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Elisabeth Janstein
(1893-1944)
Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
Zu dir, zu dir . . .
Mein Blut war Staunen und erschrak
Bis tief in seinen dunklen Gang,
Als dein Gesicht in Helle sprang
Und nah vor meinen Blicken lag.
O Mensch, o Mensch, du, niegesehn,
Wo kommst du her, wo gehst du hin?
Gib, daß ich dir die Heimat bin,
Um die der Sehnsucht Stürme gehn.
Du Flamme, Atem, Gott und Licht,
Erlisch mir nicht, erfülle mich.
Ich bin in dir und geh durch dich,
Wenn Mund erschauernd Liebe spricht.
Aus: Elisabeth
Janstein Gebete um Wirklichkeit Gedichte
1919 Verlag Ed. Strache Wien Prag Leipzig (S. 43)
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Mahnung
Dein Blut hat mich gerufen,
Nun zwinge ich steile Stufen
Unter erzitternde Knie.
Näher gleiten die Brände,
O Weg, wann bist du zu Ende -
Nie, nie . . .
Aus: Elisabeth
Janstein Gebete um Wirklichkeit Gedichte
1919 Verlag Ed. Strache Wien Prag Leipzig (S. 44)
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Kreislauf
Alles ist nur Weg zu dir:
Winterfrühen voll Vertrauen,
Zärtliches an Plänen bauen,
Staunendes gefangen stehn
Vor dem Blaß der Orchideen.
Schau nach weißen Wolkenballen,
Die erhellt in Blicke fallen,
Losgelöstheit schlanker Hand,
Reinern Ländern zugewandt.
O Erfülltheit, strenges Wirken
Klar in herrschenden Bezirken,
Himmel tief und weit in mir -
Alles ist nur Weg zu dir . . .
Aus: Elisabeth Janstein Gebete um Wirklichkeit Gedichte
1919 Verlag Ed. Strache Wien Prag Leipzig (S. 45)
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Ruhelos
Sehnsucht will nicht still werden.
Nun habe mich hart ins Bett gestreckt,
Ohne mich zu kennen und will nicht denken.
Nicht denken.
Ich zähle "Hunderteins, hundertzwei",
Sehe Felder, die schwer von Wind sind,
Pferde, die aus abendlicher Tränke kommen -
"Hunderteins, hundertzwei",
Oder bete ich: "Vater unser",
Taste mich von einem Wort zum andern,
Wie über einen gefrorenen Teich.
Plötzlich bin ich still und atme kaum.
Ein silberner Brunnen rauscht auf,
Blickt mich an,
O Sehnsucht . . .
Aus: Elisabeth
Janstein Gebete um Wirklichkeit Gedichte
1919 Verlag Ed. Strache Wien Prag Leipzig (S. 46)
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An mein Blut
Rotes Band, rotes Band
Hetzt du mich über dunkle Reviere
Bin ich dem rufenden, fordernden Tiere
Tief und in furchtbarer Nähe verwandt.
Rotes Band,
Reichst du in eisige Bläue der Firne,
Weißt du die heldische Biegung der Stirne,
Kennst du nicht Grenzen, wachsendes Land?
Rotes Band,
Aufbau und Richtung sind klingend zerstoben,
Endlos bin ich in Purpur verwoben,
Rotes Band, rotes Band . . .
Aus: Elisabeth Janstein Gebete um Wirklichkeit Gedichte
1919 Verlag Ed. Strache Wien Prag Leipzig (S. 47)
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Gepresster Abend
Alles Leben ist klein und dunkel geworden,
Liegt geballt, wie in spielenden Kinderfäusten.
Einmal, ja, Musik in leuchtenden Borden,
Feuer dem groß ins Uferlose Gereisten.
Einmal, einmal -
Da liefen Träume um chinesische Drachenbilder,
Bunt und verzerrt, voll grausamem Geheimnis,
Alles Lauschen ging tiefer, alles Atmen kam wilder,
Nicht gewogen, gesiebt, gewogen . . .
Sehnsuchtssegel liegen schwer in schweigenden Molen,
Gleiten der Ketten, Mahnen pochender Wellen.
Einmal, einmal - alles will ich mir holen,
Stürzenden Strom und waches Rufen der Quellen,
Alles . . .
Aus: Elisabeth
Janstein Gebete um Wirklichkeit Gedichte
1919 Verlag Ed. Strache Wien Prag Leipzig (S. 48)
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Alle Grenzen . . .
Alle Grenzen sind verronnen,
Lauter rauscht dein tiefer Bronnen
Nacht . . .
Dunkelsamtene Falterflügel
Gleiten über braune Hügel,
Nacht . . .
Aus: Elisabeth
Janstein Gebete um Wirklichkeit Gedichte
1919 Verlag Ed. Strache Wien Prag Leipzig (S. 49)
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Um Befreiung
Ein roter Helm schließt Glut und Qual
Das Neigen meines Kopfes ein.
Ich will gelöst und auch einmal
Besiegter dunklen Blutes sein.
