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Hedwig Hülle
(1794-1861)
Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
Sappho
Nimmer soll die Liebe mich besiegen,
Sprach die stolze Liederschöpferin,
Mich in eines Mannes Arm zu wiegen
Geb' ich nie die edle Freiheit hin!
Nur Apollons Gunst soll mir genügen
Eros nicht bethören meinen Sinn:
Hat nicht, gleich dem Schaum der Meeres Wogen
Millionen seine List betrogen?
Und sie schlägt, begeistert, alle Saiten
Zu des Lieder-Gottes Preise an
Und der Lyra mächt'ge Töne gleiten
Zauberisch zum Helikon hinan;
Keiner irrenden Gefühle Streiten
Füllt die Brust und auf des Liedes Bahn
Leitet Phantasie vom Erdenthale
Hin die Sängerin zum Göttersaale.
Lächelnd hört des stolzen Mädchens Rede
Aphroditens herzenskundger Sohn,
Der, gerüstet stets zu süßer Fehde,
Nur des Winkes harrt von Jovis Thron.
"Noch ist es in deinem Herzen öde,
Spricht der Gott, gereizt durch ihren Hohn,
Trotze nicht, bald schlägt auch deine Stunde
Daß mein Pfeil dein menschlich Herz verwunde!"
Rosen kränzen ihrer Locken Fülle
Nächtlich wallend um die reine Brust,
Weiß der Unschuld deckt die edle Hülle
Und der Hoffnung Grün umschlingt die Brust.
Auf der Stirn thront noch der freie Wille
Und sie träumt von niegetrübter Lust:
Keine düstre Ahnung hebt den Busen
Dieser stolzen Lieblingin der Musen. -
So, auf Mitilenes Blumen-Auen,
Wo die Jugend Sang und Tanz vereint,
Muß sie einen hohen Jüngling schauen
Der der Staunenden ein Gott erscheint;
Da entflieht das kühne Selbstvertrauen,
Schüchtern naht sie sich dem schönen Freund:
Sie gesteht es sich mit Wonne-Beben
Ohne ihn sey leer und öd' ihr Leben.
Ungerächt verhöhnt die Uraniden
Keines Staubgebornen frevler Mund;
Wer in Demuth ihren Zorn gemieden
Den nur schützt vereint der hohe Bund.
Sapphos stille Ruhe war geschieden,
Ernst that sich die Macht der Liebe kund,
Und in ihrem ungeprüften Herzen
Zog sie siegend ein - mit bittren Schmerzen.
Denn, was aus des Jünglings Feuer-Blicken
Wunderbar zu jedem Wesen sprach
War nicht Liebe Sappho zu beglücken,
Phaons Herz war nur für eine schwach;
Nur Melitta theilte sein Entzücken
Ihr nur folgten seine Blicke nach,
Und sie wünschte von den Männern allen
Nur dem theuren Jüngling zu gefallen.
Hoffnungslos entschwanden nun die Tage
Mitilenens hoher Sängerin
Sie, der nun das Leben eine Plage
Gab sich ganz dem Schmerz der Liebe hin.
Nur daß sie den tiefen Kummer klage
War das Saitenspiel ihr noch Gewinn
Und dann rauschten, mit der Töne Fluthen
Heller auf des armen Herzens Gluthen.
"Götter in des Himmels reinen Höhen
Flehte sie, was hab' ich euch gethan!
Warum ließt ihr, grausam, es geschehen
Daß die Augen den Verlobten sah'n?
Keinen Hoffnungs-Stral laßt ihr mich sehen
Und ich bin geopfert einem Wahn
Und muß, darbend an den Freuden allen,
Ungeliebt durch's öde Leben wallen!"
"Warum mußt ich ihm nicht schon begegnen
Als noch frey sein mir verlornes Herz?
Warum mich nicht unaussprechlich seegnen?
Warum mir so ungemessnen Schmerz?
O der Glücklichen, die den verwegnen
Stolzen Jüngling unter süßem Scherz,
Unter trautem Kosen sich gewonnen!
Ihr nur lacht die hellste aller Sonnen."
"Mit dem Angebeteten im Bunde
Ist sie mehr als eine Königin
Und mir schleicht das Leben Stund' um Stunde,
Gleich dem Bach am öden Felsen, hin.
Unaufhörlich schmerzt der Liebe Wunde;
O, wie fühl ich's daß ich elend bin!
Dennoch Phaon, Schöpfer dieser Schmerzen,
Wohnst nur Du in dem gequälten Herzen!"
"Kannst Du mir die Ruhe wieder geben
Die so stolz in dieser Brust gewohnt?
