Robert Hamerling (1830-1889) - Liebesgedichte

Robert Hamerling

 

Robert Hamerling
(1830-1889)

 

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 

 

Liebesdithyramben

I.
Ihre Stimme
Ach jene lieblich lockenden,
Wie vor der eig'nen Schöne
Verschämten, leise stockenden,
Herzinnig süßen Töne,
Sie locken, gleich verschwebenden
Accorden sel'ger Lust,
Mit Klängen, süß erbebenden,
Das Herz mir aus der Brust!

Und ach, schon hat das lauschende
Mit ihren Lispelwogen
Die Zauberflut, die rauschende,
Befangen und umzogen;
So folgt das süß umronnene
Dem Bann der Töne stets,
Und fällt ins klanggesponnene
Leidvolle Liebesnetz!

O Flut, in Perlen rinnende,
Darin ich lauschend schwimme,
Verlockend herzgewinnende,
Bethörend süße Stimme!
Vereinte selbst zum Chore sich
Des Klanges Zauberreich -
Nicht drängt' es mir zum Ohre sich
So lockend und so weich!


II.
Ihr Auge
Ach jene tiefdurchdringenden,
In aller Näh' und Ferne
Den Herztribut erzwingenden,
Tiefdunklen Augensterne,
Sie schleudern, wie der prächtige
Demant'ne Sternenkranz,
Ins ird'sche Grau'n, ins nächtige,
Der Schönheit Wunderglanz.

Sie glüh'n, als geistdurchleuchtete
Krystall'ne Zauberbronnen,
Von ird'schem Tau befeuchtete,
Gedämpfte Himmelssonnen!
Mir ist, als ob sich spiegelte
Im Wunder ihres Scheins
Das nie so rein entsiegelte
Geheimnis höchsten Seins:

Die Welten, sie durchdringen sich,
Und seit dem ersten Werde
In Liebesdrang umschlingen sich
Der Himmel und die Erde;
Doch schöner nie entzündete
Sich dieser hohe Bund,
Als er sich mir verkündete
In deines Auges Grund!


III.
Ihr Kuß
Ach jene lieblich schwellende,
In minnigem Gekose,
Von Honig überquellende,
Purpur'ne Lippenrose,
Sie reißt mir den verlangenden
Sehnsuchtbethörten Sinn
In jauchzenden und bangenden
Entzückungstaumel hin.

Im Kuß, dem wonnesprühenden,
Lodern zwei Schwesterflammen
Vorm Liebeshauch, dem glühenden,
In einen Strom zusammen:
Den Brand, den hold verklärenden,
Preis' ich, der uns ergreift,
Der uns den Trank, den gärenden,
Olymp'scher Wonne reift.

Laßt alles Erdentrückende,
Und aller Wonne Gluten,
Und alles Herzentzückende
Hoch ineinander fluten:
Nicht stärker trifft's, nicht flammender
Des Herzens tiefsten Sitz,
Als solch' ein liebentflammender
Berührungs-Wonneblitz!

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 140-142)
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Spiel der Blicke

Ach, meine Blicke, trunk'ne Vögel, spreiten
Die Schwing' im weiten Saal nach ihr alleine:
Ihr Auge aber meidet stets das meine,
Und scheut sich, Stern in Stern den Blick zu leiten.

Wohl streift er mich in holder Näh' zu Zeiten,
Irrt spielend mir ums Haupt mit süßem Scheine,
Um, wenn ich ihn beglückt zu haschen meine,
Mit kühlem Stolze wieder abzugleiten.

Nur wenn der Schönen Kranz um sie verdichtet
Sich drängt, und mir verbirgt mein süßes Hoffen,
Dann aber nur so weit der Schwarm sich lichtet,

Daß just für einen Pfeil die Bahn wär' offen,
Seh' plötzlich ich von fern auf mich gerichtet
Ein spähend Feuerauge, süß betroffen!

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 133-134)
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Verständniss

Ach, Seufzer kann und Lieder
Die Liebe nur versteh'n!
Nun soll mein Lied mit Grüssen
Zu dir als Bote geh'n.

Ja, grüssen nur, nur grüssen,
Und nie dich wiederseh'n;
Nur Eines möcht' ich wissen,
Wirst du den Gruss versteh'n?

Du wirst ihn nicht verstehen,
Er wird wie Rauch verweh'n:
Ach, Seufzer kann und Lieder
Die Liebe nur versteh'n!

aus: Robert Hamerling
Ein Sangesgruss vom Strande der Adria
Verlag F. H. Schimpff Triest 1857 (S. 14)
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Morgenidylle

Am grauenden Morgen
Erhebt sich das Weibchen
Von der Seite des Trauten,
In weißen Leibchen,

Er scheint noch zu schlummern,
Doch er schlummert nicht mehr,
Er blinzelt verstohlen
So hinter ihr her.

Er schläft nicht, er lauert,
Wie das Röckchen sie bindet,
Dann zum Ofen kauert
Und Feuer zündet.

Die Haare fallen
Übers süße Gesicht
Und den Busen, den weißen
Ihr golden und dicht.

Mit verschlafenen Äuglein,
Noch traumestrunken,
Bläst sie in die Kohlen,
Da tanzen die Funken;

Es knistert die Scheiter,
Es singen die Flammen,
Wiegenlied-heimlich,
Wie Märchen der Ammen -

Sie singen und säuseln
Und kichern und sprühen,
Daß dem Weibchen im Widerschein
Die Wänglein erglühen.

Der Blinzelnde findet
Im knapperen Leibchen
Nun doppelt sie reizend
Und flüstert: Mein Täubchen!

Und lockt sie noch einmal
Zum Kusse zurück,
Und die singende Flamme
Beleuchtet sein Glück.

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 344-345)
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Ach wüsstest du

Ach wüsstest du, wie schön du bist,
Dann könnt'st du nicht so grausam sein;
Dann ahntest du, wie gross die Pein,
Wie gross nach dir mein Sehnen ist.

Dann hättest du mich längst geküsst
Aus Mitleid, soll's nicht Liebe sein.
Ach, ahntest du, wie gross die Pein,
Ach wüsstest du, wie schön du bist!

aus: Robert Hamerling
Ein Sangesgruss vom Strande der Adria
Verlag F. H. Schimpff Triest 1857 (S. 15)
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Arabella

Arabella, sag', schwarzlockiges Kind,
Da die Mägdlein doch küssen müssen,
Wen wirst denn du wohl im Leben zuerst
Nach deiner Mutter küssen?

Wem wirst du ihn geben, den ersten Kuß,
Du reizende Mädchenblüte,
Den reinen Kuß, der noch Liebe nicht ist,
Nur Ahnung und minnige Güte?

Wem wirst du ihn geben, den himmlischen Kuß,
Daß du nicht brauchst zu erröten?
Einem Engel vielleicht? Doch die küssen nicht,
Die lobsingen nur immer und flöten.

Wenn nun kein Engel heruntersteigt
Aus dem Kreise der himmlischen Lichter,
Um entgegenzunehmen den ersten Kuß -
Laß dir raten: gieb ihn dem Dichter!

Und wenn du selber ein Engel wärst,
Der zu irdischen Au'n sich gewendet,
So viel du hast, so viel du giebst,
Bei dem Dichter ist nichts verschwendet.

Beim Dichter wirfst du dich nicht weg,
Brauchst nichts zu bereu'n, noch zu büßen!
Und wenn du die Göttin Cypria wärst,
Ihn müßtest zuerst du begrüßen!

Kein anderer Mensch auf Erden verdient's;
Wart' nicht auf die Engel von oben:
Beim Dichter ist alles himmlische Glück
Am besten aufgehoben!

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
 Ausgewählt und herausgegeben
 von Dr. Michael Maria Rabenlechner
 Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
 Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
 und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
 (S. 336-337)
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Auf lichten Rosen gehst du hin!

Auf lichten Rosen gehst du hin,
Dir winkt der Myrthe Glanz:
Mir aber flicht sich Rosmarin
Und Lilie nur zum Kranz!

Doch, wandl' ich auch im Schmerzensjoch,
Und du auf Blumen weich,
Mein liebend Herz ist sel'ger doch,
Das deine nicht so reich:

Was könnte wert des deinen sein
Auf irdischem Gefild'?
Das meine hegt in gold'nem Schrein
Dein süßes Wunderbild!

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 211-212)
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Natalie

Da braust sie hin mit feurig stolzen Rossen,
Beschwingten Zugs, begafft von ihren Rittern,
Der Glieder Pracht umrauscht von seid'nen Flittern,
Auf üpp'ge Polster lässig hingegossen.

Was sind der spröden Schönen, glanzumflossen,
Die Huldigungen, die sie scheu umwittern?
Nicht mehr als Veilchen, die mit leisem Zittern
In ihrer Räder Spur am Wege sprossen.

Am nahgedrängten Schwarm gezierter Faunen
Verdrossen gleitet ab ihr Blick in Eile:
Die Glanzumstrahlte seufzt in trüben Launen.

O vielbeneidet Ziel der Liebespfeile,
Mein Los, umsonst dich sehnend anzustaunen,
Ist sel'ger doch als deine Langeweile!

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 198)
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Das Schöne

Der Schönheit Götterleib ist wie zerstücket,
Zerstreut die Blumen ihres Zauberkranzes,
Den noch kein sterblich Auge sah als Ganzes,
Der voll nur der Chariten Häupter schmücket!

Welk flattert morgen, was uns heut' entzücket,
Dahin im Wirbelwinde, flücht'gen Tanzes;
Heut strahlt ein Höchstes uns voll lichten Glanzes,
Und morgen war's ein Schein, der uns berücket.

Fortunens Kugel gleich, entrollt im raschen
Umschwung vor uns der gold'ne Schein des Schönen;
Wir folgen ihm und können ihn nicht haschen.

Und nur die Muse reicht geliebten Söhnen,
Die in kastal'schem Tau das Auge waschen,
Holdsel'gen Trost in Farben und in Tönen!

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 98)
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Wunder

Deute mir den süßen Zauber,
Der die Frauenlippe würzt:
Daß uns ihre Glutberührung
In ein Meer von Wonne stürzt?

Solchem Wunder nachzuspüren
Ist so fromm, als wie des Seins
Ew'gem Grunde nachzugrübeln:
Alle Wunder sind nur eins.

Heilig ist dies Weltenwunder,
Wo ihr's packt, an jedem Ort,
Und die großen Rätsel alle
Löst ein einzig Zauberwort.

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 295)
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Im Frühling

Die Blumen sind aufgegangen,
Krystallen glänzt der See:
Dies Blüh'n und Leuchten und Prangen
Thut meinem Herzen weh!

Ich wollte, Winter bliebe,
Und die Blumen wachten nicht auf,
Bis Glück mir blühet und Liebe
Zu wonnigem Lebenslauf!

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 186)
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Meeresliebe

Die Erde liegt in Träumen,
Das Meer doch ruhet nicht;
Die dunklen Wasser schäumen
Zum Strand im Mondeslicht.
Am Strand blüht ja die Rose,
Die schöne Sonnenbraut;
Ihr gilt der Flut Gekose,
Der Woge Seufzerlaut.

Die Woge seufzt: ich wollte,
Ich wär' ein Tropfen Tau,
In ihren Kelch ich rollte,
Glänzend und ätherblau.
Umsonst umspiel' ich düster
Ihr Purpurangesicht:
Mein sehnendes Geflüster
Versteht die Rose nicht!

Doch klagend lockt hernieder
Den Himmel meine Flut,
Durch die krystall'nen Glieder
Strömt golden mir die Glut:
Blüht unerreichbar ferne
Mir einer Rose Mund,
Des Himmels schönste Sterne,
Sie ruh'n in meinem Grund.

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 92-93)
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Im Spiegel

Die Liebesrede war gemach verklungen,
Wir ruhten Herz an Herz an trauter Stelle!
Und schweigend aus des Selbstvergessens Quelle
Trank ich, in Träume selig eingesungen!

Da fiel mein Blick, dem Wonnetraum entrungen,
Auf eines Spiegels blanke Silberwelle:
Und drin erblickt' ich in krystall'ner Helle
Mich selbst mit ihr, umschlingend und umschlungen!

An mich geschmiegt sah ich die Blütenflocken
Des Busens, sah der Augen lichte Sonnen,
Und niederwogend ihre schwarzen Locken.

So stand ich, ein Narziß, am Zauberbronnen
Der Schönheit und bestaunte, süß erschrocken,
Das sel'ge Wunder meiner Liebeswonnen!