Nicht immer nur zerpreßter Schrei,
In Fäuste eingekrampfte Gier,
Die schwere Welle geht vorbei
Und ärmer ruh ich dann bei mir.
Entstraffung, Wildheit, jäher Schwung -
Verhaltene Bäche stürzen los,
O du Erwachen, heiß und jung,
Die Welt ist weit und namenlos . . .
Aus: Elisabeth
Janstein Gebete um Wirklichkeit Gedichte
1919 Verlag Ed. Strache Wien Prag Leipzig (S. 50)
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Lied von der Sehnsucht
Sehnsucht, o ein Blütenblatt,
Das im Winde fliegt.
Sehnsucht, Baum der Abend hat
Und sich stumm genügt.
Sehnsucht, Duft der fremden Frau,
Die sich zärtlich neigt,
Sehnsucht, Reiher, der ins Blau
Schmal und silbern steigt.
Sehnsucht, helles Braun vom Kahn,
Das die Sonne küßt,
Sehnsucht, Hand, die aufgetan
Und voll Süße ist . . .
Aus: Elisabeth Janstein Gebete um Wirklichkeit Gedichte
1919 Verlag Ed. Strache Wien Prag Leipzig (S. 51)
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Liebe
Du hast mich gut und zart gemacht,
Nun weiß ich nicht mehr, wie ich war.
Ich bin voll Wandlung aufgewacht,
Du hast mich schön und zart gemacht.
Für mich sind Dinge atmend da
Und dringen wachsend in mein Herz,
Die mein verhangenes Aug nie sah.
Nun sind sie groß und leuchtend da.
O meine Hände, die du liebst,
Sagt, wart ihr ehmals auch so weich?
Haar, dem du süße Namen gibst,
Ich bin nur schön, weil du mich liebst.
Du hast mich gut und zart gemacht.
Tag, der erhellt, voll Gaben ist,
O Staunen süß durchwachter Nacht,
Du hast mich schön und zart gemacht.
Aus: Elisabeth
Janstein Gebete um Wirklichkeit Gedichte
1919 Verlag Ed. Strache Wien Prag Leipzig (S. 52)
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In der Dämmerung
Leise, leise geht der Tag
Aus erloschenem Raum.
Dunkler, samtener Flügelschlag
Von ersehntem Traum.
Fester, fester halt ich dich
An mein starkes Blut.
Alles neigt und ebnet sich
Unter deiner Hut.
Kräfte steigen grenzenlos
Auf aus deinem Ruhn.
Lächelst du in meinem Schoß
Kann ich Wunder tun.
Leise, leise geht der Tag
Aus erloschenem Raum.
Und mit samtenem Flügelschlag
Kommt ersehnter Traum . . .
Aus: Elisabeth Janstein Gebete um Wirklichkeit Gedichte
1919 Verlag Ed. Strache Wien Prag Leipzig (S. 53)
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Gestern Abend
Auf einmal - in Warten voll Dunkel und Enge
Pochen ans Fenster, o Herz, flieg auf.
Sturmwind, zitterndes, heißes Gedränge
Türmt sich zu goldenen Wolken hinauf.
Auf einmal - gerettet aus Finsternissen
Erblüht ein Lächeln und öffnet sich.
Sehnsucht, Erkenntnis und Suchenmüssen
Verweht, entglitten, ich weiß nur dich.
Aus: Elisabeth
Janstein Gebete um Wirklichkeit Gedichte
1919 Verlag Ed. Strache Wien Prag Leipzig (S. 54)
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Sanfte Bitte
Leise, leise komm gegangen,
Daß mein Blut den Schritt nicht weiß.
Denn ich will nicht mehr Verlangen
Aufgestört und heiß.
Löse dich vom blauen Fenster
Zart, wie eine Blüte los
Und ich nehme dich beglänzter,
Stumm in meinen Schoß . . .
Aus: Elisabeth Janstein Gebete um Wirklichkeit Gedichte
1919 Verlag Ed. Strache Wien Prag Leipzig (S. 55)
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Du
So kamst du über Berge,
Hinter denen die Sonne stand:
Erdverwoben,
Aus tausend Geheimnissen dunkelnden Waldes
Freudig geboren.
Vögel flogen in wilder Vertraulichkeit
Das Bergauf deines Weges,
Spinnenetze erzitterten deine Ankunft,
Demütiges Moos bog sich dem fordernden Schritt.
So kamst du über Berge
Hinter denen die Sonne stand
In die wartenden Arme brauner Nacht,
Meiner Nacht.
Endlosen Frühling in jungen Lippen,
Wilden Honigduft im Rhythmus des Körpers -
O heilige Rückkehr zu verlorenen Gütern:
Tränen und Erde . . .
Aus: Elisabeth
Janstein Gebete um Wirklichkeit Gedichte
1919 Verlag Ed. Strache Wien Prag Leipzig (S. 56)
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Gebete in die Sonne
O daß ich plötzlich Stimme bekäme,
Die vor Kraft anschwillt, wie die Traube vor Wein.