Kannst Du die geknickte Blume heben
Die gleich Rosen auf der Flur gethront;
Mir ein neues frohes Daseyn weben
Wo den Schmerz um Dich Vergessen lohnt?
Sterbend nur werd' ich aus Lethe trinken,
Nur der kalte Tod mir Ruhe winken."
O so nehmt dies Daseyn ohne Freuden,
Ernste Mächte, nehmt's zum Opfer an!
Ohne Liebe muß das Leben scheiden,
Liebe nur erhellt die nächt'ge Bahn.
Eine Welle tilgt die tiefsten Leiden
Und die Seele wallt zum Sternen-Plan;
Soll ich hier in ew'ger Sehnsucht schmachten
Und nach dem was unerreichbar, trachten?"
"Mit dem Himmel sollst Du mich versöhnen,
Saitenspiel, vom Himmel mir gesandt;"
Und noch einmal muß die Leyer tönen
In der Sängerin geübter Hand. -
Die sie hier geweiht dem ewig Schönen
Führt sie auch in's stille Freiheitsland:
Von Leukad'jas Felsen stürzt sie nieder
In die Fluth. - Nach tönen ihre Lieder! -
Nächtlich zieht der Schwan dort stille Kreise,
An dem Felsen, um das Wogen-Grab,
Und wie Windes-Harfen sanft und leise
Zieht ein Nachklang säuselnd auf und ab,
Gleich den sel'gen Klängen ihrer Weise,
Freundlich blickt ein heller Stern herab;
Und es taucht das blendende Gefieder
In die Fluth der Schwan, und hebt sich wieder. -
Aus: Erstlinge des Frühlings
von Hedwig Hülle geb. Hoffmeier
Bremen 1822 Gedruckt bei C. G. Westphal (S. 14-21)
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Die Heimkehr
Aus des Aethers klarer Ferne,
Himmlisch groß und hehr,
Fiel der milde Blick der Sterne
Still herab ins Meer.
Wie ein glücklicher im Schlummer
Ruhte die Natur;
Aber ach! den bittern Kummer
Fühlte Anna nur;
Wankte an des Meeres Strande
Klagend auf und ab;
Blickte nach dem fernen Lande
Wo des Liebsten Grab.
Starrte trostlos in die Wogen
Mit gesenktem Blick;
Denn sie hatten sie betrogen
Um der Seele Glück!
"Ruhe such' ich hier vergebens"
Jammerte ihr Mund,
"Denn die Freude meines Lebens
Birgt der tiefe Grund;"
"Wellen trugen dich von dannen
Meiner Seele Lust!" -
Ihres Schmerzens Thränen rannen
Ueber Wang und Brust. -
"Mir enthüllet sich kein Morgen
Freude bringend mehr
Denn der Liebe Gram und Sorgen
Lasten bang und schwer!"
"Und der Tod kennt kein Erbarmen,
In des Grabes Nacht
Wird von seinen kalten Armen
Auch sein Raub bewacht."
Immer wenn der Abend graute
Ging sie an den Strand;
Klagte ihren Schmerz und schaute
Nach dem fernen Land.
Und so gieng sie einst wie immer
Ihrem Kummer nach
Als der Sonne letzter Schimmer
Auf dem Meere lag;
Und sie sah ein Schifflein kommen;
Wimpel roth und blau,
Plätschernd kam es angeschwommen
In der Dämmrung Grau.
Immer, immer kam es näher
Ihrem Thränenblick,
Und ihr Herz schlug hoch und höher
Ahnend sein Geschick. -
Und ein schöner Jüngling nahte
Sich im schwanken Kahn
Schnell dem winkenden Gestade
Auf der Wellen-Bahn.
Und dann kniet' er betend nieder
Himmelwärts gewandt,
Dankte still daß er nun wieder
In dem Heimathland.
Da - o Lohn der treuen Liebe! -
Da erkennt sie ihn
Und dem seligsten der Triebe
Giebt sie ganz sich hin;
Sinkt mit reinem Hochentzücken
An des Jünglings Brust;
Und er hängt an ihren Blicken
Mit der reinsten Lust. -
Der den sie im fernen Grabe
Schon als todt beweint
Kehrte nun mit reicher Habe;
Mit dem Glück vereint.
Und zum Jubel ward die Klage
In des Mädgens Mund;
Fester schloß mit jedem Tage
Sich der treue Bund!
