe, zurück!

Hoffnung, o Hoffnung, wie helle
Leuchtet uns wieder dein Licht!
Sage, Freund, fandst du die Quelle?
Oeffnest du Zulmis Gesicht?" -

"Wol hab' ichs Bächlein gefunden,
Wol öffn' ich Zulmis Gesicht!
Sprich, und in wenig Sekunden
Siehet der Jüngling das Licht. -

Wart noch, Nadine, bedenke!
Eh dichs zu spät dann gereu;
Wenn ichs Gesicht izt ihm schenke,
Wirst nichts verlieren dabey?" -

"Und was verlör' ich?" - "O vieles
Kannst du verlieren, mein Kind;
Glück ist dein Ziel, und des Zieles
Fehlst du wol, bleibt er nicht blind.

Sieh, seinen zärtlichen Trieben
Bist du die Einzge der Welt,
Ewiglich wird er dich lieben,
Wenn auch dich Alter entstellt.

Kann, wird die Blindheit nun schwinden,
Die izt dein Glücke vergällt,
Zulmis ein Mädchen nicht finden,
Das ihm dann beßer gefällt?" -

"Wird er, frägt jene mit Bangen
Blind allem Kummer entgehn!" -
"Nein, denn mit Kummer verlangen
Wird er Nadinen zu sehn;

Wird nie dieß Lächeln erblicken,
Das sie so huldiglich schmückt,
Nie wird ihr Reiz ihn entzücken,
Aber Nadin' ist beglückt." -

"Ist sie? nun dann so ist Segen,
Segen, rief Zulmis, ist mein!
Schad' um die Augen! sie mögen
Ewig verschloßen mir seyn!" -

"Ach, spricht Nadine beweglich,
Zulmis, o Lieber, verzeih!
Daß ich noch wanke, ists möglich,
Werd er doch sehend und treu!" -

"Kannst du den Irrwisch wol faßen?
Kannst du das trügrische Licht?
Männertreu ist so; sie laßen
Ewig von Wankelmuth nicht." -

"Zulmis, was wünschen? was wollen?
Schön ist die Schöpfung, so schön!
Und diese Schöpfung, ach! sollen
Nun deine Blicke nie sehn?

Theurer, o sieh! wenn zu lieben
Gleich auch dein Herz mich vergißt!
Mag sich Nadine betrüben,
Wenn nur du glücklicher bist!" -

"Alibek, schließ meine Blicke
Ewig, rief Zulmis, in Nacht,
Wenn mein Gesicht einst ihr Glücke
Weniger theuer mir macht!" -

"Gnug, o genug nun der Wonne!
Hoch habt ihrs Lieben gebracht!
Folgt mir zum Tempel der Sonne,
Sehet dort Alibeks Macht!" - -

Kaum trat ihr Fuß in die Hallen,
Hörte von tausenden man
Alibeks Namen erschallen,
Tausende drangen heran.

"Ha, welch ein Wunder uns zeigen,
Ruft jede Zunge, wird er!" -
Tiefes erwartendes Schweigen
Lagert um Nirzen sich her. -

"Bist du dem Gott, sprach sie, theuer,
Der dir den Lebenshauch gab,
Zulmis, so falle der Schleyer
Izt dir  vom Auge herab." -

Plötzlich sah Zulmis. Die Menge
Jubelt mit lautrem Geschrey;
Unter dem frohen Gedränge
Fliegt auch Nadine herbey.

Doch ihr raunt Nirza: "Tritt unter
Deine Gespielin!" ins Ohr. -
"Zulmis, blick auf, such hierunter
Nun dir Nadinen hervor!" -

Oefn' ihm die Augen, o Liebe,
Such ihm sein Mädchen doch aus! -
Zulmis - o Wunder der Liebe! -
Findet's aus allen heraus.

Blumengewinde umschlangen
Plötzlich das glückliche Paar,
Jubelnde Hymnen erklangen
Aus der versammleten Schaar.

Während des frohen Getümmels
Wandelte Nirza sich schnell;
Stand da mit Glanze des Himmels
Angethan, leuchtend und hell.

"Seht sprach sie, Nirza! Ich weihe
Froh heut dieß glückliche Band;
Liebt euch mit ewiger Treue!
Liebet auch mich!" - Sie verschwand.
(S. 260-270)
_____


Aus: Gedichte
von H. E. Christiane vom Hagen
Auf Kosten der Verfaßerin
gedruckt bey Johann Georg Struck
zu Wernerode 1784

 


Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Henriette_Ernestine_Christiane_vom_Hagen





 

 


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