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 203)
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An M. M.

Die nah' mir kamen, freundliche Gestalten,
Sie sind ein Stück von meines Herzens Leben:
Ob auch sie treulos ferne mir entschweben,
Ich weiß im Innern doch sie festzuhalten.

Ins Geisterreich, wo Haß und Tod nicht walten,
Weiß ich Erkor'ne traut emporzuheben,
Wo sie wie Genien mich hold umgeben,
Und mir, wie Götterbilder, nie veralten.

Wer so verwuchs mit meines Herzens Triebe,
Es bleibt mir stets das Bild von ihm ein reines,
Ob er auch feindlich ewig fern mir bliebe.

So bist du mir der teuren Bilder eines,
Ob zwischen uns auch stockt das Wort der Liebe,
Kein Blick mehr geht von deinem Aug' in meines.

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 275-276)
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Blumenlügen

Die Rose log
, die von der Brust
Du, Falsche, mir gereicht,
Die mir geblüht in Schmerz und Lust.
Von Liebesthränen feucht.

Die Lilje log, die mir geblüht
In deinem Angesicht;
Das Veilchen log, das mir geglüht
In deines Auges Licht.

Die Rose welkt nun gar geschwind,
Die Blätter sind zerstreut,
Und sie entführt ein rauher Wind,
Unwiederbringlich weit.

Zieh' hin, du rascher Windeshauch,
Brich rächend und zerstreu
Die Lilje und das Veilchen auch;
Die logen Liebestreu.

aus: Robert Hamerling
Ein Sangesgruss vom Strande der Adria
Verlag F. H. Schimpff Triest 1857 (S. 5-6)
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Kosmogonie

Die Wasser grauten, schrankenlos ergossen,
Kein Eiland noch in ihrem Schoße wiegend;
Da stieg der Gott des Lichts am Himmel siegend
Empor mit seinen gold'nen Flammenrossen.

Es sah die Flut den Himmel aufgeschlossen,
Sehnsucht-entbrannt in ihren Tiefen liegend:
Und sieh'! er senkte sich, zu ihr sich schmiegend,
Und seines Liebesegens Borne flossen.

Wohl riß er los sich aus dem Wonnebunde
Von ihr – doch sieh', in tausend Blütenländern
Entstieg der Liebe Frucht dem feuchten Grunde.

Und wie der Sterne Kuß auf Blumenrändern
Zur Perle wird, blüht jener sel'gen Stunde
Gedächtnis fort in holden Liebespfändern!

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 192-193)
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Rosenlied

Duft'ge Flamme, süße Rose,
Schöne Botin sel'ger Triebe,
Die so prangend aus dem Schoße
Neugebor'ner Erde steigt:
O wie spräche zarte Liebe,
Wenn sie sehnend mit Gekose
Nicht in deinen Purpur schriebe,
Was die Lippe scheu verschweigt!

Ach, wer sendet aus der Tiefe
Euch der Welt, ihr Liebesboten,
Gleich als ob er sehnend riefe,
Und ihr Ohr vernähm' es nicht?
Ja, als ew'ger Güte Zeichen,
Ew'ger Liebe duft'ge Briefe,
Tretet ihr aus dunklen Reichen
Jahr um Jahr ans gold'ne Licht!

Grüne Auen, grüne Auen,
Sie versteh'n die süßen Rosen,
Wachen auf aus Wintergrauen,
Wenn sie Rosenkunde trifft;
Nur dem Menschen unbegriffen
Steht, so weit die Himmel blauen
Und so weit die Wolken schiffen,
Jene süße Rosenschrift.

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 91)
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Um Mitternacht

Du liebes Kind, komm! lege das schöne Haupt
An meine Brust! Sieh', selber der Sterne Glanz
Erstarb, der Mond wich, Mitternacht zog
Zwischen der Welt nun und uns den Schleier!

Des Tages Last, Leid, quälende Sorge liegt
Nun hinter uns. Nein – ganz in den Schoß der Nacht
Versanken Raum, Zeit, Welt und Schicksal,
Rollten hinab in des Todes Abgrund!

O Liebste, sag' mir's, gab es denn eine Welt,
Ein leerer Traum war's! Ach, und nur wir allein
Wir leben, wir nur lebten, träumten,
Schufen im Traume die bunte Welt uns!

Wozu auch wär' sie? Ist doch ein liebend Paar
Schon ganz die Welt, löst ganz schon des höchsten Seins
Geheimnis. Wenn wir Herz an Herz ruh'n,
Ist er geschlossen, der Ring des Lebens!

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 151)
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Seliges Leid

Ein flüchtig Nah'n, ein eiliges Entschweben,
Ein kurzer Blick, dann langes Nichtbeachten;
Gesenkten Haupts ein träumerisches Trachten,
Dann wiederum ein stolzes Sicherheben;

Im Aug' ein zartes Glüh'n, ein holdes Beben,
Dann wieder trotzig blickendes Verachten;
Im Mund ein Lächeln, ein geheimes Schmachten,
Dann kalter Ernst und strenges Widerstreben;

So zeigt sich mir, so lohnet mich die Holde.
Ich aber lächle selig, still zufrieden,
Verlange kaum nach and'rem Minnesolde.

Hat auch mich Manche nicht so streng gemieden,
Mir aufgethan des Herzens Blütendolde,
So sel'ges Leid hat keine mir beschieden!

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 133)
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Dichterliebe

Ein Leib, den Dichterküsse segnen,
Blüht, wie erfrischt von Himmelstau:
Blick' in den Spiegel und betrachte
Dein lächelnd Bild, du süße Frau!

Meinst du, du wär'st so unverwelklich,
Wenn meine Glut dich nicht gefeit?
Verblühend, alternd, wär'st verfallen
Auch du dem schnöden Bann der Zeit!

Mit Küssen einen Zaubergürtel
Schlang ich um deine Reize sacht,
Der dich vom Scheitel bis zur Sohle
Unsterblich, unverwüstlich macht.

Geheime Kraft verleiht – o, glaub' es -
An einem Dichterherzen ruh'n:
Nicht altern wirst du, nicht verwelken,
So lang' du wirst geliebt wie nun.

Und stirbst du, wirst du nicht verwesen,
Wirst liegen frisch und hold im Schrein,
Umhaucht noch von den Glutaromen
Der Liebe wie von Spezerei'n.

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 376-377)
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Ihr Name

Ein Name tönt mir stets im Ohr,
Fanni, dein holder Name!
Ich hört' ihn oft, doch nie zuvor
Fühlt' ich, wie hold der Name!
Ihn flüsternd wird mein Herz nicht satt.
Sing' ihn dem Wald in Liedern;
Mir ist, als hört' ich Baum und Blatt
Und Bach und Fels erwiedern.

Ihr Andern sprecht das Wort so frei.
So kalt? mir macht es Beben;
Ich lass' es nur mit stiller Scheu
Von meinen Lippen schweben.
Mir ist, als ob dies Wort sofort
Verriethe meine Triebe;
Für mich liegt in dem Einen Wort
Ihr Reiz und meine Liebe.

aus: Robert Hamerling
Ein Sangesgruss vom Strande der Adria
Verlag F. H. Schimpff Triest 1857 (S. 4)
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Einsam

Einsam ist der Stern am Himmel,
Einsam zieht er durch die Weite:
Jeder freilich – will uns dünken -
Hat ein schimmerndes Geleite;
Aber die den Pfad zu teilen
Scheinen, traut gesellt zu wandern,
Sind sich fern viel tausend Meilen,
Einer ewig fern dem andern!

Einsam ist die Menschenseele:
Ob wir Herz an Herz auch drücken,
Klafft doch immer eine Tiefkluft,
Die wir niemals überbrücken:
Nichts kann ganz des andern werden,
Jedes folgt dem eig'nen Triebe,
Und ein Traumbild bleibt die Sehnsucht,
Und ein schöner Wahn die Liebe.

Ob die Blumen blüh'n in Haufen,
Ob die Wellen zieh'n in Scharen,
Kann ein Sein, gesellt dem andern,
Völlig je sich offenbaren?
Suchend sich mit Liebesaugen,
Bleibt sich's fremd im tiefsten Kerne,
Schwimmend durch das Meer des Lebens
Ewig nah und ewig ferne!

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 326)
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Einst träumt' ich in Waldgrün

Einst träumt' ich in Waldgrün, nun träum' ich am Meer:
Rauscht heran denn, ihr Wogen, mein Herz ist so schwer!
Ach das Sehnen der Waldnacht, ihr verschollenes Weh',
Es erwacht mir noch einmal an der flüsternden See.

Einst folgt' ich dem Bergstrom, nun wandr' ich am Strand:
Goldschimmer umlodert Meer, Himmel und Land;
Doch es spiegelt der Strahl sich, der im Westen versinkt,
In der Thräne der Wehmut, die im Auge mir blinkt.

Einst schmiegt' ich ins Moos mich, nun wiegt mich die Flut:
Doch nimmer im Herzen entschlummert die Glut:
Wie über dem Moose schwebt über dem Schaum
Verlockend des Glückes urewiger Traum.

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 242-243)
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Aus Arkadien

Er überraschte sie am Quell im Bad;
Gewandlos war vom Haupt sie zu den Füßen.
Zum Tod erschrak sie schier. Ihn faßte Mitleid
Und er bedeckte sie. Womit? – Mit Küssen.

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 328)
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Gewitter im Walde

Es braust der Forst, Gewitterwolken fliegen,
Der Bach durchtobt die Schlucht in Finsternissen,
Gestein und Trümmer stürzen hingerissen,
Und krachend sich die hohen Wipfel biegen.

Die Tiere tief sich in die Klüfte schmiegen:
Ein still Asyl muß nur der Wand'rer missen?
Doch – bei der Blitze Schein, dem ungewissen,
Seh' ich vor mir die sich're Grotte liegen.

Ich lag're hin im weichen Moose mich:
Da naht im Traum die Schönste mir der Schönen
Und neigt zu mir sanft mit Gekose sich.

Und während fernhin die Gewitter dröhnen,
Erschließt mein Herz wie eine Rose sich,
Und stillt den Sturm mit Lieb' und Liebestönen.

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 163-164)
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Letzter Reigen

Es braust der Tanz – die schönen Klänge locken -
Du mit den Augen voll des blauen Glanzes,
Mein Liebchen, folg' mir in den Strom des Tanzes
Zum letzten Mal – dann läuten Abschieds-Glocken!

Wir stürmen hin, doch weh! auf einmal stocken
Fühl' ich das Herz, mein Aug wird trüb – als Ganzes
Seh' ich nicht mehr die Blumen deines Kranzes -
Er flattert, Liebchen, welk dir um die Locken!

Ein Schwindel faßt mich – halt – die Klänge schweigen,
Der Tanz verrauscht, der jubelnd erst erscholl;
In müde Gruppen rasch zerfällt der Reigen.

Und nun – fahr' wohl, auf ewig fahre wohl!
Du, der ich wagte, einst ein Herz zu zeigen,
Fahr' wohl, du meine Blume, - fahre wohl!

aus: Sinnen und Minnen
Ein Liederbuch von Robert Hamerling
Prag 1859 (S. 168)
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Meine Lilie

Es flimmert der Kranz der Sterne,
Der Mond aus Wolken bricht,
Am Fensterlein dämmert ferne
Ihr Lilienangesicht.

Verglühet, ihr Sternenkränze,
Versinke, du Mondespracht!
Nur du meine Lilie, glänze,
Wenn sehnende Liebe wacht!

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 168)
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Nachtfeier

Ewighohes, Ewigschönes deckt Verkennung, deckt Vergessen,
Reine Himmelsglut umdüstert sich im Rauch und Qualm der Essen;
Kaum mehr ist von Menschenzungen ihres Preises Klang zu hören,
Nur des Lebens heil'ge Tiefe feiert sie mit Jubelchören.

Zwar im Lärm des Tags verklingen ew'ger Sphären hohe Lieder;
Aber wenn der Tag hinabrauscht in die Meerestiefe nieder,
Tritt hervor der Sternenreigen mit uranischem Gefunkel,
Und des Himmels reine Gluten streut er hin ins öde Dunkel.

Da erwacht ein glühend Leben in den Höhen, in den Tiefen,
Ringsum ist's als ob sich leise, holde Stimmen lockend riefen,
Einzustimmen, einzuklingen in der Sphären gold'ne Leier -
Und ein Hymnus rauscht nach oben – eine Weltenliebesfeier.

