Elise von Hohenhausen (1789-1857) - Liebesgedichte



Elise von Hohenhausen
(1789-1857)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 




Phantasie
(An eine Freundin)

O wie dacht' ich Dein, Du traute!
In der holden Maiennacht;
Als zum Stern'gewölk ich schaute
Hab' ich sehnend Dein gedacht.

Rings um mich nur ernstes Schweigen,
Auch kein Zephirlüftchen wach,
Da erklang aus dunkeln Zweigen
Philomelens Silberschlag.

Und ich sah mit frohem Herzen
Zu dem Weltenvater auf,
Zu den lichten Himmelskerzen
Ihren strahlenvollen Lauf,

Und bald wähnte meine Seele
Sich dem Erdenstaub entfloh'n,
Und das Lied der Philomele
Klang wie Engelharfenton.

Stiller Rührung Wonnezähren
Perlten hin, mir unbewusst,
Blickt' ich auf zu jenen Sphären,
Hochgefühl in reiner Brust.

In dem Wechsel der Gestalten
Fühlt' ich Gottes Herrlichkeit,
Seiner ew'gen Liebe Walten,
Sehnte mich aus Raum und Zeit,

Ew'ge Liebe führt die Welten
In dem ungemess'nem Raum,
Ew'ge Liebe wird vergelten
Nach des Lebens Prüfungstraum,

"Lass mich hier nicht länger säumen,
Ew'ge Liebe nimm mich auf!
Ach ich mag nicht länger träumen,
Lass vollenden meinen Lauf!"

So war meiner Seele Flehen,
Und sie schwieg und hofft' und harrt',
Da umgab mich lindes Wehen,
Wie von Geister Gegenwart.

Und mir ward, als tönt' im Wehen
Eine Stimme liebevoll:
"Allzufrüh ist noch das Flehen,
Das aus deiner Seele quoll."

"Dulde, hoffe, fester Glaube
Reiche dir die Engelhand,
Führe dich dereinst vom Staube
Zu der bessern Wesen Land."

"Aber noch harrt dein Entzücken
In der Erde dunklem Thal,
Manches Blümchen wirst du pflücken
Bei der Freude Sommerstrahl."

"In der Gegenwart erfreuet
Dich des Guten, Schönen viel,
Und das reinste Glück verleihet
Dir der Freundschaft Zartgefühl!"

Sieh', da dacht' ich Dein, da eilte
Gern mein Geist der Erde zu,
Wo die edle Seele weilte,
Einer Freundin, so wie Du.
(S. 8-11)
_____



Erprobter Edelsinn
(Ritter-Romanze)

"Lebet wohl, im fernen Lande
Denket meiner auch,
Denkt der süssen Liebesbande
Stets nach Rittersbrauch,
Und der blut'ge Sarazene
Treffe nimmer Euch,
Doch von Klingen deutscher Söhne
Treffe jeder Streich."

So entlies ein edler Ritter
Einst den Heldensohn,
Dem beim letzten Lanzgesplitter
Er des Siegers Lohn,
KLARA seine sanfte, schöne
Tochter, froh versprach;
Doch es rief der Sarazene
Vor dem Bundestag.

In der bangen Trennungsstunde
Tönt der Treue Eid
Ihm von Klarens Rosenmunde,
Und versüsst sein Leid.
In dem blutigen Gefilde
Rings vom Schwerdt bedroht,
Hing sein Aug' an ihrem Bilde
Und vergas den Tod.

Schlachten tobten, Jahre schwanden,
Und der Ritter Zug
Kehrte zu der Heimath Landen;
Mit der Liebe Flug
Eilt' auf seinem treuen Rosse
Carl den Rittern vor,
Hin zum fernen theuren Schlosse
Ueber Haid und Moor.

Und die Burg aus weiter Ferne
Lacht dem Rittersmann,
Bei dem Silberglanz der Sterne
Langte er dort an.
Ach! mit sehnsuchtsvollem Hoffen
Er zum Söller schaut,
Doch sein Auge fand betroffen
Nirgend seine Braut.

Mit der Ahnung bangem Schauer
Schwang er sich vom Ross,
Denn ihm war als walte Trauer
Auf dem Felsenschloss;
Knappen kommen ihm zu dienen,
In des Ritters Mund
Starb der Laut, denn ihre Mienen
Thun ihm Unglück kund.

Und die Knappen führten schweigend
Ihn in ein Gemach,
Das im Thurm zum Himmel steigend
Oed' und düster lag.
In dem kleinen stillen Zimmer
Blieb er ganz allein,
Nur erhellt vom Mondesschimmer
Und der Sterne Schein.

Auf dem weichen Ruhesessel
Wirft sich Carl nun hin,
Doch der Samm't ward ihm zur Nessel,
Düster war sein Sinn.
Horch! da schallen Männertritte,
Leise klopft es an,
Zu ihm hin mit ernstem Schritte
Tritt ein Rittersmann.

"Ritter," spricht mit dumpfem Tone
Der jetzt durch's Visier,
"Heimgekehrt aus ferner Zone
Ritter Carl, seyd Ihr,
Clara war Euch anverlobet,
Hört mich ruhig an,
Habt Ihr euren Muth erprobet?
Seyd auch jetzt ein Mann.

Clarens Herzen bliebt Ihr theuer
Auch im fernen Land,
Und umsonst hat mancher Freier
Sich zu ihr gewandt.
Alle frohen Feste meidend
Lebte sie für Euch,
Nur an Eurem Bild sich weidend
War sie froh und reich.

Da kam auch der Graf von Eichen,
Warb um ihre Hand,
Er der Stattliche, der Reichen
Reichster hier im Land',
Und es scholl von allen Orten
Ritter Carl sey dort
Untreu seinem Gott geworden,
Untreu seinem Wort.

Eines reichen Sarazenen
Tochter liebe ihn,
Blind durch Gold und Reitz der Schönen,
Wollt' er mit ihr zieh'n.
Clara weinte, ihre Zähren
Trocknete der Graf,
Sang durch schmeichlerische Lehren
Ihren Schmerz in Schlaf.