Aus: Erstlinge des Frühlings
von Hedwig Hülle geb. Hoffmeier
Bremen 1822 Gedruckt bei C. G. Westphal
(S. 45-49)
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Sonett, an -
Warum muß uns die weite Ferne trennen,
Die zwar mein Geist schon oft zu Dir durchschifft,
Den nicht die Macht der armen Schranke trifft
Die stets den Körper nur wird fesseln können.
Versuch' ich es, durch Worte Dir zu nennen
Der innern Sehnsucht leis' verzehrend Gift?
Besäß' ich auch die Gaben eines Swifft,
Dies würde mir die Sprache nicht vergönnen.
Drückt Dich ein Leid am Körper; in der Seele?
So komm daß ich es tröstend mit Dir theile,
Mehr giebt mein Herz dann als die kalte Zeile!
Und wär's vielleicht daß in der Nebenhöhle
Vergangner Zeit Dein trüber Blick verweile;
Vergönn' daß ich des Herzens Wunde heile!
Aus: Erstlinge des Frühlings
von Hedwig Hülle geb. Hoffmeier
Bremen 1822 Gedruckt bei C. G. Westphal (S. 69-70)
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Orpheus und Euridice
Phöbus Sohn, Orpheus, versank in Klagen;
Seiner Lyra reiner Silberton,
Die einst in entschwundnen Liebes-Tagen
Opfer reinen Danks zum Strahlen-Thron
Der Unsterblichen emporgetragen
War verhallt; hinab zum Acheron
War sein Weib, Euridice entschwunden
Und nichts heilte seiner Seele Wunden.
Uebermannt von nie empfundnen Schmerzen
Richtet er der bangen Seele Flehn
Zu der styg'schen Göttin kaltem Herzen;
Ceres Tochter kann nicht widerstehn
Und ihm lodern neu der Hoffnung Kerzen:
Selbst hinab soll er zum Orkus gehn;
Charon rudert auf der schwarzen Welle
Hin ihn zu des Schattenlandes Schwelle.
Und er weiht auf's neue sich dem Schönen;
Ihn umstrickt der Hoffnung grünes Band
Und der Lyra goldne Saiten tönen
Schöner, reiner in des Sängers Hand,
Seinen Ruhm muß dieser Hymnus krönen
Leitend ihn in das verborgne Land;
Cerberus bey dessen Zauberseegen
Konnte schmeichelnd nur die Glieder regen.
Ohne Zagen schritt er durch die Pforte
In der Geister mitternächtig Land,
Seines Mundes sieggewohnte Worte
An den Herrscher Pluton selbst gewandt:
"Laß von diesem schauervollen Orte,
Ernster Gott, an ihres Gatten Hand
Mein geliebtes theures Weib entschweben
Wiederum mit mir im Licht zu leben."
Und es hört des Sängers kühne Bitte
Ungerührt nicht des Saturnus Sohn;
Er erhebt sich in der Geister Mitte,
Also sprechend vom erhabnen Thron:
"Wohl, sie folge Dir zur ird'schen Hütte,
Ihr Geschenk sey Deiner Lieder Lohn,
Doch - versuchst Du nach ihr umzuschauen,
Kehrt sie nimmer zu des Lichtes Auen!"
O wie leicht scheint dem bethörten Gatten
Die Bedingung aus des Gottes Mund;
Bis zu seiner Heymath grünen Matten
Zu entsagen, schließet er den Bund
Mit dem strengen Könige der Schatten
Und verläßt entzückt das stille Rund,
Und ihm folgt, vom Hoffnungs-Glanz umgeben,
Aus der Nacht Euridice zum Leben.
Und versiegt sind nun des Sängers Thränen;
Seines Lebens Freudenspenderin
Folgt ihm unter süßem Liebessehnen
An des Lethe stillem Ufer hin. -
"Wäre all' mein Glück nur thörigt Wähnen?!"
Des Gedankens Blitz trübt seinen Sinn
Und - mißtrauend eines Gottes Worte
Blickt er rückwärts nach der düstern Pforte. -
Sieh - am Himmel thürmen schwarze Wetter
Strafend sich, es lischt der Sonne Licht.
So erfüllt sich rasch der Spruch der Götter
Denn die Unsichtbaren scherzen nicht,
Und es naht sich keiner dem als Retter
Der den heil'gen Bund mit ihnen bricht.
Es entweicht, mit einem Schmerzensblicke
Zum Kozyt Euridice zurücke. -
Und sie sieht den Gatten schnell erblassen
Dessen Flehn nur Echo wiederhallt;
Doch vergebens strebt sie zu umfassen
Der Geliebte, vor Entsetzen kalt.