Überall auf Bergeskronen reine Flamme sich entzündet,
Die beseligt in des Äthers Glutenozeane mündet;
Aber auch die stille Blume tief am Quell im dunklen Thale,
Öffnet fromm und liebebebend ihren Schoß dem heil'gen Strahle.

Träumend hebt die Meeresflut ihr schaumgekröntes Haupt nach oben,
Sehnend lockt in ihre Tiefe sie des Himmels lichte Globen,
Lilien streut der Silberwolke mondgeküßtes Glanzgewimmel,
Und in ihrem Scheine lodert hoch der Tannenwald zum Himmel.

So besaitet reich und reicher sich der Sphären gold'ne Leier,
So nach oben rauscht der Hymnus, eine Weltenliebesfeier -
Huldigung der Himmelsflamme, die da glüht im Ewigschönen
Jauchzt empor in ungehörten, ungestörten Liebestönen.

Nur der Dichter wacht und lauschet süßentzückt dem sel'gen Chore,
Seinem Auge sich erschließen strahlend hohe Geisterthore,
Süß gewiegt von Harmonien, mischt er sich dem Jubelstrome,
Bis im Morgengrau'n die Feier still verrauscht am Ätherdome.

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 235-236)
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Liebes-Gespielen

Falter fliegt von Strauch zu Strauch:
Findet junge Rosen.
Nelke duftet Sehnsuchtshauch:
Weste mit ihr kosen.

Was sich liebt, es sucht sich heut,
Findet sich so gerne,
Nur allein, was dich erfreut,
Liebes Herz, ist ferne!

Sei's; wenn auch mir gar nichts blieb,
Will mit euch ich kosen,
Nehm' ich Theil an eurer Lieb',
Falter, Weste, Rosen!

aus: Sinnen und Minnen
Ein Liederbuch von Robert Hamerling
Prag 1859 (S. 30)
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Fern über dem See

Fern über dem See am Strande,
Dort steht das liebliche Kind.
Ach stösst kein Nachen vom Lande?
Hat keine Flügel der Wind?

Die Fluten stürmen und wogen,
Mein liebendes Herz noch mehr.
Was kommen sie flüsternd gezogen?
Was wallen sie hin und her?

War's nicht ein Seufzer der Süssen,
Was jetzt mein Ohr erlauscht?
Sind's Wellen, ist's trautes Grüssen,
Was leise herüberrauscht?

aus: Robert Hamerling
Ein Sangesgruss vom Strande der Adria
Verlag F. H. Schimpff Triest 1857 (S. 15)
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Frage nicht …

Frage nicht die Maid, ob sie dich liebe,
Wenn der Lenz mit Blüten euch umweht,
Und ein Aufruhr wonniger Gefühle
Durch den lebensfrohen Busen geht!

Es entschlüpft den lustgeschwellten Lippen
Allzu leicht ein liebewarmes Ja:
Flüchtig sieht den Wonnetraum sie schwinden,
Und sie weiß nicht mehr, wie ihr geschah.

Mit dem Lenz verrauscht vielleicht die Wärme,
Die der blütenschwang're West ihr lieh,
Und ihr Ja, es ist der Text, der kahle,
Einer süß verscholl'nen Melodie.

Frage sie, wenn kalt die Winde sausen,
Trüb' auf euch der Himmel schaut herab;
Frage sie auf blütenleerer Heide,
Frage sie an ihrer Mutter Grab;

Frage sie, wenn still in ihren Adern
Kreist das Blut, wenn ernst ihr Angesicht,
Frage sie, wenn ihre Sinne schweigen,
Und ihr Herz allein, das reine, spricht.

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 415)
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Lenzeszwang

Frühling ist – die Blumen und die Lieder,
Und die Liebe kehren neu zurück.
Folg' ich, ach, dem süßen Drange wieder?
Wär' nicht Ruhe mir ein schön'res Glück?

Ach! der Lenzlust und Lenzesplage
Bliebe jetzt das Herz auch lieber fern;
Bliebe wie durch all die Wintertage
Still und einsam auch im Lenze gern.

Aber fragt der Lenz, ob Rose blühen,
Oder Lerche wieder singen will?
Du, mein Herz, mußt liebend wieder glühen,
Folge nur dem süßen Drange still!

aus: Sinnen und Minnen
Ein Liederbuch von Robert Hamerling
Prag 1859 (S. 34)
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Geh' nicht von mir ...

Geh' nicht von mir, laß deine Hand in meiner -
Das Herz des Menschen ist ein seltsam Ding.
Wer weiß, ob man so leicht sich wiederfindet,
Sobald man einmal voneinander ging?
Geh' nicht von mir – am wenigsten im Grolle,
Von einer Wolke trüb' die Stirn umgraut:
Im Unmut just muß man beisamen bleiben,
Bis rein der Liebe Himmel wieder blaut.

Geh nicht von mir, laß deine Hand in meiner
Du weißt noch nicht, was es bedeutet: Scheiden,
Und wie daraus oft wird ein langes meiden,
Und was, sich meidend so, zwei Herzen leiden;
Und wie zwei Herzen, die sich brennend liebten,
Geschmiedet wie in einem Zauberring,
So fremd sich, ach, so fremd sich können werden,
Sobald man einmal voneinander ging.

Geh' nicht von mir, versuche nicht das Schicksal,
Das so zwei Herzen trennt, eh' man's gedacht,
Die wonneselig sich verknotet wähnten
Auf ewig durch der Liebe Wundermacht.
Geh' nicht von mir, laß deine Hand in meiner -
Unlösbar fest geschmiedet ist kein Ring.
Geh' nicht von mir, am wenigsten im Grolle -
Das Herz des Menschen ist ein seltsam Ding.

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 447-448)
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Besänftigung

Gold'ne Mondesstrahlen schmiegen
Sich wie Öl ins Meer, ins wilde,
Seine Fluten ruhn und wiegen
Leise sich im Wonnetraum.
Also schmiegt vor deinem Bilde,
Sternengleich emporgestiegen,
Ebbend sich in reiner Milde
Meiner Herzenswoge Schaum.

Ja es geht in wüsten Schäumen
Hoch mir oft des Herzens Welle,
Bis, gelockt von Götterträumen,
Fern zu dir mein Sehnen schifft:
Bis mein Auge, liebeshelle
Schweifend über weiten Räumen,
Endlich doch die traute Stelle
Seiner liebsten Ruhe trifft!

Lächelnd, mit dem Demantschilde
Deines Reizes, froh zu siegen,
Nahst du mir, den Busen milde
Zähmst du mir mit gold'nem Zaum:
Deines Auges Strahlen schmiegen
Sich wie Öl ins Herz, ins wilde;
Seine Fluten ruhn und wiegen
Leise sich im Wonnetraum!

aus: Sinnen und Minnen
Ein Liederbuch von Robert Hamerling
Prag 1859 (S. 80-81)
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Hebe mich auf weichen Schwingen

Hebe mich auf weichen Schwingen,
Hauch der Liebe, der so mild
Mit des Weihers Wellenringen
Küßt das gold'ne Lenzgefild;
Der den Schwan im Purpurkahne
Zum beblümten Strande führt,
Wo sein Lied der Tulipane
Zarte Blumenseele rührt.

Süße Sehnsucht, holdes Regen,
Leite mir den trüben Sinn
Immerdar auf Wolkenstegen
In die schöne Ferne hin;
Bis in Schönheit süß gebadet,
Und in Liebe rein gestimmt,
Sich das Herz im Lied entladet,
Das die Nacht allein vernimmt.

Daß zum Glücke nichts mir fehle,
Eins begehr' ich vom Geschick:
Einer stillbewegten Seele
Nie verzitternde Musik!
Laß in mir sie nie verklingen,
Stets aus klanglos dumpfer Ruh'
Hebe mich auf weichen Schwingen,
Wonnehauch der Liebe du!

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 95-96)
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Himmlischer und irdischer Reigen

Heut' greif' ich hinauf noch ins himmlische Haus,
Zutiefst in den Himmel hinein
Und hol' mir den schönsten der Sterne heraus,
Den Stern mit dem goldigsten Schein.

Stracks, während im himmlischen Reigen er tanzt,
Wegfang' ich das blaue Gestirn,
Und, bei Gott, an den Busen dann wird er gepflanzt
Als Geschmeide der lieblichsten Dirn'! -

Und er greift in die himmlische Herrlichkeit
Mit unendlichen Armen der Liebe
Und stiehlt einen Stern als Edelgeschmeid
Gleich einem nächtlichen Diebe.

Beim Tanz an den Busen dann wird er gepflanzt
Als Geschmeide der lieblichsten Dirn':
Und sie tanzen, es tanzet der Busen, es tanzt
Ihr am Busen das blaue Gestirn.

Heißa, wie er tanzt, der Stern, nach dem Klang
Der arkadischen Flöten und Geigen:
Er meinet noch immer bei Sphärengesang
Zu tanzen im himmlischen Reigen.

Doch als nun sich wendet des Morgens früh
Zum Abzug die himmlische Herde,
Sich flüchtend vorm Schnauben und Funkengesprüh
Des Hufschlags der flammenden Pferde:

Da folget der Stern an der Jungfrau Brust
Dem Schwung, der ihn knüpft an die Seinen.
"Heißa, hab' in eueren Reih'n ich getanzt,
So tanzet ihr jetzt in den meinen!"

Er schießt empor – und es fliegt empor
Die tanzende Maid mit dem Sterne:
Und mit ihr wirbelt der Tänzer im Chor
Hinauf in die funkelnde Ferne.

Heißa, da tanzen im seligen Drang
Sie verschlungen den himmlischen Reigen
Und sie meinen noch immer zu tanzen zum Klang
Der arkadischen Flöten und Geigen.

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 328-329)
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Liebesgruss

Ich bin dir ach so ferne,
Und möchte bei dir sein,
Und sagte dir so gerne
Ein Wörtchen ganz allein.

Es grüssen Rosen ferne
Mit Duft sich liebebang,
Mit gold'nem Strahl die Sterne
Und Herzen mit Gesang.

So wall', o Lied, als Bote
Zu ihrem Herzen hin,
Doch scheu vor ihrem Spotte,
Ertöne nicht zu kühn!

Nur schüchtern nah' dem Kreise,
Dem Himmel ihres Lichts:
Begrüsse nur sie leise,
Vom Herzen sage nichts!

aus: Robert Hamerling
Ein Sangesgruss vom Strande der Adria
Verlag F. H. Schimpff Triest 1857 (S. 14)
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Ich seh' dich heut zum ersten Mal

Ich seh' dich heut zum ersten Mal,
Da faßt mich's liebebang;
Du bist's, dich sucht' ich überall,
Wo säumtest du so lang?
Ich habe dich ja längst gekannt,
Erkennest denn du mich nicht?
Fühlst du, wie innig wir verwandt,
O du mein süßes Licht?

Was blickst du mich so fragend an,
So gänzlich fremd und kalt?
Hab' ich dir denn ein Leid gethan,
Holdsel'ge Frau'ngestalt?
O mach' mir nicht den Sinn so trüb'
Und nicht das Herz so schwer:
Nicht wahr, du bist mein süßes Lieb?
Was kränkst du mich so sehr?

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 160)
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Sehnsucht

Ich sehne mich nach gold'nen Glückes Zielen,
Nach süßem Munde, holderblühten Wangen;
Von weichen Armen wär' ich gern umfangen,
Und meine Lippen fänden gern Gespielen.

Ich möchte nicht umsonst mit Blicken zielen
Nach einem schönen Auge voll Verlangen:
An einem zarten Halse möcht' ich hangen,
Und fessellos in seidner Locke spielen!

Wohl reizt mein sehnend Auge manch' ein lichtes
Gebild, das tausend Reize hold beleben;
Doch ach, kein süßes Wort der Liebe spricht es.

Es hält nicht Stand dem glüh'nden Liebestreben;
Der Zauber eines holden Angesichtes
Berührt mich stets nur im Vorüberschweben!

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 117)
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Trost

Ich will mit Liedestönen
Mein sehnend Herz erheitern,
Ich will im ewig Schönen
Mein enges Sein erweitern.

Zum Trotz den Todesgluten
Der Liebe will ich leben,
Will auf des Lebens Fluten
Wie Schwäne selig schweben.

Kann ich auch nie vergessen
Die süßen Sternenaugen,
Was sollen mir Cypressen
Statt Ros' und Lorbeer taugen?

Ich will im ewig Schönen
Mein enges Sein erweitern,
Ich will mit Liedestönen
Mein sehnend Herz erheitern.