Ihres strengen Vaters Willen
Gab ihm ihre Hand,
Clarens Zähre fiel im stillen
Eurem Unbestand.
Schrecken überfiel den Alten,
Als er nun gehört,
Dass Ihr dennoch Wort gehalten
Und zurückgekehrt."

"Schweigt!" rief mit des Donners Stimme
Ritter Carl jetzt laut,
"Ha!  ich will in meinem Grimme
Hin zu meiner Braut,
Ja, bei Clarens Wort und Ringe,
Bei der Täuschung Schmerz,
Diese Damaszener-Klinge
Trifft des Grafen Herz.

Und dann mit des Tags Beginnen,
Mit dem Morgenroth
Flieh' auf ewig ich von hinnen,
Suche fern den Tod.
Lasst mich hin, dort muss ich kühlen
Meines Schmerzens Wuth,
Muss in seinem Innern wühlen,
Strömen soll sein Blut!

Aber Claren will ich schonen,
Ihre Lieb' und Huld
Möge Gott ihr einst belohnen,
Nein, sie hat nicht Schuld."
"Und Ihr wollt zu ihren Füssen,"
Fiel der Ritter ein,
"Ihres Gatten Blut vergiessen?
Kann das edel seyn?

Treue hat sie Euch gehalten,
Doch des Schicksals Macht
Wollte anders mit ihr schalten,
Als der Mensch gedacht.
Und drob soll ihr Gatte sterben,
Soll's durch euer Schwerdt?
Beide wollt ihr wild verderben,
Seyd Ihr Clarens werth?"

"Nein," rief Carl, "bei meinen Wunden,
Die im Kampf ich fand,
Bei den schwer durchseufzten Stunden
Dort im heil'gen Land,
Nimmer will ich Dornen streuen
Ueber Clarens Pfad,
Mag sie sich des Lebens freuen,
Meine Stunde naht. -

Fort, hin nach dem heil'gen Grabe
Geht des Pilgers Bahn,
Claren lass ich meine Habe.
Sagt ihr, edler Mann:
Dass ich bis zur letzten Stunde,
Unter Gram und Schmach,
Treu geblieben unserm Bunde,
Bis das Herz mir brach."

Und der fremde Ritter legte
Helm ab und Visier,
Alles sich im Schlosse regte,
Licht erhellt die Thür;
Sieh! in schönen blonden Locken
Wallt des Fremden Haar,
Und mit jubelndem Frohlocken
Naht der Diener Schaar.

"Märchen hat man dir erzählet,
Fröhlich aufgeschaut!
CLARA IST NOCH UNVERMÄHLET,"
Rief die holde Braut;
"O! du mein erwählter Treuer,
Clara ist noch dein;
Ewig glüht in mir das Feuer
Süsser Liebespein."

Ritter Carl lag wonnetrunken
Lang' an Clarens Brust,
Erd' und Himmel war versunken
Im Gefühl der Lust,
Und der Vater, gut und bieder,
Segnet ihren Bund,
Froh erschallen Jubellieder
An der Tafel Rund.
(S. 14-22)
_____



Amalie Bertollon und Colas Alamontade

Reitzend wie des Morgenhimmels Röthe,
Lieblich wie der Klang der Abendflöte,
Lebte einst in Nismes Amalia.
Schöner, als die jugendliche Hülle
War die Seele, und des Herzens Wille
Einer Heil'gen strengen Tugend nah.

Schön war Bertollon, die Sanfte, Holde
Wählte er, denn sie war reich an Golde,
Auf des Engels Reitze sah er nicht.
Sie, gehorsam ihrem Elternpaare,
Folgte willig ihm zum Traualtare,
Gern erfüllend des Gehorsams Pflicht.

Doch sie fühlte bald, dass er sie wählte
Weil des Goldes Allkraft ihn beseelte,
Dass nicht Liebe ihn zu ihr geführt.
Denn er liess die lieblichste der Frauen,
Sich nach andern Schönen umzuschauen,
Hörte ihre Klagen ungerührt.

Und sie schwieg, und litt mit bangem Sehnen;
Da erschien, zu trocknen ihre Thränen,
Wie von Gott gesandt ein edler Freund,
Colas war es, den ihr reicher Gatte
Liebreich in sein Haus genommen hatte,
Weil das Glück ihm seine Gunst verneint'.

Bald mit zarter Seelenfreundschaft nah'te
Sich der schonen Frau, Alamontade,
Ganz war er der Edlen Achtung werth.
Fröhlich schwand ihr nun der Tanz der Horen,
Seit sie ihn zum Freund sich auserkohren,
Den sie als ein Ideal verehrt.

Einstens bei der Harfe Silbertönen,
Bei dem Seraphingesang der Schönen
Fasst er voll Entzücken ihre Hand.
"Huldin! ein Geschöpf aus höhern Sphären
Muss der Sterbliche in Dir verehren,
Der Dein inn'res Heiligthum empfand."

Tief ergriffen von des Freundes Worten
Ward ihr wie, wenn in dem rauhen Norden
Die Natur im Frühlingshauch erblüht.
Milder schien der Dämm'rung brauner Schleier,
Heiliger des Abends stille Feier,
Und entzückender der Harfe Lied.

Sittsam senkt sie ihre Augenlieder,
Hebt den Blick voll Zärtlichkeit dann wieder
Der in Wonne der Empfindung schwimmt.
"Colas, spricht sie, Dank des Himmels Güte,
Der Sie sandte, nie so lieblich blühte
Mir die Welt, wir sind so gleich gestimmt."

Doch es war nicht Liebe, die ihn rührte,
Die so oft ihn zu Amalien führte,
Seine Seele füllt ein andres Bild,
Das sich oft ihm gegenüber zeigte;
Wann sich Clementine grüssend neigte,
War sein Herz mit Seligkeit erfüllt.

