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Agnes Kayser-Langerhannss
(1818-1902)
Verzeichnis der Gedichte:
An die Geliebte
Nimm die Blumen, nimm sie, Holde,
Wind' um's Haupt den bunten Kranz,
Voller glüht jetzt jede Dolde,
Schmückend deiner Locken Glanz.
Küßt ein Zweig von weißem Flieder
Deiner Wangen ros'ge Gluth,
Trägt der Wind ihn auf und nieder,
Gönnt ihm nicht, daß dort er ruht.
Was der Wind dem Zweig verwehret,
Eines Kusses sel'ges Glück,
Ob mich Sehnsucht auch verzehret,
Mir versagt's der strenge Blick.
Wie die Glöckchen leicht sich heben!
Und dem Kelch die Knosp' entquillt! -
Trunken sind sie, süßes Leben,
Ganz von deinem Reiz erfüllt!
Möchte zürnen diesen Blüthen,
So belebt und ich so arm,
Heilung kannst nur du mir bieten
Von der Seele bitterm Harm.
Was dem Kranze du gewähret,
Den du nahmst in heiterm Spiel,
Dein zu sein, ach! dies begehret
Heiß mein Herz, als schönstes Ziel.
(S. 8-9)
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Die kalte Schöne
Es verlocket zur Freude manch freundlicher Tag,
Wenn im Winter die Sonne erhellt das Gemach,
Vor dem Fenster die funkelnden Blumen sie thaut,
Und ein jeder verlangend, voll Sehnsucht sie schaut.
Mag sie golden erglänzen aus himmlischem Blau,
Mag sie schmelzen und küssen den Schnee auf der Au,
Mag sie spielen mit flimmernden Sternchen am Strauch,
Sie erwärmt nicht und sendet nur schimmernden Hauch.
Wenn sie schließet die Augen, entströmet der Nacht
Ohne Mitleid die Kälte mit doppelter Macht,
Wenn sie strahlet am Morgen, kein Blümchen erweckt,
Bleiben fürchtend den Frost, in dem Laube versteckt.
So nun prangest du, Mägdlein, mit Reizen geschmückt,
Und dein Auge, ob glänzend, ob lächelnd es blickt,
Ob so klar deiner Lippe die Rede entfließt,
Keine Wärme beglückend der Seele entsprießt.
Du erregst nicht Gefühle, die Blüthen der Brust,
Du erregst nicht das Inn're zu wonniger Lust,
Und das Herz bleibet öde vom Schmerze getrübt,
Es beseligt nur wahrhaft die Seele, die liebt.
Aus dem Geiste entferne das Wintergewand!
Wie die Sonne im Frühling erquicket das Land,
Wenn durch wärmendes Licht jede Knospe erblüht,
So nur Schönheit begeistert durch Herz und Gemüth.
(S. 10-11)
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Liebesglück
Wenn im bleichen Mondenschein die Rose
Lächelnd sich an ihre Schwester schmiegt,
Und die Nachtigall bei dem Gekose
Sich auf ihren duft'gen Zweigen wiegt.
Leuchtend glüh'nde Käfer sie umgaukeln,
Nippend von der Blumen Abendtrank,
Schmetterlinge sich auf Lüft'chen schaukeln,
Horchend auf der Wellen Geistersang.
Sylf' und Elf sich aus den Lilien beugen,
Weil der Mondstrahl ihre Zell' berührt,
Und den Silberpfad zu ihm ersteigen,
Der zurück zur Erde wieder führt.
Wenn die zarte blaue Glockenblüthe,
Solchen Abend läutet ein zur Ruh,
Und beseligend, ein heil'ger Friede,
Blickt aus jedem Sternenaug mir zu:
Eil ich hin zum dichten, grünen Haine,
Wo geschäftig Leben sich noch regt,
Und der Baum, umspielt von lichtem Scheine,
Hoch die dunkle Blätterkrone trägt.
Wo versteckt die stille kleine Hütte,
Die der Epheu schützend fest umschlingt -
Dorthin lenk' ich sehnsuchtsvoll die Schritte,
Seh' das Licht, das durch das Fenster blinkt.
An der Schwelle kommt sie mir entgegen,
Beut die Hand, die weiche, hold mir dar,
Und es strömt der Liebe reichster Segen
Nieder auf ein still beglücktes Paar.
(S. 12-13)
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Verlorene Liebe
Es ist so öd' in meiner Brust,
Als wär auf ewig ihr entschwunden
Das ird'sche Glück und alle Lust,
Die sie belebt in süßen Stunden.
Das Auge sucht, an Thränen arm,
Weil langes Weh sie weggetrunken,
Den kühlen Grund, wo aller Harm
Zur tiefsten Ruh hinabgesunken.
Die Welt, die einst mich angelacht,
Sie scheint mir wüst an allen Orten,
Seitdem in finstrer Sturmesnacht,
Die Blumen meiner Lieb' verdorrten.
(S. 15)
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Der Geliebten Augen
Ihr Sterne prangt am Himmelszelt,
Wähnt schön allein zu sein,
Ich kenn' zwei and're auf der Welt,
Mit milderm Glanz und Schein.
Ihr lockt durch eure ferne Pracht
Nur Sehnsucht in die Brust,
Wenn dieses Sternenpaar mir lacht,
Wird jedes Lied zur Lust.
(S. 18)
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Der Geliebten Thränen
Sah'st du die Tropfen an den grünen Zweigen,
Wenn warmer Regen mild die Flur getränkt?