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 88)
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Erinnerung

Ihr kurzen, flüchtigen Minuten,
Wo heiter mir die Sonne schien,
Schnell zogt ihr hin wie Stromesfluten,
Doch spurlos zogt ihr nicht dahin:
Noch denk' ich jedes flücht'gen Glückes,
Das dieses glüh'nde Herz gewann,
Und jedes sel'gen Augenblickes,
Den golden mir die Parze spann!

Dankbar gedenk' ich jeder Stelle,
Wo ich gehalten süße Rast,
Und jeder leisen Murmelquelle,
Daran ich trank als müder Gast,
Und jeder Blume, draus in Düften
Ein Gruß mir in die Seele drang,
Und jedes Vögleins, das in Lüften
Mir Trost und Lenzesfreude sang.

Dankbar gedenk' ich jedes Mundes,
Der traut und milde zu mir sprach,
Und jedes lichten Augengrundes,
Draus mir ein Strahl der Liebe brach;
So laß ich ewig in mir leben,
Was mich mit holdem Reiz gegrüßt,
Und still mich im Vorüberschweben
Mit flücht'gem Liebeshauch geküßt.

Von allem Sehnen, allem Lieben,
Blieb meiner Brust ein teurer Hort,
Gleichwie ins tiefste Herz geschrieben
Mit Flammenschrift ein Liebeswort.
Und keine Zunge kann sie schildern,
Die Wunderwelt, die mich umschwebt,
Wenn von den tausend süßen Bildern
Die stille Nacht den Schleier hebt.

Da zieh'n sie lockend mir vorüber,
Berühren mich so mild und weich,
Und meine Seele schwebt hinüber
In der Erinn'rung Himmelreich:
Da freu' ich still mich jedes Glückes,
Das einst mein glühend' Herz gewann,
Und jedes sel'gen Augenblickes,
Den golden mir die Parze spann!

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 148-149)
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Lebenswonne

Im grünen Wald erklingen liebe Töne,
Lustschaudernd kommt der klare Bach geronnen;
In gold'nem Glanze blühen, zart gesponnen,
Die Farben auf, des Lichtes bunte Söhne!

Es jauchzt mein Herz, berauscht von ew'ger Schöne,
Und taucht sich jubelnd in der Liebe Bronnen:
Ström' über, Lippe, von des Herzens Wonnen,
Und lächelnd neige dich zu mir, Kamöne!

Wie sollten wir des Herzens Flut bezwingen,
Wär's nicht vergönnt, im Hauche des Gesanges
Der Freude Wunder selig auszuklingen?

Und ach, die kurze Glut des Wonnedranges,
Was wär' sie, mischte nicht auf Liebesschwingen
Sie sich dem Chor des Sphärenjubelklanges?

aus: Sinnen und Minnen
Ein Liederbuch von Robert Hamerling
Prag 1859 (S. 164)
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Meine Braut

I.
Im Wald, am Strom, auf gold'nen Au'n,
In Träumen, süß und traut,
Ward Kunde mir im Wonnegrau'n
Von einer holden Braut.
Es bringen Grüße mir von ihr
Die Rosen und die Sterne,
Ihr süßes Bild es folget mir
In alle Näh' und Ferne.

Wo blüht ihr süßes Angesicht,
Ihr Wangenrosenpaar?
Wo schimmert ihrer Augen Licht?
Wo weht ihr gold'nes Haar?
Ich suche sehnsuchtsvoll nach ihr,
Mit nimmermüdem Streben,
Doch ach, es konnte Keiner mir
Noch Kunde von ihr geben!


II.
Die fern mir winkt aus Sternenglut,
Aus Rosen hold mich grüßt,
Mir flüstert aus des Stromes Flut,
Und mich in Träumen küßt,
Wann ist sie endlich, endlich da?
Ans Herz drückt' ich sie gern!
Oft scheint sie mir so nah, so nah,
Bald wieder, ach, so fern!

In Wüsten hallt mein Ruf zurück
Vom Fels in Sehnsuchtsweh:
Gieb, weite Erde, mir mein Glück,
Gebier' sie, tiefe See!
Sie suchend irrt' ich hin und her
Bis an des Meeres Saum;
Umsonst! die Welt ist öd' und leer -
Es war ein schöner Traum!

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 87-88)
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Aspasia

In deiner Formen Wundern les' ich gerne,
Im Lippenpurpur, schwarzen Glanz der Haare:
Das sind zu griech'schen Skolien Kommentare,
Daraus ich schönes, sel'ges Leben lerne!

Verbleichen müssen Rosen, Perlen, Sterne,
Der Tropenschatz der Dichtung langer Jahre;
Weil gänzlich neu dein Reiz, der wunderbare,
Ist eine neue Poesie nicht ferne!

Wetteifernd sich entgegen stand in Spaltung
Natur und Kunst. Nun siegt Natur. Gespendet
Hat sie in dir das Höchste der Gestaltung.

Wie käme, solcher Schöne zugewendet,
Nicht jedes Sein zu wonniger Entfaltung?
Wohl ihm, der sich an deiner Brust vollendet!

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 202)
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In deiner Liebe Zauberbann

In deiner Liebe Zauberbann
Behagt mir's allzuwohl,
Ich denke nicht von fern daran,
Daß ich ihn lassen soll:
Es hält sein Glück der Weise fest,
Und bettet d'rin sich weich,
Und läßt der Liebe wonnig Nest
Nicht um ein Königreich.

Ist nicht dein Auge süß und klar,
Die Wange weich und rund?
Ist glänzend nicht dein gold'nes Haar
Und honigsüß dein Mund?
Ist nicht erquickend und gelind
An deiner Brust die Ruh'?
Bist du nicht ganz ein Götterkind,
Du holde Kleine du?

Da draußen wogt die wilde See,
Da weh'n die Winde kühl;
Du bettest mich, o milde Fee,
In blumiges Gewühl!
Da draußen ist das Leben hohl
Und leer und blütenarm,
Bei dir so traulich freudevoll,
So reich und liebewarm!

D'rum denk' ich nicht von fern daran,
Daß ich dich lassen soll;
In deiner Liebe Zauberbann
Behagt mir's allzuwohl.
Es hält sein Glück der Weise fest,
Und bettet d'rin sich weich,
Und läßt der Liebe wonnig Nest
Nicht um ein Königreich!

aus: Sinnen und Minnen
Ein Liederbuch von Robert Hamerling
Prag 1859 (S. 84-85)
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Verlorne Liebe

In meinem Herzen wogt und klingt die Liebe,
Der Strom der Sehnsucht, heiß und allumfangend;
Nach außen strebt er stürmisch, glutverlangend -
Was wäre Sehnsucht, die verhohlen bliebe?

Doch es umkränzt den Quell so glüh'nder Triebe
Kein Blütenufer, glatt und weich und prangend;
Ihm blaut kein Meeresschoß, drin lust-erbangend
Und todesfroh sein sel'ger Strom zerstiebe.

Wie hoch vom Felsenrand, dem scharfgezackten,
In Waldesdunkel, fern dem Glanz der Sonnen,
Der Bergstrom stürzt in düstern Katarakten:

So stürzt, aus himmelnahem Quell geronnen,
Vertosend einsam in des Liedes Takten,
In öde Nacht sich meiner Liebe Bronnen!

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 117)
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Der Garten des Herzens

Jüngst sass sie im Grase mit fröhlichem Sinn,
Ich setzte zur Seite der Süssen mich hin.
Es standen rings um uns viel Blumen im Thal,
Ich streut' in den Schooss ihr die duftigsten all.

Auch blühten im Herzen viel Blumen mir auf,
Der Thau meiner Thränen stand flimmernd darauf:
Die Rosen der Liebe, der Hoffnung Agley,
Vergissmeinnichtlieder und Veilchen der Treu.

Den Garten des Herzens, ich plündert' auch ihn,
Und streut' in den Schooss seine Blumen ihr hin.
Doch sie, sie erhob sich – kalt riss sie sich los,
Dass alle die Blumen entfielen dem Schooss.

Nun drück' ich die Hand wohl an's klopfende Herz,
Und seh auf die Blumen mit trostlosem Schmerz:
Mein Herz, o mein Herze – dein Liebstes ist weit -
Und dein Garten verödet – und die Blumen zerstreut.

aus: Robert Hamerling
Ein Sangesgruss vom Strande der Adria
Verlag F. H. Schimpff Triest 1857 (S. 6)
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Herzlose Schönheit

Kalt und herzlos lächelst du, stolze Schöne!
Unfruchtbar ist Liebe zu dir, wie Sehnsucht,
Heiß entbrannt für göttlichen Formenreiz in
Farben und Marmor!

Flechte nie die Rose sich dir zum Brautkranz!
Ruh' am Busen nimmer ein teures Haupt dir!
Und erwählt ein Herz dich, so sei's ein leeres
Herz, wie das deine!

Nur mein Lied verkünde der fernen Nachwelt
Deinen Reiz und deiner Gefühle Kaltsinn!
Statt der Myrten blühe wie mir, so dir auch
Bitterer Lorbeer!

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 195)
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Komm, Liebe, du heilige

Komm, Liebe, du heil'ge, du himmlische Flamme,
Schwing' himmelab dich vom göttlichen Sitz!
Sei mir, was die Glut ist dem modernen Stamme,
Berühre das Herz mir mit zündendem Blitz!

Vernichte die schnöden, die kleinlichen Qualen,
Unsel'ger Gefühle sich drängenden Schwarm!
Verzehre den seelenvergiftenden, schalen,
Am Herzen mir ruhelos nagenden Harm!

Für Schönes und Großes zu sterben in Ehren,
Es wäre der schönste, der letzte Triumph,
Statt sich in unwürdiger Pein zu verzehren
Für Kleines, Gemeines, verdrossen und dumpf -

Komm, Liebe, du heil'ge, du echte, du hohe,
Wirf himmlische Flammen ins irdische Blut:
Wie Herakles schmacht' ich nach sühnender Lohe,
Wie der Phönix dürst' ich nach läuternder Glut!

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 369-370)
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Küsse

Leidenschaftlich, feurig, glühend,
Ist der Kuß der schönen Frau;
Doch von Lippen, magdlich blühend,
Labt er mild wie Himmelstau.

Zu umspannen, zu umarmen,
Locken Reize, voll und rund;
Doch im Kusse zu erwarmen,
Dient zumeist ein zarter Mund.

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 296)
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Die Rose am Meer

Lieblich blühst du, süße Rose,
An des Meeres ödem Strand,
Einsam in des Sturms Getose,
Auf besonnter Felsenwand;
Kein beschwingter Falter schaukelt
Sich auf deiner Krone Saum,
Nur verloren um dich gaukelt
Meiner Seele stillster Traum.

Pflückend rett' ich, Reizgeschmückte,
Dich, und deine Purpurglut,
Die so wonnig mich entzückte,
Send' ich nieder in die Flut:
Führe schmeichelnd mit Gekose
Dich ein Zephyr, lind und weich,
Unverletzt, o süße Rose,
Durch der Woge grünes Reich!

Nach der sel'gen gold'nen Küste,
Die mein ahnungsvoller Sinn
Sehnend oft in Träumen grüßte,
Süße Rose, strebe hin!

Weiten Meeres Wogen dringen
Ja an jeden fernsten Strand,
Und so werden sie dich bringen
Auch in jenes Wunderland!

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 226)
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Von wannen?

Meerüber strebt das Vöglein und berühret
Die Woge nicht mit seinen müden Schwingen:
Zum ersten Mal meerüber strebt's zu dringen,
Von unbewußtem Herzensdrang geführet.

Da weht von Küsten, die der Lenz erküret,
Ein Duft herüber und ein lockend Klingen;
Das Vöglein staunt und jauchzt: woher entspringen
Die Wonnen, die mein Herz so lieblich spüret? -

So liegt, ein Abgrund, unter uns das Leben,
Ein trübes Schicksal, das die Parzen spannen,
Und drüber hin geht unser sehnend Streben:

Oft aber rauscht der trübe Sturm von dannen,
Und neuer Welten Wunder uns umschweben
Im Dämmerschein – wir wissen nicht von wannen?

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 127)
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Mein gold'nes Glück

Mein gold'nes Glück, ich säh' dich gerne noch
Vor meinem Tod, doch du bist ferne noch!
Die schönste Blume, Liebe, die mein Herz
Ersehnt – sie liegt im Samenkerne noch.
Das ist's, was ich gelernt und lerne noch.
O wird sie mir daraus, die Blume, blüh'n?
Wird sie mir blüh'n auf diesem Sterne noch?

aus: Sinnen und Minnen
Ein Liederbuch von Robert Hamerling
Prag 1859 (S. 182)
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Mein Herz ist in der Ferne

Mein Herz ist in der Ferne
Es flog als Vöglein aus,
Nach einem schönen Sterne,
Weit in die Welt hinaus.