Aber ach! der Liebe Feuerfunken
War tief in Amaliens Herz gesunken,
Liebe war's, was sie für Freundschaft hielt.
In dem zarten, weichgeschaff'nen Herzen
Wühlten bald der Liebe Flammenschmerzen
Die die sanfte Seele nie gefühlt.

Ach! geliebt zu werden, dieser Glauben
Musste ihr des Herzens Ruhe rauben
In der Stunde der Begeisterung.
Colas liebte nur das Schöne, Reine
In Amalien, ihm allein galt seine
Tiefempfund'ne, glüh'nde Huldigung.

Bald in des Geliebten Blicken, Wesen,
Konnte sie die wärmste Freundschaft lesen,
Aber Liebe? Liebe war es nicht.
"Und wie kann er, sprach sie, Liebe nähren?
Hiese das nicht seinen Freund entehren,
Ein Verbrecher ist ja Colas nicht."

"Mich allein, auf ewig streng gebunden,
Konnte doch der Liebe Pfeil verwunden,
Dieses Herz, das seine Schwüre bricht,
Es vergisst die schöne Pflicht der Treue,
Ach! wie furchtbar drohen Schmach und Reue
Und verlöschen doch die Flamme nicht."

So von Feuerliebe hingerissen,
Und zurückgehalten vom Gewissen,
Sah man sie wie Abendroth vergehn.
Kann Vernunft die Liebe auch bezwingen?
Nimmer wird's dem schwachen Zwerg gelingen,
Eines Riesen Kraft zu widersteh'n.

Ungestört verfolgte seine Freuden
Bertollon, er ahnte nicht die Leiden
Seiner Gattin, fühlt nicht was ihm droht.
Denn er sah sie selten, das Vergnügen
Schlürfte rastlos er mit vollen Zügen
Aus dem Becher, den die Welt ihm bot.

Einstens kehrt' er krank zurück vom Schmause,
Fragt nach ihr, sie war wie stets zu Hause,
Bittet sie um eine Arzeney.
Er erhielt sie, doch durch alle Nerven
Schien sie schrecklich seinen Schmerz zu schärfen,
Aerzte eilten pfeilgeschwind herbei.

Kaum begannen sie den Trank zu prüfen,
Als sie plötzlich bangerschüttert riefen:
"Gift enthält das Mittel offenbar!
Wer es brachte müssen sie entdecken."
Zögernd sprach er: "höret dann mit Schrecken,
Dass es die geliebte Gattin war."

"Bringet, Freunde, Rettung meinem Leben,
Vor Gericht soll jene Antwort geben,
Ob die Wahrheit nicht ist wie der Schein."
Es gelang den Aerzten, ihn zu retten,
Und er eilt, sich von der Ehe Ketten,
Von Amalien, eilends zu befrei'n.

Ach! man fand in ihrem Cabinette
Gift an einer tief verborg'nen Stäte,
Jenem gleich, das Bertollon bekam.
Sie erschien in des Gerichtes Schranken,
Doch sie schwur entschlossen, ohne Wanken
Einen Eid, der alle Schuld ihr nahm.

Und der Richter sprach: "sie kann nicht trügen
Diese Unschuld, die aus allen Zügen
Aus der Miene dieses Engels fleht.
Nur noch eines muss sie uns bekennen,
Muss des Giftes Zweck den Richtern nennen,
Freiheit ihr! sobald sie dies gesteht."

"Nimmer, rief sie, wird man dies erfahren,
Ewig, ewig wird's mein Herz bewahren,
Dass ich schuldlos bin, beschwur ich ja.
Und die Richter schwiegen und entliessen
Sie für heut, um morgen zu beschliessen
Weil ihr Auge jetzt nur dunkel sah.

Und zu Colas sprach ihr Gatte, "Lieber
Oft beklagtest du dich ja darüber,
Dass du stets in meiner Schuld verbliebst.
Sieh! unendlich kannst du mich verbinden,
Wenn du sehend machest jene Blinden,
O! erhöre mich, wenn du mich liebst.

Denn bestochen durch des Weibes Mienen
Will ja gegen sie mir keiner dienen,
Alles ist durch ihre Reitze blind.
Aber für sie reden tausend Zungen,
Schon ist ihre Freiheit halb errungen,
Eilen musst du, eh' die Zeit verrinnt."

Seinem Freunde konnt' er's nicht versagen;
Doch die sanfte Huldin anzuklagen,
War dem edlen Colas Höllenpein.
Denn er fühlte wohl, dass sie ihn liebte,
Dass um seinetwillen sie verübte
Jenen Mord, glaubt er gewiss zu seyn.

Angstgefoltert tritt er hin zu reden,
Und mit Blicken, die um Mitleid flehten,
Kam Amalie, tief in Schwarz gehüllt.
Staunend blickt auf sie Alamontade,
Als sie wankend sich den Richtern nahte
War sie schön wie ein Madonnenbild.

Und sie lässt des Schleiers Hülle sinken,
Als sie ihn erblickt, doch rührend blinken
Ihre Thränen durch des Flores Nacht.
Und er fasst sich, mit dem Ton der Wahrheit
Spricht, beweiset er in voller Klarheit,
Dass Amalia jene That vollbracht.

Langsam hebt sie jetzt den schwarzen Schleier,
Blickt den Redner an, und spricht mit Feuer:
"SIE auch hier, Sie glauben mein Vergeh'n?
Ist es möglich, auch Alamontade?
Gott o Gott! nun will ich keine Gnade,
Da auch SIE hier als mein Kläger steh'n.

Höret! Richter meine letzten Worte:
Ich gestehe, ja, zu einem Morde
War das Gift bestimmt, glaubt was ich sprach."
Jetzt verschwand sie, aus des Richters Munde
Tönt das rauhe "SCHULDIG" in die Runde
Spricht es jeder voll Entsetzen nach.

Abend ward's, da sass beim vollen Becher
Bertollon, mit Colas seinem Rächer;
Bertollon war fröhlich, hocherfreut,
Bald ward er von Wein und Freude trunken;
Aber Colas in sich selbst versunken,
Trug im Herzen um die Holde Leid.