Ach sie muß, sie muß ihn ja verlassen
Und sie hält nicht irdische Gewalt. -
Schnell, wie es das flücht'ge Glück gefunden,
War es nun auf ewig ihm entschwunden.
Aus: Erstlinge des Frühlings
von Hedwig Hülle geb. Hoffmeier
Bremen 1822 Gedruckt bei C. G. Westphal (S. 151-155)
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Pyramus und Thisbe
"Wenn die Nacht mit stiller Feier
Nieder auf die Erde wallt,
Hülle dann in dichte Schleier
Deine liebliche Gestalt:
Harre mein in jenem Haine
Bis ich liebend Dir erscheine."
Thisbe hört von seinem Munde
Süß bethört der Liebe Wort;
Sehnt sich innig nach der Stunde
Nach dem süß geheimen Ort;
Und verheißt: "beym Sterngefunkel
Dort zu seyn im Waldes-Dunkel."
Als nun mit den stolzen Rossen
Phöbus langsam niedersteigt;
Dämmrung mählig sich ergossen
Und der Chor des Waldes schweigt,
Kann sie länger nicht mehr weilen
Denn Gott Amor heißt sie eilen.
Freundlich von den Sternenhöhen
Cynthia die Hügel küßt;
Doch ihn kann sie nicht erspähen
Der sie hoffend schon begrüßt.
Forschend will sie um sich schauen
Da erfaßt sie jähes Grauen.
Denn mit dürstender Geberde
Naht sich furchtbar, riesengros,
Halb noch lauernd an der Erde
Aus des Waldes nächtgem Schoos
Eine Löwin ihr mit Schnauben,
Droht, das Leben ihr zu rauben.
Und sie flieht mit Blitzes-Schnelle
- Von den Göttern noch bewacht -
Irrt gerettet durch die helle
Sternbekränzte stille Nacht;
Schleier die sie stets umwallen
Sind im Fliehen ihr entfallen.
Sie gewahrt es nicht; mit Beben
Denkt sie des Geliebten nur;
Zittert für sein theures Leben
Und ein Grab scheint ihr die Flur.
Und sie fleht: O gute Götter
Seyd auch des Geliebten Retter!
Ach, vergebens fleht die Arme,
Denn die Götter hörens nicht!
Grausam opfern sie dem Harme
Oft ein Herz, das liebend bricht, -
Den, des sie gedenkt mit Bangen,
Hält der bleiche Tod umfangen!
Unter sel'gen Liebesträumen
Suchte er die Theure nur
In des Waldes stillen Räumen,
Ach, - und fand des Wildes Spur;
Und den Schleier der mit Blute
Frisch befleckt am Boden ruhte.
Aus dem Himmel seiner Liebe
Stürzte ihn ein grauser Schmerz:
"O du arger Gott der Liebe!
Warum brichst Du so mein Herz?
Die Du selber mir erkoren
Ist durch Deine Schuld verloren!"
Sprach's und senkte in die treue
Warme Brust den kalten Stahl;
Daß er sich dem Tode weihe
Zu beenden seine Qual.
Und ihn fand - zum Schmerz geboren
Thisbe an des Orkus Thoren.
"Ach! so bin ich ganz verlassen!
Nimmt kein Gott sich meiner an;
Will ich auch mit ihm erblassen
Den in Liebe ich gewann!
Pyramus! ich werde kommen,
Was kann mir das Leben frommen?"
Und sie stürzte sinnlos nieder
Nahm das Schwert des Pyramus
Und es senkte sein Gefieder
Bald der stille Genius: -
Eh' Aurora kam gezogen
War ihr letzter Hauch entflogen!
Aus: Erstlinge des Frühlings
von Hedwig Hülle geb. Hoffmeier
Bremen 1822 Gedruckt bei C. G. Westphal (S. 158-162)
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Das Königswort
Ballade
Ein edler Däne, Erich genannt
War hold der schönen Godware,
Des Königs Schwester, und ihre Hand
Ersehnte er, am Altare;
Sie war von gleichen Gefühlen warm,
Von süßer Hoffnung beseelet,
Nur trübte ihr Glück ein innerer Harm:
Des Bruders Bewilligung fehlet. -
Zwar liebte Frotho in ihm den Freund,
War innig dem Braven gewogen
Und hätt' ihm irgend gedroht ein Feind,
Das Schwert hätt' er für ihn gezogen;
Doch zu versagen der Schwester Hand,
Um die er oft ihn geflehet,
Gebot ihm der Stolz, weil nicht Kron' und Land
Zum Fürsten Erich erhöhet.