Nun sinkt sein müd' Gefieder,
Es läßt die luft'ge Höh'
Und fliegt zur Eb'ne nieder,
Zur Rast am blauen See.

Die Lust ist ihm vergangen,
Zu zieh'n von Land zu Land;
Es ließe gern sich fangen
Von einer weißen Hand.

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 294)
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Ermüde nicht!

Mein sehnend Herz, ermüde nicht zu lieben,
Ermüde nicht zu klagen und zu dichten,
Ermüde nicht, im Liede zu berichten,
Durch wen du leidest, und in welchen Trieben!

Oft rührt die Mädchenherzen zart geschrieben,
Die Klage, die gesprochen rührt mit nichten,
Und mußt auf Myrth' und Rose du verzichten,
Getrost, dir ist der Lorbeer doch geblieben!

Sehnsucht ist Weihe für den Dichterorden:
Sie hat die gold'ne Lyra den Poeten
Gestimmt, so viel geblüht in Süd' und Norden;

Die seufzten all' in solcher Triebe Ketten,
Und wären sie der Liebe froh geworden,
Nie hätten sie des Ruhmes Höh'n betreten!

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 243)
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Mit den Sternen

Mit den Sternen kehrt die Liebe,
Kehrt die Sehnsucht neu zurück:
Walte denn mit sel'gem Triebe,
Hohen Dranges Geisterglück!

Mir im Herzen selig walte,
Zauberbann der dunklen Nacht,
Und geheimnisvoll entfalte
Deines Zwanges holde Macht!

Bringst du, Nacht, dem Himmel Sterne,
Perlentau der Rose jung,
Giebst du Schwingen in die Ferne
Mir zu hoher Liebe Schwung.

Schwand auch in des Tags Getriebe
Mir der Seele schmerzlich Glück,
Mit den Sternen kehrt die Liebe
Kehrt die Sehnsucht neu zurück.

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 185-186)
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Lenzesgabe

Mit seinem Füllhorn kam der Lenz gezogen,
Und Lieblichstes ward links und rechts entsendet:
Glanz ward dem See, dem Strome zugewendet,
Und Klang den Vöglein, die da lustig flogen.

Duft ward den Blumen, dran die Bienen sogen,
Azur dem Himmel, Grün dem Hain gespendet:
Und alsbald war die Fülle ganz verschwendet
An Vögel, Bäume, Blumen, Lüfte, Wogen.

Doch als der Lenz mich sah mit bleichen Wangen,
Da sprach er, gleich, als ob es ihn gereuet,
Daß leer allein der Dichter ausgegangen:

"Hingab ich, was die einzelnen erfreuet,
Doch dir nur schenk' ich dies gesamte Prangen,
Dein Herz versammle, was ich rings zerstreuet!"
 

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 150)
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Die schönsten Reime

Noch in keinem Liede fand ich
Reime je so wunderbar
Und so rein, wie deine Wänglein,
Deines Busens Lilienpaar.

Schöngepaart die Lippen lächeln;
Aus zwei Augen, glanzerhellt,
Blickst du; Händchen sind und Füßchen
Schön gereimt und schön gesellt.

Ungereimt, Kind, sollte bleiben
Grade nur das Herz allein?
Ach, der beste Reim auf deines -
Sollt' es nicht das meine sein?

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 396)
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Du

Noch zarter, als die ich dir sang, die Lieder,
Noch süßer als ein Kuß, von dir gegeben,
Ist jenes holde Du, mein süßes Leben!
Das traulich zwischen uns geht hin und wieder.

Ein Vöglein scheint es mir im Glanzgefieder,
Dess' gold'ne Schwingen leise zu mir streben;
Mein Ohr berührt's in wunderholdem Schweben,
Und läßt zuletzt sich mir im Herzen nieder.

Zu künden das Geheimnis ganz, das süße,
Versuchten wir mit Worten leeren Schalles:
Nun fanden wir den sprechendsten der Grüße.

Was braucht es noch des Reims und Silbenfalles?
Was selbst der Liebesblicke, Thränen, Küsse?
Mit einem Wörtchen sagen wir uns Alles.

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 249-250)
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Nur Eins

Nur Eins noch lernt' ich nicht im langen Leben:
Dankbar zu sein auch für erlosch'ne Liebe.
Hat sie nicht schwindelnd mir im Weltgetriebe
Weit mehr geraubt, als sie mir je gegeben?

Nein! besser, ungehört in eitlen Gluten
Verschmachten und vergeh'n in durst'gem Triebe,
Als glückbethört zu schöpfen aus dem Siebe
Den Trank, o Minne, deiner Nektarfluten!

Und doch – bedenk' ich, daß, was wir gewinnen,
Ein Schatten meist, ein Hauch, wonach wir trachten,
Daß nur ein Traum, was wir als Höchstes achten,
Und Spinnweb alles, was die Parzen spinnen -:

Da mach' ich's oft, so manchem Schicksalshiebe
Zum Trotz, wenn alte Bilder mich umschweben,
Zum Vorwurf mir, daß ich nicht lernt' im Leben
Dankbar zu sein auch für erlosch'ne Liebe.

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 496-497)
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O gieb die Seele mir zurück!

"O gieb die Seele mir zurück,"
Klagt ich, "die du geraubt!"
Da neigte sie, o Wonneglück,
Zu mir ihr lockig Haupt.
Sie lächelte: "Doch sage mir,
Wo nimmt sie wohl den Weg?"
"O komm," sprach ich, "ich zeige dir
Der Seelen Purpursteg!

Berühre mit der Lippe leis'
Und linde meinen Mund!"
Sie that's, - da flammte glühend heiß,
Ein Kuß aus Herzensgrund:
Und eine Seele zog berauscht
Ins Herz im Kusse mir -
Doch war's die ihre, holdvertauscht,
Die meine blieb bei ihr!

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 157)
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Flatternde Locken

O knüpfe los die langen, gold'nen Flechten,
Und laß sie lieblich flatternd niederhangen!
Viel süßer ist's mit wildumlockten Wangen
Der Küsse holden Wettkampf auszufechten!

Du zürnst? Wie magst du mit dem Freunde rechten
Um eine Schleife, weichend aufgegangen!
Des Haares Schleifen sind nicht Gürtelspangen;
Und läßt die Locke nicht sich wieder flechten?

O sieh', wie schön du bist – wie reizend fliegen
Die Locken jetzt um deine Lilienglieder,
Um sich zuletzt in deinen Schoß zu schmiegen!

Die Liebesgötter nah'n im Glanzgefieder,
Auf diesen gold'nen Seilen sich zu wiegen
Und klettern lustig spielend auf und nieder!

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 203-204)
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Ich will ja nichts!

O laß an deiner Seite mich, im Kreise deines Lichts!
Ich will ja fromm und ruhig sein – laß mich, ich will ja nichts!
An süß Gekose denk' ich nicht, an Druck der Hände nicht;
An einen Kuß – o nicht von fern! Laß mich, ich will ja nichts!
Laß ruh'n mein Haupt an deiner Brust; will ruh'n so zart, so rein,
Wie Schwanenfittig auf dem See – laß mich, ich will ja nichts!
Ich ford're ja nicht Liebe, nein! was drückst du mir so streng
Des Haßes Pfeil in's tiefste Herz? Laß mich, ich will ja nichts!

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 259)
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O trockne diese Thräne nicht

O trockne diese Thräne nicht,
Die dir im Auge schimmert,
Der Perle gleich, die rein und licht
Im Kelch der Rose flimmert!
Die Liebe war's, die sie gebar,
Der sel'ge Schmerz der Liebe;
D'rum schimmert sie so wunderbar -
Ach, daß sie ewig bliebe!

Sie glänzt so rein, sie glänzt so hell,
Mich rührt ihr flüchtig Leben;
Ach, daß, was aus so heil'gem Quell
Geflossen, muß verschweben,
Daß, was der reinsten Seele Schacht
Entblühte, schmerzumwittert,
Mit seines Glanzes Wunderpracht
Verschwindet und verzittert!

Sie glänzt so rein, sie glänzt so klar,
In deinem Aug', dem blauen,
Und immer lockt mich's wunderbar,
In ihren Glanz zu schauen!
Du schonst der Perle sonst, die licht
Im Kelch der Rose flimmert -
O trockne diese Thräne nicht,
Die dir im Auge schimmert!

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 128-129)
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An Miranda

O Weib, ich vergebe dir alles!
Trägst du doch das Götterlieblingssiegel
Der Schönheit auf der Stirne!

Denn die Erkorenen,
Welchen auf die Stirne gedrückt ist
Das Götterlieblingssiegel der Schönheit,
Sie haben das Recht, zu entzücken die Augen
Und tödlich zu quälen die Herzen
Immerdar.

Warum, o Mutter Natur,
Giebst du dem Schönen immer so scharfen Stachel?
Woher in aller Welt kommt ärgeres Leid,
Als von schönen Augen und goldenen Locken,
Von Rosenlippen und Perlenzähnen,
Von Lilienhüften und Schwanenbusen,
Von Wangengrübchen und lieblich gerundeter
Fülle des Kinns,
Von weichen, weißen Händchen
Und von vollen runden Armen und zierlichen Füßchen?
Hyänen sind grausam und Kröten häßlich;
Aber der Schrecken schrecklichster
In dieser Welt -
Ist's nicht die Schönheit?

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 321-322)
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Die Braut

I.
Schön Liebchen, komm hernieder,
Die Nacht ist lieblich und hell;
Es rufen dich sehnende Lieder -
Die Stunden jagen schnell!

Die schwarze Burg umbranden
Die Wellen im Mondenschein;
Es ruht der Kahn am Strande,
Steig', süßes Liebchen, ein!

Mein Lieb, was senkst du das Köpfchen,
Was blickst du so trüb und bleich?
Was schleichen sich Perlentröpfchen
Aus den Äuglein schmerzenreich?

Sind lieblich nicht die Fluten?
Nicht friedlich die dunkle See?
Nicht zart meine Liebesgluten?
Nicht freundlich die Sterne der Höh'?

"Wohl lieblich sind die Fluten
Und freundlich die Sterne der Höh',
Und zart deine Liebesgluten,
Und friedlich die dunkle See:

Doch morgen ist meine Hochzeit -
Ein Bräutigam ist bereit,
Und Hochzeitkränze den Gästen,
Und mir ein weißes Kleid."


II.
"Es leuchtet der Hochzeitmorgen,
Der Bräutigam ist bereit.
Auf, zieret die Braut mit Perlen,
Umschlingt mit Rosen ihr Kleid!
Behängt mit Kränzen die Halle,
Und führt die Liebliche her!
Vom Schlosse Musik erschalle
Hin über das blaue Meer!"

Wohl schlug der Trauung Stunde -
Zur Hochzeit fehlte die Braut;
Die ruhet im Meeresgrunde,
Da ward sie festlich getraut.
Meerfeien haben ihr Perlen
Ins goldene Haar gedrückt,
Und bräutlich mit Korallen
Die bleiche Stirne geschmückt.

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 166-168)
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Asyl

Schlafbefangen ruh'n wir schnöde:
Goldgier ist der Zeiten Amme,
Säugt uns dumpf und säugt uns blöde
Helden, Weise säugt sie nicht.
Und des Ideales Flamme
Flackert einsam in der Öde,
Glüht im Moder, glüht im Schlamme
Mit erstorb'nem Dämmerlicht.

Aus der Welt versumpfter Welle
Flüchtet' ich, von öden Klippen
Her an diese traute Stelle,
An der Liebe holden Strand.
Reich mir, süßes Kind, die Lippen,
Glühend mir entgegenschwelle
Deine Schwanenbrust, und nippen
Laß mich deiner Küße Brand!

Schwand die Zeit der Heldensöhne,
Wo aus männlich hohem Triebe
Idealer Himmelstöne
Reingestimmter Klang gedieh' -
Schwinde nur im Weltgetriebe
Du uns nicht, o Frauenschöne!
Lebt die Schönheit – lebt die Liebe,
Lebt in ihr die Poesie!

aus: Sinnen und Minnen
Ein Liederbuch von Robert Hamerling
Prag 1859 (S. 78-79)
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Gemma

I.
Schlanke Lilje, schlanke Lilje,
Schöne Tochter der Lagunen,
Hast du dir noch nicht gedeutet
Meines Blickes glüh'nde Runen?