"Colas, sprach der Trunk'ne, deiner Liebe
Dank' ich meine Freiheit, doch es hübe
Leichter sich mein Busen, wär' sie dein,
Sieh! ich will dir, Trauter, nichts verhehlen,
Ihr zwo milde, gleichgeschaff'ne Seelen
Konntet glücklich miteinander seyn.

Und ich sah wohl bald, wie innig theuer
Du Amalien warst, der Liebe Feuer
Nahm des Weibes zarten Busen ein.
Sieh! ich wollte eine andre wählen,
Um mit dieser bald mich zu vermählen,
Wünscht' ich meiner Bande los zu seyn.

Konntest du des Freundes Pflicht verletzen,
O! wie wollt' ich dann mich glücklich schätzen,
Hätte dir voll Grossmuth gern verzieh'n.
Dir die Gattin liebreich abgetreten,
Dann um der Geliebten Hand gebeten;
Doch umsonst war leider mein Bemüh'n.

Du, du hieltst zu fest an deinen Pflichten
Um mir solches Herzleid anzurichten;
Sie, ein Weib, wie's deren wenig gibt,
Barg es tief in ihrer keuschen Seele,
Liess dir ahnen kaum, was so sie quäle,
Was das heit're Auge ihr getrübt.

Hoffnung dennoch fuhr ich fort zu nähren,
Einstens um mich völlig zu belehren,
Spürte ich in ihrem Zimmer nach.
Liebesbriefchen hoffte ich zu finden,
Und ich fand dort Gift, was zu ergründen
Ich trotz allem Sinnen nicht vermag.

Aber gut kam mir das Gift zur Stelle,
Ein Gedanke fuhr mit Blitzesschnelle
Mir durch meinen wunderklugen Sinn.
Von des Giftes Tropfen nahm ich eilend,
That sie zu dem andern Trank, der heilend
Mir gewesen war, und stellt ihn hin.

Tags darauf, nicht ohne banges Klopfen,
Bat Amalien ich um ein'ge Tropfen
Von der oft genomm'nen Arzeney.
Arglos kam sie, selbst mir hinzugeben
Was ihr raubte Ehre, Glück und Leben;
Den Erfolg den weisst du, ich ward frei."

Nur dem Wand'rer, der in Aetnas Auen
Weilt', die herrliche Natur zu schauen,
Ahnend nicht verborgene Gefahr;
Und der Boden weicht, die Flammenhöle
Füllt mit Todesschrecken seine Seele,
Dem nur ist, wie jetzt dem Hörer war.

"Bertollon! wär's möglich Ungeheuer!"
Rief er plötzlich mit der Tugend Feuer,
Aber schnell genug besann er sich.
"O! verzeih, verzeih mir das ich's glaubte,
Ja ich fühle wohl, der Wein, er raubte
Dir Vernunft, du faselst fürchterlich."

"Schweig! rief ernsthaft Bertollon, verhehle
Was ich sagte tief in deiner Seele,
Ich vertraute es nur dir allein."
"Schlumm're sanft, sprach Colas, kehr ich wieder,
Senkt der Morgen sich zu uns hernieder,
Wird des Weines Dunst verflogen seyn."

Kaum bemalt der Glanz der Purpurröthe
Jetzt des Morgenhimmels graue Oede,
Als bei Bertollon schon Colas war.
"Rede! sprach er zu dem halb Erwachten,
Denkst du noch des hier im Rausch Gesagten,
Sprach das dein Gewissen, ist es wahr?"

"Schweig!" rief Bertollon mit wildem Blicke,
Colas bebt mit Höllenschmerz zurücke,
Als sich jetzt die grause Wahrheit zeigt.
Dann begann er noch mit leiser Stimme:
"Bertollon entfliehe vor dem Grimme
Der Gerechtigkeit, noch ist dir's leicht."

"Wie, rief jener, du willst mich verrathen?"
Greift nach dem Pistol, das stets geladen,
Zielt nach Colas mit des Mörders Wuth;
Doch zu spät - Amalien zu rächen,
Redet er von Bertollons Verbrechen
Ueberzeugend durch der Wahrheit Glut.

Der Verbrecher sollte schrecklich enden,
Doch er starb von seinen eignen Händen;
Als ihn suchte jetzt der Häscher Schaar,
Lag er grässlich da in seinem Blute,
Ehrend des gerechten Himmels Ruthe,
Floh'n sie mit emporgesträubtem Haar.

Colas eilte mit zerrissnem Herzen
Zu Amalien, ihres Busens Schmerzen
Wollt' er lindern, stand's in seiner Macht.
Doch sie war entflohn mit Blitzesschnelle,
Eines fernen Klosters düstre Zelle,
Deckte ihren Aufenthalt mit Nacht.

Dort in diesen heilig stillen Mauern,
Wollte sie die Jugendzeit vertrauern,
Band unwiederruflich dort ihr Herz.
Nur an Colas schrieb sie diese Zeilen,
Die den Knoten der Erzählung theilen,
Ganz uns schildern ihres Busens Schmerz.

"Völlig bin ich aus der Welt verschwunden,
Durch ein streng Gelübde hier gebunden,
Nimmer, nimmer blüht uns Wiedersehn.
Aber welch ein Sturm darnieder wüthe
Meines jungen Lebens erste Blüthe,
Will ich einzig Ihnen noch gesteh'n.

Ach! ich war so schuldlos, unbefangen
Wie aus Gottes Hand hervorgegangen,
Eh' ich Sie, Sie Einziger gekannt.
Fremd war mir die Liebe stets geblieben,
Aber dennoch konnt' es mich betrüben,
Dass ich sie nicht bei dem Gatten fand.

Und da sah ich Sie, Apollen gleichend
Und so ganz mein Ideal erreichend,
Doch des Körpers Schönheit liess mich kalt.
Aber dass Sie so wie ich empfinden,
Dass sich unsre Herzen ganz verstanden,
Zog zu Ihnen mich mit Allgewalt.