Das trübte den Himmel der Liebe sehr
Und Erich härmt sich im Stillen;
Godwarens Wangen blühen nicht mehr,
Kein Trost will sich ihr enthüllen.
Wohl thut es dem König im Herzen weh
Doch kann er den Stolz nicht bezwingen;
Er stellt sich als ob er den Kummer nicht seh',
Nicht ahne das tägliche Ringen.
Und Wochen schwinden und Monde fliehn
Und Erich siehet mit Schmerzen
Stets mehr und mehr Godware verblühn;
Das nagt am liebenden Herzen.
Er fleht zum Himmel um Trost und Rath
Wie er den König gewinne,
Und - wie in der Noth ein Retter naht,
Kömmt eine List ihm zu Sinne.
"O gieb nicht ganz Dich trübem Harm
Zum Opfer, theure Godware!
Noch schließ' ich mit Gott Dich in den Arm
Als Braut, führ' Dich zum Altare;
Laß still mich wirken zu unserem Glück,
Nur nach dem Mittel nicht frage,
Das mir gegeben ein hold Geschick
Und still ich im Busen trage."
So sprach der Ritter zur holden Braut,
Daß nicht die Ruhe ihr fehle.
Ihm hatte sie ja ihr Herz vertraut
Und ihre liebende Seele;
Drum klärte ihr schöner Blick sich schnell
Vertrauend auf, und auf's neue
Umstralte Hoffnung die Liebenden hell,
Im Gelübde ewiger Treue.
Und Jubel des Fests durchtönt das Schloß
Und rings nur herrschet die Freude;
Doch Erich, stets des Kummers Genoß
Giebt sichtbar sich hin dem Leide:
Ihn rührt kein Sang, ihm schmeckt kein Wein
Er nimmt nicht Theil an dem Feste,
Und nicht bemerken's, umstralt vom Schein
Der Freude, die Fürstlichen Gäste.
Nur Frotho gewahrt's. - "Was härmst Du Dich
Am fröhlichen Sieges-Tage?"
So spricht der König, "sey froh daß sich
Nicht Freude verwandle in Klage!
Godware! fülle das güldne Horn
Und reiche dem träumenden Freunde
Daß er erwache, den geistigen Born,
Der alle zum Frohsinn vereinte!"
Und als die Holde das Trinkhorn reicht
Dem Freunde, mit süßem Blicke,
Da wird dem Geliebten wohl und leicht
Und Frohsinn kehrt ihm zurücke.
Entzückt erfaßt er die schöne Hand,
Hebt in der Linken den Becher
Und spricht also, zum König gewandt,
Im Beyseyn fürstlicher Zecher:
"Gieb, König! mir eigen was meine Hand
Jezt köstliches hier umfasset,
Es sey Deiner Freundschaft Unterpfand!"
(Godware wankt und erblasset.)
Der König, durchglüht vom edlen Wein,
Versteht nicht den Sinn der Worte
Und spricht: "Was Du begehrst sey Dein!
Bey meinem Fürstlichen Worte!"
"Heil! großer König der Dänen, Heil!
Daß endlich Du mich erhöret;
Du giebst die Schwester mir zu Theil
Die längst ich geliebt und verehret!
Sieh hier meine Hand; Du findest dann,
Sie hält die Schönste umfangen! -
Verzeih daß Liebe die List ersann!
Kennst Du nicht selbst das Verlangen?"
Der König stutzte; doch faßte er sich
Und sprach, mit freundlichem Tone:
"Wohl habt Ihr kühn überlistet mich;
Doch, nehmt Euch einander zum Lohne
Der Liebe, die Ihr gehegt so treu
Trotz hoffnungslosem Versagen,
Und daß mein Wort nicht heilig sey
Deß sollt Ihr mich nimmer verklagen."
Da sanken Sie nieder am Königs-Thron
Und Frotho segnete beyde;
Wohl schauten Fürsten mit Neid und Hohn
Herab; - nicht stört' es die Freude.
"So werdet am Siegesfest vereint
Auf ewig am Brautaltare,
Daß schon die nächste Sonne scheint
Euch, als dem glücklichsten Paare!"
Aus: Erstlinge des Frühlings
von Hedwig Hülle geb. Hoffmeier
Bremen 1822 Gedruckt bei C. G. Westphal (S. 193-199)
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Amor und Hymen
Amor der tändelnde Gott und Hymen der ernstere Jüngling, -
Jener mit strotzendem Köcher, voll wundender Pfeile, belastet
Und mit dem Bogen bewehrt, mit goldig befiederten Schwingen,
Lockenumkoseten Haupts; - und dieser die lodernde Fackel
Tragend, des heiligsten Bund's der staubgeborenen Menschen;
Beyde in Aether gehüllt, getragen von schmeichelnden Lüften
Und von Düften umwallt, vom Aeolsharfen-Gelispel
Sphärischer Töne umspielt - sie nahten sich schwebend der Erde.