Ach, wann stillst du diese Sehnsucht,
Die so rein in dir entzückt ist,
Stets dich sucht und nie dich findet,
Und auch suchend schon beglückt ist;

Die mich Tag für Tag des Abends
Unter strahlenden Arkaden
Fernher lockt auf deine Spuren,
Süß umrauscht von Serenaden?

Schmerzlich freu' ich mich der Sehnsucht,
Stets erneuerten Genusses,
Eh' ich sterbe, schönste Donna,
In der Wonne deines Kußes!
 

II.
Laß mir diese schöne Sehnsucht,
Dieses Leid um deinetwillen;
Oder willst du, schönste Donna,
Willst du sie, die glüh'nde, stillen,

Still' sie nicht mit lauem Grusse,
Nicht in flüchtiger Erwarmung;
Stille sie mit heißem Kuße,
Fesselloser Glutumarmung!

Birg auf ewig mir des Auges
Glückverheißende Verklärung,
Deines Dichters Herz verwirre
Nie ein Wink der Huldgewährung,

Oder reich' in vollem Becher
Wie mein dürstend Herz ihn fodert,
Deiner Liebe gold'ne Flut mir
Heiß, wie sie mich selbst durchlodert!
 

III.
Sind sie's wirklich denn, die Sterne
Deiner Augen, schönste Fraue,
Die mir sonst gestrahlt von ferne,
Drein ich nun so selig schaue?

Sind sie's wirklich, deine prächtig
Schwarzen Locken, seidne Pfühle
Deines Hauptes, drin mitternächtig
Ich die heißen Wangen kühle?

Ist sie's wirklich denn, die Welle
Deines Busens, langersehnet,
Meines Glückes Liljenschwelle,
Dran mein selig Haupt sich lehnet?

Bist du's wirklich, schönste Donna,
Die mit liebendem Erbarmen
Süß berauscht und süß berauschend
Endlich ruht in meinen Armen?
 

IV.
Weiche, sel'ge Schwüle wittert
Wonnehauchend durchs Gemach hin,
Und von Herz zu Herzen zittert
Sehnsuchtsvoll ein glühn'des Ach hin!

Und ich kühle meine schwüle
Stirn an deinem duft'gen Locken,
Deines Busens weichem Pfühle,
Deiner Wange Blütenflocken;

Kühle sie – ob auch zusammen
Flamme hier und Flamme fluten:
Liebe kühlt sich ja in Flammen,
Stirbt beseligt nur in Gluten!

Und ein Phönix ist die Liebe:
Wie er stirbt und lebt Äonen,
Sterben und ersteh'n die Triebe
In der Wonne Glutenzonen!
 

V.
Goldner Schönheit flücht'ge Spuren
Lockten mich im Erdenthale:
Herrlicher auf Himmelsfluren
Lockten mich die Ideale.

Und so schwebt' ich sehnend oben
In den idealen Höhen,
Drüber sich die Sternengloben
Rein, doch hoch und frostig drehen.

Ahnt' ich daß mir noch zu schauen
Schön'res vorbehalten bliebe,
Als mir zeigten Erd' und Himmel? -
Aber sieh, da kam die Liebe!

Und – ich muß die Stunde segnen, -
Erd' und Himmel mir zerstiebten,
Um sich schöner zu begegnen
In dem Reize der Geliebten!
 

VI.
Lang genug im Meer des Lebens
Kämpft' ich, in versumpften Tiefen,
Deren Perlengrund vergebens
Meiner Sehnsucht Stimme riefen.

Auf der Liebe heil'gen Pfühlen
Träumend auszuruhn begehr' ich,
In unendlichen Gefühlen
Gern mein Endliches verzehr' ich.

Seit mir aus dem Zeitenstrome
Dämmerte der Liebe Nacht auf,
Reizlos geht am Himmelsdome
Mir des Tages gold'ne Pracht auf:

Komm, o Nacht! Verglühte Sonnen,
Taucht in Meerestiefen nieder!
Nächtlich find' ich euch im Bronnen
Ihres schönes Auges wieder!
 

VII.
Selig, wie der See, der helle,
Wiegt den Schwan auf Silberfluten,
Trägt mein Herz die Flammenwelle
Weicher, süßer Liebesgluten.

Holde Flut, zu welchem Strande
Trägst du wohl mein Herz, mein wundes?
Ewig nur zum Blumenrande
Ihres honigsüßen Mundes.

Nicht Philister noch Zelote
Schelte diese Liebesflamme:
Wißt, ich bad' im Morgenrothe;
Während ihr mich sucht im Schlamme!

Liebe hat mein Haupt umschlungen
Wie mit einem Heil'genscheine:
Mir zu Füßen wälzt bezwungen
Sich der Drache – das Gemeine.
 

VIII.
Heiliger Hafis, beschreien
Mag der Schwarm dich der Philister,
Ich doch will wie du mich weihen
Zu der Liebe hohem Priester!

Mir auch allzustraff gespannt schien
Deines kühnen Sanges Bogen,
Aber seit ich selbst entbrannt bin,
Schwimmend in der Liebe Wogen,

Fühl' ich, daß des Occidentes
Frost in mir nun aufgethaut ist,
Daß auch mir des Orientes
Liebesrose Herzensbraut ist!

Weih' ich mich dem Dienst der Rose,
Wird mein Sein erblüh'n zum Allsein,
Und mein Herz in ihrem Schoße
Eine süße Nachtigall sein!

aus: Sinnen und Minnen
Ein Liederbuch von Robert Hamerling
Prag 1859 (S. 70-77)
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Einer Tänzerin

Schmähung zollt statt Preises der Unverstand dir!
Wär' die Schönheit Sünde, der Formen Zauber
Fesselnd ausströmend, und ihrer selbst sich
Selig erfreuend?

Gottentstrahlt ist Schönes, und allen Reizes
Offenbarung muthe den Reinen rein an:
Doch das Alltagsauge begehrt im schönen
Weibe das Weib nur!

Lebenswarm auflodernder, sel'ger Schönheit
Schleierlosem Wunder ist unser Blick nicht
Rein genug, es regt in gemeinem Sinn nur
Schnöde Begier auf!

Schönes Weib, umschlei're des Auges Glanzquell,
Birg des Busens göttlichen Reiz, des Leibes
Wild im Tanzschwung schäumende Rhythmenwoge
Zeige dem Markt nicht!

Streu' der Schönheit himmlische Perlenschnur nicht
Spielend hin unreinem Gethier, profanem
Schwarm. Der Faun nicht löse des Reizes gold'nen
Gürtel der Charis!

aus: Sinnen und Minnen
Ein Liederbuch von Robert Hamerling
Prag 1859 (S. 204-205)
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Seligstes

Selig, welcher das Herz hingiebt an das All, und der Schönheit
Ewigem Bilde den Sinn, stille betrachtend, geweiht.
Seliger doch, wem das Schöne verstehenden Blickes entgegen
Tritt, wer liebend ans Herz drücken ein Göttliches darf!

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 184)
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Ein Zweites [Rosenlied]
(Aus "Venus im Exil")

Siehst du die Rose hier?
Hold in die Nacht
Duftet im Moose dir
Purpurne Pracht!

Wäre die Liebe nicht
Ewige Güte,
Irdisches triebe nicht
Himmlische Blüte.

Nimm sie zum Pfande dir,
Daß im Gebiet
Irdischer Lande dir
Himmlisches blüht.

aus: Sinnen und Minnen
Ein Liederbuch von Robert Hamerling
Prag 1859 (S. 17)
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Die Rosenknospen

Sie wollte traut mir eine Rose reichen,
Doch blühte keine voll noch in den Hagen;
Sie aber pflückte Knospen ohne Zagen,
Und gab sie mir als süßer Liebe Zeichen.

Gebroch'ne Knospen, holde Blumenleichen,
Welkt ihr so früh in gold'nen Lenzestagen?
Um süßer Liebe Botschaft anzusagen,
Muß euer junges Rot so bald erbleichen?

Und dennoch preis' ich euch als selig tote:
Wohl habt ihr euch zur Krone nicht geründet,
Und seid nicht aufgeglüht im Purpurrote;

Doch hat euch Todeswonne süß entzündet:
Denn selig stirbt, wer als ein Liebesbote
Gesendet ward, und Himmlisches verkündet!

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 227-228)
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Rosensymbol

"Soll ich trau'n der flücht'gen Rose, die du mir zum Pfande giebst,
Zum Symbol für wandellose Glut und ew'ge Bande giebst?
Flüchtig ist die holde Blume: nicht wie Rosentriebe blüh'n,
Ewig muß im Heiligtume deiner Brust die Liebe glüh'n!"

Schilt mir nicht die flücht'ge Rose, nimm sie nur zum Pfande hin!
Deutet alles Dauerlose nicht auf Geisterbande hin?
Weiß die Liebe nicht, die voll ist von dem Überschwänglichen,
Daß das Flücht'ge stets Symbol ist eines Unvergänglichen?

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 189)
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O fürchte nichts!

So musst du denn, ach, musst du denn
Verstossen mich so ganz?
Ist's Untreu' schon, mich anzuseh'n
Mit milden Auges Glanz?
O wenn mich auch der Strahl bethört
Des süssen Angesichts,
Ich weiss ja, wem dein Herz gehört,
O Holde, fürchte nichts!

Sieh', wie empor zum Sonnenlicht
Bräutlich die Rose strebt;
Doch scheucht sie drum den Falter nicht,
Der harmlos um sie schwebt.
So lass mich wandeln ungestört
Im Kreise deines Lichts!
Ich weiss ja, wem dein Herz gehört,
O Holde, fürchte nichts!

aus: Robert Hamerling
Ein Sangesgruss vom Strande der Adria
Verlag F. H. Schimpff Triest 1857 (S. 17)
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Täuschungen

Suchte lange dich im Walde,
Wähnte schon dein Kleid zu sehen:
Doch es war nur eine Taube
Weißer Flügel im Gebüsch.

Wähnte deinen Gruß zu hören:
Doch es war nur das Geflüster
Eines Bächleins, das, mit Blumen
Plaudernd, über Kiesel rann.

Zwischen Zweigen sah ich blendend
Deine gold'nen Haare blinken:
Doch es war ein Sonnenblitz nur
Der sich durch die Wipfel stahl.

Und ich glaubte schon zu wittern
Deines Odems wonnig Wehen;
Ach, ein Hauch nur, duftbeladen,
War's, der von den Linden kam.

Sank zuletzt in süße Träume,
Träumte deinen Kuß zu spüren;
Aber ach, es war der Lenz nur,
Welcher lächelnd mich umschlungen.

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 343-344)
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Tausend gold'ne Träume …

Tausend gold'ne Träume
Weben in den Winden,
Tausend gold'ne Schäume
Lenzeslust verkünden;
Tausend gold'ne Sterne blinken -
Doch nicht einer will mir winken;
Tausend gold'ne Blumen blühen,
Keine fragt: willst du mich pflücken?
Möchte dir den Busen schmücken!
Tausend Flammenaugen sprühen,
Tausend schöne Mädchen glühen,
Wandeln lächelnd durch die Gassen,
Schwärmen durch die Haine.
Und von all' den Tausend spricht nicht eine:
Küsse mich, mein Freund, ich bin die Deine!