Und ein hohes, nieempfund'nes Leben
Fühlte ich durch meine Seele beben,
Ach! es war der Liebe Feuergeist.
Meines Lebens schönste Rosenstunden
Sind mit Ihnen mir so schnell entschwunden,
Wie des Stromes Silberwelle fleusst.

Und Sie schienen mein Gefühl zu theilen,
Liebend schien Ihr Blick auf mir zu weilen,
Ach! es war ein himmlisch schöner Traum.
Nur ein Traum und schrecklich sein Verschwinden,
Ich vermocht es nicht zu überwinden,
Keinem Trost gab meine Seele Raum.

Ach! ich kämpfte muthig, doch vergebens
Liebe war jetzt alle Kraft des Lebens,
Flamme ward was lange still geglimmt.
Jener herben Kämpfe endlich müde,
Wählte sich mein Herz des Todes Friede,
Dazu hatt' ich jenes Gift bestimmt.

Und Sie wissen, was daraus entstanden,
Sie, die mich so fürchterlich verkannten,
Ganz mir gaben des Verbrechens Schein.
Er, der mehr mir war als Heil und Leben,
Wollte dem Schafott mich übergeben,
O! da fühlt' ich mehr als Höllenpein.

Ja in jener fürchterlichen Stunde,
Wo aus des Geliebten strengen Munde
Ueberweisung meiner That erscholl,
Als man streng befehlend meinen Willen
Mit dem Gifte strebte zu enthüllen,
Ward das Maas all' meiner Leiden voll.

Da, da sprach ich wählend mein Verderben,
Denn mein höchster, einz'ger Wunsch war Sterben,
Ich bewahrt' es auf zu einem Mord.
Und ich sagte wahr, denn meine Seele
Sollt er führen aus der Kerkerhöle
Ihrer Hülle, in der Freiheit Port.

Dass man meine Unschuld nun erkannte
Rührte wenig mich, am öden Rande
Meines Daseyns blieb ich einsam steh'n.
Doch es sind nur wenig bitt're Stunden,
Ist des Frühlings Blüthezeit verschwunden,
Wird Amalia hinübergehn.

Auf dem Hügel hier vor meiner Zelle
Wähle ich mir meines Grabes Stelle,
Unter'm Dach von dichtem Eichenlaub.
Wenn der hundertjähr'gen Eiche Schatten
Niederfällt auf ihres Hügels Matten,
Ist dies wunde Herz schon lange Staub."

Düster sinkt des Lesers Auge nieder,
Ach! des Edlen Herz so gut und bieder
Fühlte tief der Freundin Todesschmerz,
Und auf seines Lebens Bahn durch Auen
Voll Entzücken, dann durch Nacht und Grauen
Dachte Ihrer wehmuthsvoll sein Herz.
(S. 26-45)
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Abendempfindungen

Herrlich stralt die sinkende Sonne in Westen,
Golddurchwirktes Gewölke schwimmt in dem Aether,
Und aus des Stromes silbernem Spiegel
Blinkt glühender Purpur.

Blumendüfte bringen mit lieblichem Säuseln
Leichte Weste, sie wecken nächtliche Sänger,
Und aus den dunkeln Wipfeln erschallen
Melodische Töne.

Lieblich birgt im bräunlichen Schleier die Haine
Süsse Dämmerung, Luna steigt aus dem Osten
Stralend empor, das ferne Gebirge
Hellt zaub'rischer Schimmer.

Ach! es stralt das Frühlingsgewand auf den Fluren
Mir vergebens, denn Sehnsucht füllt mir den Busen,
Kehre zurück zur friedlichen Hütte
Du innig Geliebter.

Einsam kennt kein fühlendes Wesen die Freude,
Nur am Busen, im Arm des innig Geliebten
Freu' ich mich dein mit himmlischer Wonne
Du seliger Abend.
(S. 49-50)
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Die Jungfrau am Meere

Mit dem ersten Strahl der Morgenröthe
Klimm' ich zu des Felsens steiler Höh',
Wo mein Blick so oft vergebens späh'te
Irrend über Land und See.

Herrlich leuchtet aus dem Meeresspiegel
Junger Tag dein Flammenangesicht,
Bringst du ihn mir auf der Liebe Flügel
Eh' du sinkst in Dämmerlicht? - -

Bringst du mir das Licht von meinem Leben
Meines Herzens Seligkeit zurück,
Wird es endlich auf mich niederschweben
Das so lang ersehnte Glück? - -

Jeden Tag blickt' ich von diesen Höhen
Ueber's Meer nach jenem blauen Rand,
Des Geliebten Segel zu erspähen,
Bis der Sonne Licht verschwand.

Bis der Mond mit bleichem Zauberschimmer
Freundlich winkend auf mich niedersah,
Und ich seufzte: ach! Er kehret nimmer,
Nur dem Herzen ist er nah.

Ohne dich ist herber Tod das Leben,
Warum fesselt mich des Körpers Band?
Könnte frei mein Geist zu deinem schweben,
Ihm von Ewigkeit verwandt.

Magisch fühlt zu dir sich hingezogen,
Hingerissen all' mein Seyn,
Aller Reitz des Lebens ist entflogen,
Und ich denke ewig dein.

Ewig, ewig ach umsonst! erscheinen
Wirst du nie in süsser Wirklichkeit;
Einsam soll ich immer um dich weinen,
Und vertrauern meine Blüthenzeit.

Liebe trieb dich aus dem Vaterlande,
Gold zu suchen in der Indien Reich',
Dass nicht Armuth knüpfte unsre Bande,
Nicht der Mangel hohl und bleich.

Ach! des Südlands köstliche Genüsse
Winken dort dir mit Sirenenmacht,
Denkst du noch an meine Abschiedsküsse
Bei dem Anblick peruan'scher Pracht? -

Wie? ich zweifle, nein aus einem Stoffe
Schuf der Weltenvater unser Seyn,
Thöricht Herz! o glaube, liebe, hoffe
Dein gehört Er einzig und allein.

So die Jungfrau; und mit hohen Masten
Schwebt ein königliches Schiff daher,
Unter seiner Ladung reichen Lasten
Beuget sich das fluthbewegte Meer.