Daß eine Macht das Eingeengtsein,
Die Grenzen aus meinem Blute nähme,
Daß alle wüßten: Ich bin groß
Und schleudere meinen Willen in Speichen
Zermalmenden Rades, daß alle bleichen
Gesichter noch tiefer erbleichten
Und fühlten: O Kraft ist grenzenlos . . .
Daß ich plötzlich alle Weisheit bekäme,
Weisheit der Blume, der Tiere, des Windes,
Daß ich unverbaut, mit eines Kindes
Augen die Dinge in mich nähme,
Nicht mehr umgürtet von harten Bezirken
In Dünsten schwelender, dunkler Erfahrung,
Sehend und wissend. Voll Offenbarung,
Durchströmt von aller Kräfte Wirken.
O daß ich plötzlich Worte fände
Von weinender Süße alter Geigen,
Worte, die sich voll Zartheit neigen,
Worte, die wie Fackeln und Brände
Dunkel zerreißen, Abend zerspalten,
Seelen aufstaunend verwandeln lassen,
Alle Geliebtheit, Trauer und Hassen
Durchscheinend wie Glas gegen Sonne halten -
O daß ich plötzlich Sinn bekäme . . .
Aus: Elisabeth
Janstein Gebete um Wirklichkeit Gedichte
1919 Verlag Ed. Strache Wien Prag Leipzig (S. 84)
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Liebe
Demütig will ich sein und dienen?
Sind Wünsche, die wie Flammen schienen,
Vor diesem einen Wunsch verweht?
Das Haupt, das sich in Wolken wähnte
Und aller Taten Krone sehnte,
Das jetzt im Sturm der Liebe steht -
Die Hände, die sich zornig ballten
Um Schwert und Fahnenschaft zu halten,
Sind wie ein Becher aufgetan.
Wann steigt dein Durst zu meinem nieder,
Wann beugst du langsam deine Glieder
Und fängst voll Lust zu trinken an?
Aus: Elisabeth
Janstein Die Landung Gedichte
München 1921 Drei Masken Verlag (S. 20)
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Der Ruf
Dezembernacht, - o eisige Vermählung
Des Sturmes mit der nackten, heißen Brust!
Wort, werde groß, erzittere vor Beseelung,
Ich habe dich im tiefsten Traum gewußt.
Mit einem Male bricht das Sagenmüsen
Aus dieser Stunde Glut und Raserei.
Liegst du, mein Träumender, an Lavaflüssen?
Ich schreite fremd an deinem Schlaf vorbei.
Ich weiß, dein Schlummer hält noch zarte Brüste
In blutdurchpochter Hand - du atmest tief.
Noch weißt du nicht, daß mich zu ferner Küste
Ein Wort aus starren, blauen Welten rief.
Siehst du die zackigen Gebirge drohen?
Noch hast du dein Alleinsein nicht erkannt.
Von deiner Seite in die Nacht geflohen
Bin ich der Wolke und dem Sturm verwandt.
Aus: Elisabeth Janstein Die Landung Gedichte
München 1921 Drei Masken Verlag (S. 21-22)
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In einer Gewitternacht
Gewitternacht - auf dem Firmament
Ziehn Löwen, die sich laut und knurrend jagen.
O Sehnsucht, die in steilen Flammen brennt,
Wie soll ich diese Glut zu Ende tragen?
Aus jedem Stein, aus Strauch und Blume quillt
Dein Angesicht - will ich das Auge schließen,
So trägt ein Purpurmeer das gleiche Bild
An mir vorbei, vertausendfacht im Fließen.
Dein Wille griff - der Bogen war gespannt,
Daß sich das Holz verbog, die Sehne klagte -
Und immer noch bog frevelnd deine Hand
Im Spiel, was keine sonst im Kampfe wagte -
Bis sich der Pfeil mit einem Mal besann
Und abstieß mit des Vogelflügels Schwirren.
Und eines Wunden Klage hörte man
Aus weiter Ferne durch die Kronen irren.
So leuchte, Blitz, o knattere nieder, Sturm!
Das Segel ist geschwellt zu wilden Fahrten.
Die Seele, stumm und einsam wie ein Turm,
Dem sich im Graun der Nächte Wunder offenbarten,
Hält ihre Ewigkeit zu Mond und Stern.
Von Wolken eingehüllt, gewiegt von Winden,
Wird ihr Erlittenes seltsam sanft und fern,
Wie gütige Greise uns das Alter künden.
Du Schmerzensbild, umweintes Traumgesicht,
Das mich durch Durst und fahle Wüsten hetzte,
Ich bin es noch - und bin es wieder nicht,
Der sich in Gram und Fieberwind zerfetzte.
Noch brennt der Feuerküsse Bacchanal
Auf meinen Lippen, wund von solchen Küssen -
Und doch fließt alles Leid und alle Qual
Wie Frühlingsschnee vorbei auf dunklen Flüssen.
Aus: Elisabeth Janstein Die Landung Gedichte
München 1921 Drei Masken Verlag (S. 26-28)
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Biographie:
http://de.wikipedia.org/wiki/Elisabeth_von_Janstein
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