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 361)
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Tausend Küße

Tausend Küsse – das sagt sich so leicht; schier jeder berühmt sich
Daß er sie gab und empfing; fälschlich! denn Phrase nur ist's.
Wollt ihr wissen genau, wie von Küssen ein wirkliches Tausend
Schmeckt? so vernehmt, ich bin's, der es in Wahrheit erprobt.
Saß bei der Liebsten vertraut, ein Küßchen ums andere heischend;
"Ach, wann hast du genug?" – "Tausende, Liebchen, bedarf's!" -
"Tausende? wirklich? nun hör'! ich gebe dir tausend auf einmal;
Doch dann ist's dir genug?"  – "Scherzest du, Liebchen?"  – "O nein!" -
"Nun, so fange nur an, mein Kind, hier sitz' ich und harre
Durstig des Honigtaus, der von der Lippe dir träuft!" -
Während ein Hundert sie nun auf die schwellenden Lippen mir drückte,
Schmunzelt' ich heiter, es lacht schwerlich ein Pascha so froh.
Etwas ernster jedoch nach der Hunderte zweitem und drittem
Blickt' ich, und sie, rastlos, zählte das vierte mir zu.
"Weißt du, o Kind," rief ich, "daß ein wenig bereits mir die Lippe
Schmerzt?" – "So bist du es satt? reut es dich, was du gewünscht?"
"Ach! was denkst du? nur weiter!" –
Und wieder von Schmätzchen im  Takte
Scholl das Gemach, es erklang fast wie das Ticken der Uhr.
Doch als der Hunderte sechstes sich mir auf den Lippen entladen,
Rief ich aufs neu: "Mein Kind, es wollen die Küsse, die süßen,
Soll ich es offen gesteh'n, nun schon mich mählich bedünken
Schier wie ein eitles Thun. - Honig ist nimmer darin!" -
Jetzo das siebente Hundert, es sprühte herab wie ein Sturzbad
Grausamlich. Doch es ging dies auch vorüber. Da lacht
Plötzlich sie spottend auf: "Du siehst ja aus wie ein krankes
Vöglein, welchem der Hanf nicht noch der Zucker behagt!" -
"Possen!" versetzt' ich, gezwungen noch lachend und einigermaßen
Grimmig. "Gedulde dich, Herz," rief sie, "das achte beginnt!" -
Ach, nach dem achten, da saß ich nicht mehr da wie ein sattes
Vöglein, nein, wie ein Mann, welchen der Scherer des Barts
Schäumig geseift, und bedräut mit kratzendem Messer. Doch hielt ich
Wacker mich jetzt und ertrug schweigend der Hunderte Neun.
Aber das Mädchen, das tolle, sie stockt, und mir blickend ins Antlitz,
Macht nur ein Weilchen der Schalk erst mit Gelächter sich Luft.
Und sie beginnt aufs neu'. Doch endlich – der Hundert letztes
Ist vorüber – empor spring' ich und schwöre beim Zeus:
"Nie so fängst du mich wieder, du Schelmin! und höre, die Tausend, -
Daß du doch weißt, wie es thut - geb' ich dir morgen zurück!"

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 230-231)
_____



Minnelied

Teures Bild, das mir erschienen,
Engelgleiches Angesicht,
Strahlend mit verklärten Mienen
In der Liebe holdem Licht!
Solche Schöne, wähnt' ich, schwebe
Nur um uns im Traum der Nacht,
Doch nie ahnt' ich, daß es lebe,
Diese hohe Liebespracht.

Schwebtest du vom Himmel nieder?
Stiegst du aus des Meeres Schoß?
Rangen deine Lilienglieder
Sich im Lenz mit Blumen los?
Welche ewig blüh'nden Zonen
Haben diesen Reiz gereift,
Der durch ird'sche Regionen
Wie verlor'ner Schimmer streift?

Jauchzend dankt' ich dem Geschicke,
Daß so Wunderholdes lebt,
Und vor meinem sel'gen Blicke
Ueber diese Erde schwebt:
Doch wie fass' ich erst die Wonne,
Daß es liebend mich erkor,
Der, ein Phönix in der Sonne,
Sich in diesem Glanz verlor?

Reizumfloss'ne Wunderblüte,
Staunend bebt mein Herz vor dir,
Neigt in Liebeshuld und Güte
Sich dein schönes Haupt zu mir:
Ach, ich fürcht' im vollsten Glücke,
Wenn dich meine Hand berührt,
Daß dich mir des Schicksals Tücke
Wie ein Traumgebild' entführt!

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 248-249)
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Leid und Lust

Thränen auf der Rose beben,
Gold'ne Glut im Rauche zittert,
Ewig ist der Wonne Leben
Von der Wehmut Hauch umwittert:
Aus des Herzens Heiligtume
Steigt sie plötzlich oft empor,
Um der Freuden gold'ne Blume
Breitend ihren Nebelflor.

Wieder dann am Quell der Schmerzen,
An des Leides Thränenbronnen
Überrascht gemach im Herzen
Uns die lieblichste der Wonnen:
Und die Wolke zieht von dannen,
Und die Sterne niederseh'n;
Staunend fragt das Herz, von wannen
Diese milden Hauche weh'n?

Ach, wo tauen, ach, wo springen,
Herzenswoge, deine Quellen,
Die den Sinn zur Lust beschwingen,
Die das Aug' zur Thräne schwellen?
Äuß'rem Lose zugewendet,
Suchend irrt der zage Blick:
Innerlich geheim vollendet
Sich das eigenste Geschick.

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 324-325)
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Hymnen im Süden

I.
Träume, mein Herz, den Traum der Schönheit!
Den fast verscholl'nen im wüsten Tagwerk,
Hier träum' ihn,
Selig einsam,
Unter Cypressen und Lorbeern,
Wo am sonnigen Strand
Die Rebe grünt, vom Perlenschaum
Des Südmeers golden betaut.

Im Norden hört' ich
Verklingen das Lied
Im Tagslärm.
Andere Melodien will dort die Zeit,
Als die der Schönheit.
Den Heroldsruf
Der Tagesfehde begehrt sie,
Nicht reiner Schönheit Sabbatglockenklang!
Hier aber klingen
Die Lüfte von Rhythmen,
Hier tönt noch,
Welt-unbekümmert,
Anmutiger Herzempfindung
Klangfrohe Musik!
Stimm' ein, o Lied, und wälze
Schönheittrunken
Aus Seelentiefen
Die süße Tonwoge des Rhythmenstroms!

Blüht Herrlicheres auf irdischen Au'n,
Erhab'neres in himmlischen Höhn,
Als Schönheit?
Sei's, daß auf blumiger Lenzflur,
Auf blauenden See'n im Glanzduft,
Oder am schroffen Gebirg
Ihr goldener Fittig schwebt -
Sei's, daß das Rätsel des Daseins
In reiner, lebendiger Menschenblüte
Sie bildend löst,
Durch den Reiz des Maßes
Den Schmerz der Schranke versöhnt,
Und mit Ahnungswonne
Künftiger Lebensvollendung
Der Dichtersehnsucht
Urewige Qualfrage beschwichtigt -
Sei's, daß die Ströme der Brust
In süßen Gesangs
Zauberschale sie auffängt
Und, wild Erquoll'nes
Zart umgrenzend
In holder Schranke des Rhythmus,
Formprächtige Tonkrystalle
Wie Perlen ausstreut.

Mir hat sie die Seele berauscht,
Das Herz mir umstrickt mit golddichtem Netz,
Ihr Sklave bin ich!
Zukunftspropheten,
Welt-Heilsapostel,
Scheltet mich nicht!
Zeihet mich nicht der Thatlosigkeit!
Der Schönheit Evangelium ist eins
Mit dem der Zukunft!
 

II.
Glückselig, wem zu Füßen
Des Häßlichen Wolke sich wälzt,
Indes er mit leuchtender Stirn
Aufragt in der Schönheit
Heiterem Äther.

Sterbliche leben,
Unselige, die verdammt sind
Zur Hölle der Unschönheit:
Durch den Schlamm
Wie Würmer im Pfuhl
Geschleppte Seelen, an die der Gemeinheit
Fratze sich ankrallt, daß sie vergebens
Abschütteln den Unhold.
Andere sind, die rein
Hinwandeln, doch ihr Gemüt
Schaut Unholdes,
Und wo sie staunen,
Springt grinsend hervor
Das Häßliche wie ein Kobold.
Gespenster hetzen
In sternlosen Nächten sie müd,
Und wenn sie den Griffel fassen,
Leben hinzustellen,
So ists des Lebens kleinlich Unschönes,
Oder verzerrt Lachwürdiges,
Oder sein trostloser, lichtscheur Abgrund,
Was sie gestalten.

Noch andere aber sind
Die Seligen, Sonnensöhne,
Die die Nacht nicht kennen, und wenn ins Dunkel sie
Hinunterstiegen,
Mitbrächten das Licht.
Ihnen jauchzt aus allem Lebendigen
Entgegen der Sonnenfunke des Urlichts,
Farbig gebrochen in Urschöne.
Wie Sonnenblumen
Sind ihre Augensterne:
Das Häßliche schauen sie nicht,
Als vom Gipfel des Lebens aus,
Wo es einklingt
In die Lebenschöre des Allseins.
Von ewiger Schöne Pfeil
Zum Tode getroffen,
Doch selig entzückt,
Tönt ihr Mund nur Schönes,
Und keine Lust,
Als die Lust am Schönen,
Und keinen Schmerz,
Als die Sehnsucht nach Schönheit.

Mit diesen möcht' ich
Aufstreben; und immerdar
Hinwallen,
Wie Sonnenaare morgendlich
Schweben, und Schwäne trunken
Gleiten in abendroter Glanzflut.
 

III.
Göttergesegnet,
Wenn auch schmerzlich bewegt und einsam,
Wandelt dahin
Der Liebhaber der Schönheit,
Das unauslöschliche Bild
Eines künftigen Reichs des Schönen
In seiner Brust.

Zuweilen aber,
In sonnelosen Stunden,
Steigen Dämonen um ihn auf, deutend
Auf des Lebens Wirrsal und matt
Schleichenden Niedergang.
Und sie flüstern ihm zu:

Sieh, fernab wandelt,
Fern und immer ferner
Vom Pfade der Schönheit
Dies Geschlecht.
Nicht bilderstürmerisch zwar
Stürzen sie die verehrten
Idole des Schönheitstempels;
Aber sie rührt nicht mehr
Der Formenzauber des Schönen im Lied,
Nicht ideale Schönheit im Bilde,
Ein Höchstes den Griechen,
Und Raphaels Genossen.

Und sie merken nicht,
Daß der Schönheit Blütenstaub
Unbemerkt ihnen wegschwindet
Von der Blume des Lebens selbst.
Es verkümmert um sie das Dasein:
Und über des engen Kreises
Schranke hinweg
Nach schöneren Sphären zu blicken,
In goldenen Altern
Bei den Götterbegnadeten
Der Vorzeit, edleren Menschentums
Bild in die Seele zu fassen,
Wer hat noch Sinn und Liebe genug?
So steigt vom Throne
Der Kunst, des Lebens,
Die Schönheit,
Umschleiert ihr Antlitz,
Und wandelt hin
In die Verbannung. -

Steigt etwa dereinst
Eine neue Schönheitsgöttin
Aus dem Zeitenstrome der Zukunft?
Schwer ist's, zu glauben,
Das müde Leben
Sei noch mutterkräftig genug,
Zu gebären neue Götter.
Einst wohl sprangen sie
Aus seinem kraftüppigen Schoß
Mit den Geburten der Urwelt
Frisch und zahllos:
Doch heute, wo sind
Die Blumen-, die Tiergestalten,
Die neu auftauchen
Als nachgeborne Gedanken des Urgeists?
Geschweige neue Götter!
Nichts Neu-Lebendiges mehr
Springt hervor,
Das Alte aber
Taucht eins ums and're
Zur Tiefe hinab. -

So flüstern die Dämonen;
Der Liebhaber der Schönheit aber,
Mit halbem Ohre nur lauscht er,
Lächelt, stille bewegt,
Und zieht sich zurück
In die Heiligtume des Herzens,
Wo in Sehnsuchtsfluten sich ihm
Der Verheißung Sterne spiegeln,
Und Zeugnis geben,
Daß der Himmel noch blaut,
Weltentief und gestirnt,
Und die ewige Liebe wacht,
Wie in Urzeiten,
Auch über gesunk'nen Geschlechtern.

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 105-111)
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Die Brücke

Über die Klüfte weg
Baut sich die Liebe
Nächtlich den gold'nen Steg
Schönste, zu dir!
Mitten im nächt'gen Graus
Fördern die Triebe
Selig des Wunderbau's
Prangende Zier!

Sehnsucht, sie legt den Grund,
Sie, die so offen
Auch aus geschloss'nem Mund
Immer dich ruft!
Aber die Wölbung spannt
Mächtiges Hoffen
Muthig von Rand zu Rand
Über die Kluft!

Schmelzende Herzensglut
Eint das Gefüge,
Wagender Liebesmut
Kittet es fest.
Aber daß wunderbar
Ganz es genüge,
Zaubert der Träume Schar
Leise den Rest!

So über Klüfte weg
Baut sich die Liebe
Nächtlich den gold'nen Steg,
Schönste, zu dir!
Mitten im nächt'gen Graus
Fördern die Triebe
Selig des Wunderbau's
Prangende Zier!

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 208)
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Auf dem Balle

Umsonst winkt Frauenschöne,
Und Klang und Reigen mir.
Mein Herz ist fortgewandert,
Mein Herz, es ist nicht hier.