Goldbeladen kehrt aus ferner Zone
Der Getreue zu der Heimath Strand,
Wo er seines Fleisses schönste Krone
Die Geliebte selig wiederfand.
(S. 54-57)
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Der Tod Aliko's
eines afrikanischen Sklaven
(Nach dem Englischen)

Vorüber ist's;
* - o stille deine Klage,
Du siehst mich fest und ungerührt;
Der edlen Freiheit weiht' ich meine Tage,
Der Freiheit Sache hat mich hergeführt.

Ach, Theure! schweig', wie deine Thränen schmerzen,
Die Stimme der Natur erwacht.
Ich liebte dich so lang von ganzem Herzen,
Jetzt scheide ich, mein Lauf ist nun vollbracht.

Zur heimatlichen Luft, zu stillen Lauben
Soll jetzt der Weg Aliko's gehn;
Dort wird der Kummer keine Freuden rauben,
Dort werd' ich dich, Geliebte, wiederseh'n.

Doch hört' ich dort viel Rührendes wohl sagen,
Ich sah der milden Thräne Fall,
Des Herzens Leiden bei des Nächsten Klagen,
Ach! solche Herzen sind nicht überall.

Nun Christ! jetzt werd' ich Wollust dir gewähren,
Die Rachestunde nah't, o schau!
Befiel den Flammen lodernd zu verzehren
Der schwarzen Glieder kräftig starken Bau.

Tirann! doch wisse, dir wird's nicht gehören,
Im ew'gen Krieg so fortzugeh'n;
Der Tod, den du mir gibst, wird einst vermehren
Den Spott der Brüder, die dich kraftlos seh'n.

O Tod! ich harre deiner mit Verlangen,
Du machst den Sklaven fessellos;
So komm mich sühnend zu umfangen,
Und gieb mich wieder meiner Heimath Schoss.
(S. 58-61)

* Er redet seine Gattin vom Scheiterhaufen an
_____



Die drei Himmelsblumen
HOFFNUNG, LIEBE, GLAUBE

Es blühen drei liebliche Blumen im Leben,
Sie stammen aus lichtem ätherischen Land,
Es hat sie der Schöpfer der Menschheit gegeben
Als höh'rer Bestimmung beglückendes Pfand;
Sie blühen auf rauhen, auf dornigen Wegen,
Will heilige Unschuld sie schützen und hegen.

Die Rose bezaubernd durch Duft und durch Farben,
Das Immergrün ewig so freundlich und mild,
Wenn Blätter und Blumen im Winter erstarben,
Des blühenden Frühlings erhebendes Bild,
Die Lilie mit reinem, mit heiligem Glanze
Die schönste der Blumen im himmlischen Kranze.

DIE KINDHEIT
Zu Wohl und Weh, zu Schmerz und Lust
Erscheint mit Ahndungsthränen
Der Säugling an der Mutter Brust,
Ihr Leben zu verschönen;
Sie führt ihn durch der Kindheit Land
An ihrer Liebe Gängelband.

O! holdes Morgenroth des Lebens,
Wo tausend süsse Freuden blüh'n
Die unser werden ohne Müh'n,
Und nicht als Ziel des bangen Strebens;
Stets hängt mit reinem frohen Herzen
Das Kind nur an der Gegenwart,
Wo leichte Weste es umscherzen
Und keine Sorge seiner harrt.
Der Hoffnung, unsers Lebens Trösterin,
Bedarf es nicht in seinem heiter'n Sinn.

Sein Schlaf ist leicht gleich Morgenlüften,
Es fragt nicht nach des Glückes Spiel,
Und Blumen bricht es von den Grüften,
Und denkt nicht an des Lebens Ziel,
O! was der Mensch auch mag erstreben
Im mühevollen Erdenleben,
Nie kehrt zurück der Kindheit reine Lust
In die besternte, stolze Brust.

JUGEND, STREBUNGSZEIT
Immer weiter führt die ernste Hore,
Von des Lebens gold'nem Morgenthore,
Aus dem Schutze mütterlicher Huth
In des Schicksals Wogenfluth.
Bald verwelken in des Mittags Schwüle
Alle Blumen aus der Kindheit Land,
Es verglüh'n des Busens herzliche Gefühle,
Kalt zerdrückt von des Gesetzes Hand.
Rauh und mühvoll drängt der Pfad in's Leben
Sich durch Felsenklippen steil hinauf,
Sorgen, wünschen, hoffen, kämpfen, streben
Ist des Erdensohnes kurzer Lauf.
Freuden, die die Gegenwart ihm beut,
Lässt er ungepflückt vorüberflieh'n,
In der Zukunft dunkler Ferne
Wähnt er seines Glückes Sterne,
Im Gebild die Wirklichkeit;
Und durch tausendfaches Mühen
Ringt er in dem Weltgewühl
Nach dem fernen, gold'nen Ziel.
Nahend sieht er die Erfüllung strahlen,
Doch Fortuna stürzt mit bitt'rem Hohn
Ihn herab, der Täuschung Höllenqualen
Sind allein des langen Strebens Lohn.
Nur der Hoffnung zauberischer Schimmer
Lächelt noch auf seines Glückes Trümmer;
Sie allein, im milden Lenzgewande,
Leitet ihn durch wilder Stürme Nacht;
Sie die Gott dem Sterblichen zum Pfande,
Dass er einst zu besserm Seyn erwacht,
Liebevoll herniedersandte.
Tröstend blickt sie in die Ferne,
Richtet auf den Lebensmüden
Und verstummt ihr Trost hienieden
Zeigt sie auf die gold'nen Sterne:
"Daher ward ich euch gesandt,
Nimmer wird das Leben untergehen,
Ueber jenen lichten Strahlenhöhen
Blüht ein schön'res Vaterland."