Und der gepriesenste Gott, der nie alternde Knabe von Paphos,
Welcher den Donnerer selbst, den nimmer bezwungnen, verwundet
Dort in dem Wolken-Pallast am Sonnenumstralten Olimpus,
Wo Aphrodit' ihn gepflegt in nimmer verblühender Schöne,
Rosenumduftet die Stirn, die Königin jeglicher Reize
Sanft ihn im Schooße gewiegt und mit Götterkost ihn gespeiset;
Sprach nun also zum Gott, den alle Völker verehren,
Welchem das sanfteste Licht: die Sitte der heiligen Ehe,
Freundlich die Pfade erhellt: "So sind wir hier nun im Thale.
Hoher Gefährte! nun sage mir an was den Blitze-Bezwinger
Zeus, den erhabensten Gott, bewog, dich hernieder zu senden,
Mich zu geleiten fortan auf dieser umnebelten Erde?
Immer ja sandte mich sonst der Gewaltige, ohne Bedeckung,
Immer auch kehrte ich siegend und ohne Verletzung zur Heymath;
Wenn ich den Söhnen und Töchtern der Erde ein Eden bereitet
Trugen mich Hymnen des Danks bis zu dem Gipfel der Wolken." -
Drauf erwiederte sanft und freundlich der erstere Jüngling,
Hymen, dem tändelnden Gott, auf Paphos Höhen geboren:
"Wohl, o lieblicher Gott! war glänzend dein Siegen auf Erden
Und es opferten dir am willigsten immer die Herzen;
Doch so hört' ich, im Rath der versammelten Götter zugegen,
Zeus den erhabensten Gott einst ernster die Stimme erheben,
Als du entfernt vom Olimp noch schwärmend hienieden verweiltest:
"Klagen bringen herauf, es seufzen so viele auf Erden
Welche von Amors Geschoß im tiefsten Busen verwundet,
Sicher getroffen vom Stral der nimmer verglühenden Liebe,
Grausam der Gott nun verläßt, um nimmer ein Sehnen zu stillen,
Das mit verführendem Zauber er nur zu wecken sich mühte.
Darum geleite du ferner - so sprach nun der Blitze-Bezwinger,
Zeus der Erhabne zu mir - den schalkhaften Schwärmer von Paphos
Dir nun ertheil' ich die Macht daß Du sie nur fester vereinest,
Herzen von Amors Geschoß gleich süß und verwundend getroffen!" -
Und seitdem nun wandeln die Götter der Liebe und Ehe
Einig auf Erden die Bahn zum ewigen Seegen der Menschheit!
Aus: Erstlinge des Frühlings
von Hedwig Hülle geb. Hoffmeier
Bremen 1822 Gedruckt bei C. G. Westphal (S. 205-209)
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Dort
Dort Dorette blühen Freuden-Kränze
Wie hienieden keine uns geblüht
Und dort schwindet edle Freundschaft nimmer
Die die Brust hier lebenswarm durchglüht.
Und die Liebe ist dort ewig, ewig!
Unbekannt mit Trennung oder Tod.
Nimmer wird vom herrschenden Verhältniß
Dort der Seele höchstes Glück bedroht.
Darum wer hinieden viel verloren
Und entbehrt der Freuden viel mit Muth
Wird einst schöner es dort wieder finden
Wo im Arm der ew'gen Lieb' es ruht.
Aus: Erstlinge des Frühlings
von Hedwig Hülle geb. Hoffmeier
Bremen 1822 Gedruckt bei C. G. Westphal (S. 220-221)
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Das Bild der Sehnsucht
Du holdes Bild aus meinen Jugend-Tagen
Das damals mich mit Seligkeit erfüllt;
Das bis zu Engeln mich emporgetragen,
Noch ist nach dir mein Sehnen nicht gestillt.
Ich schuf dich selbst, die Phantasie ist mächtig -
Wohin ich blickte sah' ich immer Dich,
Und, gleich dem edlen Helden, mild und prächtig
Umschwebte schützend deine Hoheit mich.
Der Traum von Dir, er sollte Wahrheit werden
Und in das Leben trat er siegend ein,
Da drehten Sonnen sich um mich und Erden;
Dem holden Zauber mußt' ich ganz mich weihn.