Fern in ein trautes Stübchen
Entflog es gar geschwind:
Drin ruht auf weichen Kissen
Das liebe süsse Kind.

Sie seufzt im Traum: "O Lieber,
Wie kränkst du mich so sehr!
Du flatterst wie ein Falter
Um schöne Frauen her!"

So seufzt sie, und im Traume
Sehnt sich ihr Herz nach mir,
Und ahnt nicht, dass das meine
Ruht lauschend still bei ihr!

aus: Robert Hamerling
Ein Sangesgruss vom Strande der Adria
Verlag F. H. Schimpff Triest 1857 (S. 20)
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Viel Träume

Viel Vögel sind geflogen,
Viel Blumen sind verblüht,
Viel Wolken sind gezogen,
Viel Sterne sind verglüht;
Vom Fels aus Waldesbronnen
Sind Wasser viel geschäumt:
Viel Träume sind zerronnen
Die du, mein Herz, geträumt.

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 97)
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Ein welker Kranz

Von Küssen hör' ich, traulichem Umschließen,
Von Händedrücken, Kosen Mund an Munde:
In halben Worten geht von dir die Kunde,
Und flüstert viel – und scheint noch mehr zu wissen!

Die ich mit Liebesthränen zu begießen
Gepflegt, die Blume, treulich, Stund' um Stunde,
Hat, ach, zum Spiel, zu flücht'gem Liebesbunde
Nun eine freche Hand sie angerissen?

Einst, Mädchen! einst besang ich deine Locken,
Die Veilchenaugen, zarten Liljenglieder,
In hellen Liedern, reich wie Blütenflocken -

Und nun – wie Abendluft um Kirchhofs-Flieder,
So weh'n, als leis' verhallende Grabesglocken
Um deinen welken Kranz nun meine Lieder!

aus: Sinnen und Minnen
Ein Liederbuch von Robert Hamerling
Prag 1859 (S. 167)
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Besorgnis

Was dieses Herz als höchste Wonne spüret,
Dein holdes Bild, ich schau' es oft mit Beben:
Wird es so rein mich immerdar umschweben,
Wenn auch dem Blick, doch nicht dem Sinn entführet?

Es stirbt die Flamme, noch so heiß geschüret,
Und Liebe selbst lebt oft ein flüchtig Leben:
Dem Sinn entschwindet wieder, was ihn eben
Gleichwie mit ew'ger Zaubermacht gerühret.

Ich hob manch holdes Bild auf lichtem Schilde,
Und mußte doch nur allzubald verneinen
Der jüngst gepries'nen Züge Reiz und Milde.

Weh' mir, wenn jemals mählig auch die deinen
In mir erblassen gleich dem Nebelbilde,
Und selbst im Traume mir nicht mehr erscheinen!

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 165-166)
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Elfenrede

Was legst du an Waldespforten
Dein lüstern lauschendes Ohr,
Und faßtest gern in Worten
Der Elfen flüsternden Chor?

Durch's Herz nur, soll sie dir gelten,
Nimmt Elfenrede den Weg;
Das Herz ist zwischen zwei Welten
Der schwebende Geistersteg.

Wem über der Sinne Schranke
Durch's Herz in die Seele sie drang,
Ihm wird sie im Geist Gedanke,
Und auf den Lippen Gesang.

aus: Sinnen und Minnen
Ein Liederbuch von Robert Hamerling
Prag 1859 (S. 18)
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Verschollene Liebe

Was nahst du wieder, neu mich zu besiegen
In Liedesklängen, zarte Liebesklage?
Du weckst des Glückes lang' verscholl'ne Frage,
Und Seufzer, die gebannt im Herzen liegen.

In alte Träume mich die Klänge wiegen,
Im Herzen klingt's wie Märchen mir und Sage,
Und aufersteht die Sehnsucht alter Tage,
Mein müdes Haupt an ihre Brust zu schmiegen.

Doch wenn sich sehnend aus die Arme strecken,
Und all' mein Herz ruft: Komm, mein süßes Leben!
Da nah'n sich wirre Bilder, mich zu schrecken.

Ich seh' sie nah'n und wieder mir entschweben,
Mit dunklem Fittich Träume mich bedecken,
Mein Sinn wird trüb', mein Herz erfaßt ein Beben.

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 217)
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An Jadviga

Was tönt dein Wort so lieblich meinen Ohren?
Was folgen stets mir deiner Augen Sterne?
Ich höre, seh' dich, ach, nur allzu gerne,
Und bald ist ganz mein Herz an dich verloren.

Es strahlt ein Ideal, mir längst erkoren;
In ew'ger Liebe such' ich's nah und ferne;
Will nun dein lockend Aug', daß ich verlerne
Die Treu', die ich der holden Braut geschworen?

Fahr' wohl – wozu soll deine Näh' mir taugen,
Als aus dem Bronnen deines Augengrundes
Von süßem Gifte ganz mich vollzusaugen?

Schon allzu lüstern träumt mein Herz, mein wundes,
Vom sterngestickten Himmel deiner Augen,
Und von der Rosenknospe deines Mundes.

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 193-194)
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Nacht und Morgen

Weicht ihr, trübe Stunden?
Weichst du, lange Nacht,
Leidvoll überwunden,
Thränenvoll durchwacht?
Matter seh' ich scheinen
Mondes Zauberlicht,
Das mit Sehnsuchtspeinen
Nacht für Nacht mein Herz umflicht.

Morgendlich die Winde
Von den Bergen weh'n.
Gruß dem holden Kinde
Hinter jenen Höh'n!
Licht ist mir ihr Bildniß,
Das wie Sonnengold
Durch des Herzens Wildniß
Seine Flammenströme rollt.

Freundlich weckt der Morgen
Holde Sangeslust.
Knospen sind die Sorgen,
Keimend in der Brust:
Mitternächtlich nieder
Thränen auf sie thau'n,
Und als holde Lieder
Geh'n sie auf im Morgengrau'n.

aus: Sinnen und Minnen
Ein Liederbuch von Robert Hamerling
Prag 1859 (S. 43-44)
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Im Dienste des Schönen

Wer immer sich dem Dienste weiht des Schönen,
Bereite sich, des Leides Kelch zu trinken:
Den Wunsch, nicht ruhmlos einst hinabzusinken,
Wird quälend ihm des Schicksals Neid verpönen.

Entfacht dein Aug' die Flamme der Kamönen,
Wird oft auch d'rin der Glanz der Thräne blinken;
Wenn Lorbeerkränze deinem Haupte winken,
So sei gefaßt, daß Dornen auch es krönen!

Wie selig oft auch deine Pulse beben,
Nicht immer wirst du dich auf Blumen wiegen,
Nicht immer hoch auf gold'ner Wolke schweben.

Der Muse Liebling kann den Tod besiegen,
Doch beugt dafür den Nacken ihm das Leben,
Und zwingt ihn, schnödem Joche sich zu schmiegen!

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 99)
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Der Troubadour

Wer kein Prinz ist, wer kein König,
Ist für einen Liebenden zu wenig!
Hätt' ich nicht Millionen zu verschenken,
Würd' ich denn an Frauenminne denken?
Auf, ihr stolzen, minniglichen Schönen
Und ihr Mägdlein hold auf blühn'der Flur!
Kommt! ich bin der edle, munt're, treue,
Unermeßlich reiche Troubadour!

Tausend Schätze weiß ich aufzuspeichern,
Fürstlich, die ich liebe, zu bereichern!
Perlen streu' ich, lichte Himmelskronen
Flecht' ich aus den Sternen aller Zonen!
Wer ist, die ein Lied will, zaubertönig,
Für ein Küßchen, mild wie Honigseim,
Und für eine Kosestund' ein schönes
Königreich in Wolkenkuckucksheim?

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 362)
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Flüchtiges Glück

Wie ein Sternblick flüchtig die Lilie berührt,
Die schauernde, leisen Erbebens,
So umwittert, ach, allzuflüchtig entführt,
Uns die himmlische Schöne des Lebens.

Ich wandle traurig im Abendschein
Am stillen Ufer des Stromes,
Da taut in die Seele mir Feuerwein
Vom Purpur des Ätherdomes!

Ich wandle her, ich wandle hin,
Und wie golden die Lüfte ziehen,
Ist die Blume des Glücks mir im trunk'nen Sinn,
Ein selig Wunder, gediehen.

Da faßt' ich so gern in ein rauschend Lied
Dies himmlische Leuchten und Klingen,
Doch flüchtig ob meinem Haupte zieht
Die Stunde mit Engelschwingen:

Wie mählig der Purpur des Abends verblüht,
Und die goldenen Wolken zerrinnen,
Ist die Flamme des Lieds auf der Lippe verglüht,
Und im Herzen das selige Minnen!

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 218)
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Sterben für ein Schönes

Wohl ist mein Herz aus leicht entzündbar'n Stoffen,
Doch selten thut mir Frauenreiz Genüge;
Kalt weht mich an als eine schöne Lüge,
Was erst wie Himmelszauber mich getroffen.

Und doch ist Liebe noch mein höchstes Hoffen,
Auf ihrer Spur geh'n meiner Sehnsucht Flüge:
O fänd' ich liebenswerte, theure Züge,
Und säh' der Schönheit ganzen Himmel offen!

Bleib' ferne mir das holde Bild, verhöhn' es
Mit stolzem Sinn mein trautes Liebewerben,
Und keinen meiner heißen Wünsche krön' es:

Gern füg' ich diesem Lose mich, dem herben,
Ich will ja nichts als schau'n ein wahrhaft Schönes,
Und wär' es auch nur, um dafür zu sterben!

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 98-99)
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Gondelfahrt

Wonnig ist's, auf blauer Flut,
Wenn sie spiegeleben
In des Mondes Glanze ruht,
In der Gondel schweben;
Wenn der Sterne gold'nes Bild
Durch die Woge zittert,
Und ein Hauch der Liebe mild
Land und Meer umwittert.

O wie oft im Abendwind,
Wenn die Sternenhelle
Leise glühend niederrinnt
In die Silberwelle,
Wiegst, o schlanke Gondel du,
Glutenübersponnen,
Tiefgeheim in guter Ruh'
Traute Liebeswonnen!

Mir, ach, winkt ein Liebchen nicht,
Um mit Wonnebeben
Nachts mit mir in Mondeslicht
Auf der Flut zu schweben;
Dennoch in der Gondel Sammt
Schmieg' ich stolz die Glieder,
Und der Sternenhimmel flammt
Nicht umsonst hernieder.

Mess' ich doch in Liebesmut
Tiefen, Höh'n und Fernen,
Kose mit der Meeresflut,
Kose mit den Sternen:
Und wie rein des Himmels Bild
Durch die Woge zittert,
Fühlt von ew'ger Schöne mild
Sich mein Herz umwittert!

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 212-213)
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Zarte Liebe spricht in Farben

Zarte Liebe spricht in Farben,
Nicht in Tönen will sie fleh'n:
Worte, die im Munde starben,
In den Wangen aufersteh'n.

Dir hab' ich in Aug' und Wangen
Liebesworte blühn geseh'n;
Ach mein Sehnen und Verlangen
Magst du stumm nun auch versteh'n.

Laß, die mir im Munde starben,
Meine Worte, schweigend fleh'n;
Blühen will die Lieb' in Farben,
Nicht in Tönen rasch verweh'n.

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 139)
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Liebesgeschick

Zu Blumen schmiegt' ich mich in süßem Minnen,
Sie welkten hin, und ließen mich alleine:
Nach Strahlen hascht' ich, goldig buntem Scheine,
Doch bald auch schwand der schöne Glanz von hinnen.

Nach Klängen lauscht' ich mit entzückten Sinnen,
Doch allsogleich starb ihre Spur im Haine:
Und was ich liebend gern genannt das Meine,
Es schwand dahin, ich durft' es nicht gewinnen.

Und wie der Schiffer zagt, mit Blicken hangend
An Küsten, die ihm fern in Duft verschwammen,
So zag' ich, um Verlornes schwer erbangend.

Es schlugen sehnend meiner Liebe Flammen
Empor – umsonst! Und nun, nach Stoff verlangend,
Verzehren sie das Herz, aus dem sie stammen!

aus: Hamerlings Werke Volksausgabe in vier Bänden
Ausgewählt und herausgegeben
von Dr. Michael Maria Rabenlechner
Mit einem Geleitwort von Peter Rosegger Zweite Auflage
Dritter Band Hamburg Verlagsanstalt
und Druckerei A.- G. (vorm. J. F. Richter) (o. J.)
(S. 118)
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Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Hamerling

 

 

 


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