Lächelt auch dem Sterblichen Gelingen
Auf des Glückes sonnenheller Bahn,
Trägt's mit kühnen Adlerschwingen
Zu den höchsten Stufen ihn hinan;
Dennoch schlingt beim Glanz der Ehre
Kalt das Herz in dumpfer Leere.
Rasch verfliegt der Rausch der Sinne
Ueberdruss ist nur, was ich gewinne,
Seufzt das bess're Ich in uns'rer Brust.
Nimmer kann die trunk'ne Sinneslust
Eines Edlen sehnend Herz erfüllen,
Nie des Busens höh're Ahnung stillen.

Doch die holde Königin der Erde
Die allmächt'ge Liebe naht,
Blumen zeichnen ihren Pfad,
Und durch ihr gebietend: WERDE
Heben lieblich sich die grauen
Farben auf des Lebens Auen,
Wie wenn sanftes Rosenlicht
Durch des Morgens Schatten bricht.
Zweite Blume in dem holden Kranze,
Du erhell'st, beglückst das Ganze,
Und das Leben öd', an Freuden stumm,
Wird durch dich Elysium.

An des Vaters Wolkenthrone
Springt der Liebe heil'ge Quelle
Und der Menschheit tiefbeschränkte Zone
Hebt durch sie sich zu der Gottheit Schwelle,
Denn in tausend Nektarbächen
Rinnt die heil'ge Silberfluth,
Durch des Lebens öde Flächen;
Frühling, Freundschaft, Elternwonne
Und der Liebe süsse Gluth
Sind die Strahlen EINER Sonne.

Mächtig, hochbeseelend weht der Oden
Ew'ger Liebe durch die feiernde Natur,
Hold entblüht der Erde kaltem Boden
Tausendfacher Blumen Flur.
Und des Winters Ketten springen
Durch der Liebe mächt'gen Hauch,
Süsse Minnelieder klingen
Aus dem neu ergrünten Strauch.

Auch der Sinnen Hochgenuss
Kann nur sie mit Reitz umschweben,
Nur wenn Theure um uns leben
Fühlen wir des Glückes Kuss.

Freundschaft, Talismann der Seelen,
Du vermagst in wilder Wogen Fluth
Aufzurichten den gesunk'nen Muth,
Und die Brust des Kämpfenden zu stählen,
Du erleichterst mild des Schicksals Tücke,
Streust uns Rosen auf den Dornenpfad,
Du erhebst des Glückes Sonnenblicke
Und begeisterst hoch zu edler That.
O! Geschenk aus Gottes Vaterland,
Wehe dem, der nimmer dich erkannt.
Doch des Lebens höchsten Wonnerausch
Gibt allein der Herzen Tausch,
Der die Rebe um den Ulmbaum windet,
Der die Anmuth mit der Kraft verbindet.

Wenn der Liebe Knospe sich entfaltet,
Fühlt der Jungfrau unschuldsvolle Brust,
Mit des Herzens reinster Lust,
Neu und herrlich diese Welt gestaltet,
Und mit höherem Entzücken
Sieht sie auf der Frühlings Flur
Sich belebend die Natur
Mit dem Brautgewande schmücken.
Des Geliebten Mannes Bild
Stralt ihr von den Sternenhöhen,
Schwebt ihr auf dem Lenzgefild,
Und der Weste lindes Wehen
Und der Vögel Jubelchor
Gaukelt dem getäuschten Ohr
Des Geliebten Namen vor.
Zartes Sehnen, banges süsses Hoffen
Lacht aus ihrem wonnetrunk'nen Blick,
Alle Himmel steh'n ihr offen
Stralt sein Auge Liebe ihr zurück.

Feurig eilt der Jüngling durch das Leben
Nach dem fernen, sich ersehnten Ziel,
Und mit muthig ruhelosem Streben
Klimmt er hoch empor voll Ehrgefühl;
Da ergreift sein unbewachtes Herz
Mit bezaubernder Gewalt
Eines Mädchens Huldgestalt.
Liebe reisst ihn himmelwärts
Und in Thränen schmilzt sein Feuer,
Und geläuterter und freier
Schwingt sein Geist sich an Urania's Hand,
In der bessern Wesen Vaterland.

Rein und selig ist der Liebe Gluth,
Wenn des Jünglings halberwachter Muth
Nur durch seelenvoller Blicke Fragen
Was er fühlt, ihr zu gestehen wagt,
Und aus ihres Auges Niederschlagen
Ihm der Hoffnung Zauberschimmer tagt;
Wenn der Jungfrau leise, süsse Klagen
Von dem Mond aus seinem Silberwagen
Nur allein belauscht, im Frühlingshain
Ihrem Busen Götterglück verleih'n.

Aber schöner, gleich der Rose Fülle,
Die aus ihrer Knospe Hülle
Sich dem jungen Tag erschliesst,
Ist der Augenblick, wenn wonnetrunken
Sich der Liebe heil'ger Götterfunken
In des Wortes Flammenstrom ergiesst;
Und aus zarter Jungfrau Purpurmund
Wird dem Jüngling Gegenliebe kund.
Nur zu schnell entreisst ihn uns die Hore
Diesen überird'schen Augenblick,
Psyche sinkt verhüllt vom Himmelsthore
In den Schoss der Wirklichkeit zurück.

HÄUSLICHKEIT, ALTER
Es blüht im Bund der Liebe und der Treue
Das einzig wahre Glück: die Häuslichkeit,
So mild und lauter wie des Aethers Bläue,
Und selbst oft still verehrt vom Neid.
Wer fühlt an eines Weibes treuem Herzen,
Wenn holde Kinder ihn umscherzen,
Nicht des Erschaffers liebevollen Geist?
Der mild des Lebensstromes Welle,
Die stürmisch uns von hinnen reisst,
An mancher schönen Blumenstelle
Des Ufers sich verweilen heisst.

Und aus des Kindes unschuldsvollen Blicken
Das freundlich auf des Vaters Knie sich wiegt,
Sich zärtlich an der Mutter Busen schmiegt,
Lacht ihnen hohes, seliges Entzücken.
Wenn dann der Jugend Blüthen fallen,
Wenn sich der Herbst des Lebens naht,
Wie schön ist's dann, des Daseyns Pfad
Mit dem geliebten Sohn noch einmal zu durchwallen;
Und die Erinn'rung froher Jugendlust
Erfüllt der Eltern treue Brust,
Wenn sich der Töchter liebliche Gestalten
Im Schutz der Mutterliebe hold entfalten.

