|
Marie Uttech geb.
Harrer
(1819-1870)
Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
Ach!
Eh noch der Tod die Waffe zu mir kehrt,
Das Ohr mit ew'ger Taubheit mir zu lähmen,
Möcht ich aus Deinem Mund das Wort vernehmen:
"Du bist mir werth!"
Armselig Loos, wenn diese Hand geknickt
Erstarren müßt' im Frost der Grabeswände,
Eh eine Weile Deine theuren Hände
Sie warm gedrückt!
Wo nähm das Auge her den frohen Muth
Zu letztem Schauen und zu letztem Weinen,
Dürft es vorher nicht lesen in dem Deinen:
"Ich war Dir gut." (S. 87)
_____
Auf der Klippe
Die Luft war so warm, so ruhig die See,
Und ich mit Dir allein,
Von Menschen ferne auf stiller Höh',
Auf moosigem Felsgestein.
Der Welle Grüßen drang zu uns her
So schmeichelnd, so traulich nah,
Als wären Himmel, Erde und Meer
Für uns allein nur da.
Es sank die Sonne. - Du legtest sacht
Das Buch aus Deiner Hand.
Hast wohl an die frostige Welt gedacht
Beim Abendsonnenbrand . . .
Auch mein Herz bebte von altem Leid:
Doch wußte ich Deines nah,
Und fühlte, es sei in Ewigkeit
Für mich allein nur da.
Dann hüllte die Nacht die müde See
In Nebelschleier dicht,
Und droben auf dunkelnder Himmelshöh'
Entglomm der Sterne Licht.
Der Welle Grüßen drang zu uns her
Und flüsterte traulich nah:
"Ihr seid zwischen Himmel, Erd' und Meer
Für euch allein nur da!"
Zwischen Himmel und Meer auf dem Felsgestein
Kein Wesen als Du und ich!
Ich denke Dein und Du denkest mein -
Die Blicke begegnen sich,
Und jauchzend rauschen die Wellen laut:
"O haltet das Glück, eh' es entweicht!
Nur wenn ihr der Liebe das Leben vertraut,
Ist Leben und Sterben leicht!" (S.
91-92)
_____
Blume und Schmetterling
Die arme Blume sprach zum Schmetterling mit Beben:
Geh' nicht von mir!
Wie ist Dein Loos so schön! - Du kannst ins Weite schweben,
Ich bleibe hier.
Doch haben wir uns lieb; von Menschen-Qual und Freude
Sind wir getrennt,
Wir gleichen uns sogar; ich weiß, daß man uns Beide
Oft Blumen nennt.
Doch, ach! mich Arme hält, schwingst Du Dich in die Lüfte,
Der Erde Band. - -
Ich hätte gar zu gern zum Himmel meine Düfte
Dir nachgesandt;
Doch nein - Du gehst zu weit - dorthin, wo auf den Matten
Viel Blumen stehn -
Ich bleib' allein und werd' nur noch den eignen Schatten
Am Boden sehn.
Du fliehst und kehrst zurück - strebst nur zu leuchten immer
Auf neuer Bahn;
Darum triffst Du mich auch bei jedem Morgenschimmer
In Thränen an.
O, daß die Liebe sich in unsern Blüthentagen
Mit Treue eint,
So fasse Wurzel oder laß mich Schwingen tragen
Wie Du, mein Freund! (S. 186-187)
_____
Aus: Gedichte von Marie Harrer
Hannover Hahn'sche Hof-Buchhandlung 1866
Biographie:
Harrer Marie (Mädchenname und Ps. für Marie Uttech)
geb. 22. 10. 1819, gest. 6. 11. 1870 in Fürstenwalde,
Mitarbeiterin der illustrierten Frauenzeitschrift 'Der Bazar',
später der 'Victoria' u.a. Zeitschriften,
1866 Heirat mit dem Buchhändler Eduard Uttech in Fürstenwalde.
Schriften: Der arme Tom. Historischer Roman aus der Zeit Karl II.
von England, 2. Bände, 1864;
Unterhaltungen mit meinen jungen Freundinnen. Eine Festgabe, 1866;
Gedichte, 1866;
Die kleine Erzherzogin. Lustspiel nach dem Spanischen, 1869.
Aus: Deutsches Literatur-Lexikon
Biogr.-bibliogr. Handbuch, begründet von Wilhelm Kosch
3. völlig neu bearbeitete Auflage
7. Band Hrsg. von Heinz Rupp und Carl Ludwig Lang
Francke Verlag Bern / München 1979
|