Da brachte Freuden jegliche Aurore,
Lenz war um mich, selbst bey des Herbstes Weh'n,
Und nimmer schloß ein Tag die goldnen Thore
Der mich nicht schaute auf des Glückes Höh'n.
O holdes Bild aus meinen Blüthen-Tagen
Das einst mit reiner Sehnsucht mich erfüllt
Das bis zu Engeln mich emporgetragen,
Wann wird das Sehnen dieser Brust gestillt?
Aus: Erstlinge des
Frühlings
von Hedwig Hülle geb. Hoffmeier
Bremen 1822 Gedruckt bei C. G. Westphal (S. 231-232)
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Serenade
Sey gegrüßt o holde Schöne
Die mein Herz sich auserkohr!
Mögten meiner Harfen Töne
Lieblich klingen Deinem Ohr!
Sende Deine süßen Blicke
Nieder in die laue Nacht,
Daß unnennbar mich beglückt
Amors sanfte Göttermacht.
Soll ich auf der Liebe Höhen
Göttern gleich erhoben seyn,
Dann laß mich Dich selber sehen
Bey der Sterne Stralenschein.
Eile, eile dann hernieder
An des Vielgetreuen Brust
Gieb ihm seine Ruhe wieder -
Theile seine reine Lust!
Aus: Erstlinge des
Frühlings
von Hedwig Hülle geb. Hoffmeier
Bremen 1822 Gedruckt bei C. G. Westphal (S. 262-263)
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Lord Guiford Dudley an Lady Johanna Gray
Frei nach dem
Englischen
Es mögen alle Engel Dich umschweben
Und treu bewahren Dein geliebtes Leben,
O holde Fürstin, mein geliebtes Weib!
Für Dich bestürme ich die Himmelshöhen
Ohn' Unterlaß mit innig heißem Flehen,
Und düstre Sorgen sind mein Zeitvertreib.
Wär' ich auch von der ganzen Welt verlassen
Und könnte Dich in meine Arme fassen,
Ich priese dennoch glücklich meinen Stern.
Von dieses Kerkers Mauern eingeschlossen,
Nicht mehr verfolgt von den Parthei'n der Großen,
Erwählt' ich diese dunkle Zuflucht gern.
Verfluchter Ehrgeiz, sinke zu der Quelle
Aus der du stammst hinab, zur tiefsten Hölle,
Und bei verwandten Geistern weile dort!
Könnt' ich bei Dir, Geliebte, wieder wohnen,
Was wären Königreiche mir und Kronen?
Nichts mehr als eitler Tand und leeres Wort.
Ich würd' im stillen Schatten ruhmlos weilen,
Um nur mit Dir der Liebe Glück zu theilen.
Warum stammst Du von alten Kön'gen ab?
Unsel'ge Größe, mußtest Du sie erben
Um rettungslos zu stürzen in's Verderben?
Ja, ird'sche Hoheit ward des Glückes Grab!
Für sanfte Liebe wurdest Du geschaffen,
Natur versagte Dir die starken Waffen,
Mit Sorg' und Macht zu lenken einen Staat;
Dein Sinn verweilte nur in stillen Räumen,
Umweht von unschuldvollen Kinderträumen,
Und Blumen dufteten um Deinen Pfad.
Und doch, versagt der Himmel Dir auch Kronen,
Ich sah sie stets auf Deiner Stirne thronen:
Es strahlte glorreich mir ein jeder Blick
Und Deine anmuthvollen, hohen Mienen,
Als Zeugen eigner Größe Dir zu dienen,
Die angeborne Majestät zurück.
Betrachtend mit Erstaunen und Entzücken
Enthüllte immer mehr sich meinen Blicken
Des Auges hochgebieterische Macht.
Wohl tausendmal mußt' ich die Hand berühren,
Die liebliche: das Scepter nur zu führen,
Rief ich, ist diese schöne Hand gemacht!
Doch diese heitern Scenen sind entflohen,
Wie wenn uns Phantasiegebilde drohen
Und schnell auch wiederkehren zu der Nacht.
O könnte doch die Königin versöhnen
Mein Tod! könnt' er genügen allen Jenen
In deren Brust Partheienwuth erwacht!
Dann wollt' ich gern, und ohne zu erschrecken,
Den Sturm bestehn, Dein Leben zu bedecken,
Den Tod empfah'n in jeglicher Gestalt.
Doch ach! zu grausam ist's: - Dein zartes Leben!
Ich fühle, o mein schönes Weib, mit Beben
Schon des Gedankens tödtende Gewalt!
O, welches Rettungsmittel kann ich finden,
Dein schönes Sein an's Leben noch zu binden,
Wonach mein Geist mit allen Kräften strebt.