O! tausendfältig sind des Lebens Freuden
Für den, der kindlich reinen Sinn
Im unentweihten Busen trägt;
Doch tausendfach sind auch die Leiden,
Die uns des Schicksals Waage wägt.
Die schönsten Freuden welken hin;
Oft muss der Mensch, wie Sisyphus den Felsen,
Das Leben ohne Glück und Ruh'
Stets mühsam auf und nieder wälzen
Der grässlichen Vernichtung zu;
Und wenn des Herbstes Stürme wüthen,
Dann fallen auch die letzten Blüthen,
Die Hoffnung birgt ihr bleiches Angesicht,
Erloschen ist der Liebe Rosenlicht,
Der Jugend Kraft, im Silberhaare
Erklimmt der Greis mit tiefgebeugtem Muth
Verwaist, den öden Weg zur Bahre;
Im düstern Schoos der Erde ruht
Was er geliebt, nur schauervolle Wüste
Ist ihm des Schöpfers himmlisch schöne Welt,
Ein grausenvolles Blutgerüste,
Wo alles, kaum erblüht, vernichtet fällt.
Da naht sich ihm im Lichtgewande
Ein Jüngling hell wie Sonnenglanz,
Ein hoher, himmlischer Gesandte
Hält er empor den Siegerkranz
Der Tugend, und es flammt in seiner Rechten
Die Fackel des Vertraun's zum höchsten Geist.
Sie leuchtet in den Labirintgeflechten
Des dunkeln Schicksals dem Gerechten,
Und auch der Dulder seinen Schöpfer preis't.
O Hoffnung! Liebe! eure Blüthen fallen,
Doch durch des Jünglings zauberischem Hauch
Erstehen sie jenseits dem Erdenwallen
In neuer Himmelsschöne auf.

O heil'ger Glaube! alle Nationen
Verehren dich, du flammst in jeder Brust,
Der Erde fernste halbbewohnte Zonen,
Das Volk noch kaum der Menschheit sich bewusst,
Du hobst sie aus der Thierheit Schranken,
Im dumpfen Sinne ward es Licht.
Bethört ist, wer durch zweifelvolles Wanken
Die heil'ge Stimme frevlend höhnt,
Die ihm im innern Busen tönt;
Von deiner Fackel Licht erhellt
Erblicken wir statt Fehler, Grössen
Im Wunderbaue dieser Welt;
Du kannst allein des Daseyn Räthsel lösen,
Und alle tiefverworr'nen Klänge
Du lösest sie,
In göttlich reine Harmonie
In Engel Lobgesänge.

O glücklich, wer die Himmelsblumen pflegte,
Zum Kranze flocht mit reiner, frommer Hand,
Und ihren Sinn im innern Busen hegte,
Verachtend kühn der Erdenfreuden Tand;
Es flammen um ihn drohende Gewitter,
Die Königseiche stürzt in Splitter,
Ihn schützt sein hehrer unverwelkter Kranz
Und tröstend stralt der Lilje reiner Glanz.

SCHLUSS
Drei Genien führen uns huldvoll durch's Leben
Sie stammen aus lichtem, ätherischen Land,
Es hat sie der Schöpfer der Menschheit gegeben
Als höh'rer Bestimmung beglückendes Pfand.
Sie führen auf rauhen, auf dornigen Wegen
Den Sterblichen höh'rer Vollendung entgegen.
(S. 73-87)
_____



Seelenverwandschaft

In der schönsten meiner Stunden
Hab' ich endlich dich gefunden,
Die mein sehnend Herz erkannt;
Die schon, eh' sie hier geboren,
Der Erschaffer mir erkoren,
Durch der Wesen heil'ges Band.

Mächt'ge Simpathie der Seelen!
Ach kein Kämpfen und kein Wählen
Leistet je dir Widerstand,
Es begann mein ganzes Wesen
Sich in Liebe aufzulösen,
Und des Lebens Nacht verschwand.

Und auch du, aus deinen Blicken
Stralte seliges Entzücken,
Als mein Geist sich dir verrieth,
Möchte nie den süssen Glauben
Rauhe Wirklichkeit mir rauben,
Dass dein Herz für mich erglüht.
(S. 127-128)
_____



Erste Liebe, einzige Liebe

Des Weibes Brust liebt einmal und nicht wieder,
Der heil'ge Funken glüht,
Doch Psyche sinkt auf rosigem Gefieder,
Ihr unbewusst, zum Schoos der Erde nieder,
Und die Erscheinung flieht.

Sie ist entfloh'n, ein glühendes Erinnern
Durchbebte meine Brust,
Da welkte früh, da starb in meinem Innern,
Durch dieses süsse, himmlische Erinnern,
Mir jede Lebenslust.

Ich sah die Welt in ihren lichten Hallen,
Des Lebens Blüthenpracht,
Ich hörte Jubel durch die Schöpfung schallen,
Doch ist kein Strahl in meine Brust gefallen
Wo ew'ge Sehnsucht wacht.

Ich kämpfte wohl mit meines Schicksals Mächten,
Mit reger Phantasie,
Der Erde Blumen mir zum Kranz zu flechten,
Dass sie den Glanz der Lichterscheinung schwächten
Vermag mein Streben nie.

Umsonst, umsonst, in meinem tiefsten Leben
Thront jene Huldgestalt,
Sie wird mich ewig ahndungsvoll umschweben,
Bis nach des Herzens letztem Todesbeben
Des Geistes Freiheit stralt.
(S. 129-130)
_____


Aus: Frühlingsblumen Gedichte
von Elise Freifrau von Hohenhausen
geb. von Ochs
Münster 1816

 


Biographie:

https://www.deutsche-biographie.de/pnd116953624.html


 

 


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