Was sprach ich? - ach vergieb dem schwachen Glauben!
Der Leidenschaften Kampf droht mir zu rauben
Das Bess're, was in meinem Herzen lebt.
Zur Dunkelheit wollt' ich Dich niederziehen?
Du solltest feig' die Märtyrkrone fliehen?
Nein! freudig will ich Dein Gefährte sein.
Der unglücksel'ge Schlag soll uns nicht trennen,
Sterb' ich mit Dir, will ich mich glücklich nennen!
Kannst du, o Tod, noch deines Sieg's dich freu'n?
Wo sind nun Deiner düsten Stirne Falten?
Ich seh's, du kannst auch himmlisch dich gestalten,
Und Freud' und Anmuth folgen deinem Fuß;
Du lächelst mir mit eines Engels Blicken
Und bietest Hoffnungen, die mich entzücken,
Mich schreckt fortan nicht mehr dein ernster Gruß.
O komm, Geliebte! komm zu jenen Allen,
Die für den heil'gen Glauben einst gefallen,
Im Blüthenschmuck der Jugend, schön wie Du;
Bei ihren Namen wird der Deine prangen,
Der Britten Stolz wird jubelnd Dich empfangen,
Drum richte Deinen Blick den Sternen zu!
Aus: Herbstrosen
In vermischten Gedichten und Erzählungen
von Hedwig Hülle geborne Hoffmeier
Bremen 1828 Gedruckt und in Commission bei Joh. Georg Heyse (S. 69-72)
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Die Jägerbraut
Mein Herzblut stockt, ich weiß nicht mehr
Wie vormals es geschlagen,
Ein's weiß ich nur, mich quälte sehr
Ein Leid in diesen Tagen:
Mein Liebster starb!
Mein Liebster starb! - wie wird mir kalt!
Sie brachten ihn getragen,
Ein Wilddieb hatt' im grünen Wald
Den Herrlichen erschlagen!
So war es, ja.
So war es, ach! sah ich ihn nicht
In seinem Blute liegen?
Erstorben war sein Augenlicht
Und Tod in allen Zügen,
Die Hand so kalt!
Die Hand wie Eis! - - o Mörder, fleuch,
Ich komme, Dich zu suchen!
So lang' wie Du nicht kalt und bleich,
Muß ich mir selber fluchen.
Du bist mein Ziel!
So sprach die arme Jägerbraut,
Das Herz war ihr gebrochen;
Und, mit der Büchse wohl vertraut,
Hielt sie, was sie versprochen:
Sie ging zum Wald.
Und als der falsche Wilddieb kam,
Und ahnte kein Verderben,
Die Maid die Kugelbüchse nahm
Und rief: Jetzt mußt Du sterben!
Und legte an.
Sie legte an und zielt' und traf
Des frechen Mörders Stirne. -
Dann aber sank, zum ew'gen Schlaf,
Des Waidmanns treue Dirne,
Und stand nicht auf!
Aus: Herbstrosen
In vermischten Gedichten und Erzählungen
von Hedwig Hülle geborne Hoffmeier
Bremen 1828 Gedruckt und in Commission bei Joh. Georg Heyse (S. 73-74)
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Ich denke Dein
Ich denke Dein, wenn mit dem Blüthenlenze
Natur, als Braut, erwacht,
Und in dem reichen Flor der frischen Kränze
Der Welt geschmückt entgegenlacht.
Ich denke Dein, wenn aus des Meeres Spiegel
Aurora lächelnd steigt,
Und wenn Apoll der goldnen Rosse Zügel
Zum Demantschloß der Thetis neigt.
Ich denke Dein, wenn an des Tages Himmel
Kein Wölkchen rings sich zeigt,
Und wenn, verhallt des Lebens laut Getümmel,
Die Nacht schon Schlummerkörner reicht.
Ich denke Dein, wenn furchtbar auf und nieder
Im Thale Donner rollt;
Es winkt Dein Bild mir Seelenruhe wieder,
Wenn laut im Sturm die Schöpfung grollt.
Ich denke Dein, durch alle Dunkelheiten
Strahlst Du, o schönes Licht!
Und dürftest Du durch's Leben mich geleiten,
Tauscht' ich mein Glück um Throne nicht!
Aus: Herbstrosen
In vermischten Gedichten und Erzählungen
von Hedwig Hülle geborne Hoffmeier
Bremen 1828 Gedruckt und in Commission bei Joh. Georg Heyse (S. 91)
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Biographie:
https://de.wikipedia.org/wiki/Hedwig_Hülle
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