Sahst du die zarten Halme tief sich neigen,
Wenn Perl' an Perle in den Kelchen hängt?
Und wenn die Morgensonne hoch erglühet,
Sah'st du den Thau erhellt von ihrem Schein?
Auf jede Blume, in der Nacht erblühet,
Strömt Farbenpracht in aller Fülle ein.
Doch mag die Erde wundervoll auch prangen,
Wenn Himmels-Thräne auf sie niederthaut,
Mir scheint die Thräne auf der Liebsten Wangen,
Der schönste Thau, der jemals ward geschaut.
(S. 19)
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Der Liebe Schmerz
Es hat sich mit funkelndem Schleier geschmückt
Die einsame, schweigende Nacht,
Hab' trostlos zum schimmernden Glanze geblickt,
Wie freundlich er immer auch lacht.
Verloren ging mir seit lange die Ruh,
Euch raubet nicht Kummer die Pracht,
O, schließet die Augen, die goldenen zu,
Für mich ist ihr Strahl nicht erwacht.
Die Augen, sie waren einst hell mir und schön,
Sie hatten gar glänzenden Schein,
Da sah ich den sonnigen Morgen ersteh'n,
Und schaute zu lange hinein.
Jetzt sind sie verdunkelt, o Nacht, sind wie du,
Wenn Wolken und Sturm dich umweh'n,
Die goldenen Augen, o schließe sie zu,
Laß nicht in die Sonne sie seh'n.
(S. 20)
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Abschiedsgruß
Stets werd' ich Dein gedenken,
Wenn Gruß die Sonne bot,
Wenn Feuerrosse lenken,
Sie hin zum Abendroth.
Wenn Sterne droben ziehen,
Und Nacht auf dunkler Fluth,
Wenn leuchtend Käfer glühen,
Verhüllt die Blume ruh't.
Wenn Nymphen tanzend schweben,
Am Quell und Flur im Reih'n,
Wenn tausend Schatten weben,
Im blassen Mondenschein.
Wie gern möcht' ich Dir schenken,
Was Glück dem Menschen beut,
Kann nichts, als Dein gedenken,
Will's, bis in Ewigkeit.
(S. 23)
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Der ersehnte Gruß
Glänzend hob sich die Sonne empor,
Gülden eröffnet der Morgen das Thor,
Ach, wie erfreute mich immer ihr Licht,
Heut' ist es leuchtend, doch wärmet es nicht.
Theurer, Du hast wol an mich nicht gedacht?
Lüftchen, es hat keine Grüße gebracht,
Zog's auch an thauiger Blüthe vorbei,
Flüstert im Flug nicht, daß Du mir getreu.
Hab' doch so lange die Blumen gepflegt,
Liebende Sorgfalt für alle gehegt,
Thörichte Blümlein, nun sagt ihr mir nicht,
Was vom Geliebten der Zephyr euch spricht?
(S. 24)
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Das Reich der Poesie
Weit liegt es ab, das vielgepries'ne Land,
Von allem Lärm, und fern von ird'schem Treiben,
Wer d'rin geweilt, er fühlet sich verwandt
Der Gottheit, ach! und muß im Staube bleiben.
Doch klage nicht, es bleibt dir ja die Zeit,
Wo zu den Sternen du empor getragen,
Wo dir im Himmel, schrankenlos, befreit,
Das glüh'nde Herz am Schöpfungsquell wird schlagen.
Dort ist es, wo ein Zauberreich erglänzt,
Am Stuhl der Zeit die Sage spinnt und webet,
Die Phantasie, vom bunten Schmuck umkränzt,
Zum höchsten Ziel im kühnen Flug entschwebet.
Die Liebe baut sich auf der Herrschaft Thron,
Sie greift in's Schicksal, schreibt der Welt Gesetze,
Und stricket lächelnd, der Vernunft zum Hohn,
Das stärkste Herz in ihre Rosennetze.
Die Schönheit, Tugend, alles Große lebt
In jenes Reiches immer grünen Auen,
Der Seele Kampf, wie sich der Geist erhebt,
Im Ideal ist's herrlich dort zu schauen.
Für allen Schmerz wird Trost und Ruh' ertheilt,
Der wilde Drang des Busens findet Frieden;
Der Zukunft banger Zweifel wird geheilt,
Und statt der Thränen wird die Lust beschieden.
Zwar selten wird die hohe Gunst gewährt,
Das schöne Land als Heimath zu begrüßen,
Doch, wenn die Brust voll Sehnsucht zu ihm kehrt,
Wird es ihr stets Beseligung erschließen.
Ja, wohl dem Geist, der dort den Wohnsitz fand,
Er lebt und wirkt, ob das Geschlecht verschwindet,
Auch seine Kränze blühn in jenem Land,
Wenn auch die Mitwelt sie ihm nimmer windet.
(S. 43-44)
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Verlangen
Dein Augenpaar, mir däucht's ein klarer Bronnen
Mit reichen Schätzen tief in seinem Grunde,
Der edle Blick verräth mir selten Kunde,
Wie ich auch rang, noch hab' ich nichts gewonnen.
Dein Augenpaar, mir däucht's wie gold'ne Sonnen,
Die leuchtend an des Himmels fernem Runde,
Mit höhern Sphären in dem sel'gen Bunde,
Wie heil'ger Schein dem ird'schen Kreis entronnen.
In Demuth wagt' ich auf zu dir zu schauen,
Und wie die Quelle Durst'gen Labung spendet,
Gab'st Frieden du erregtem, heißem Triebe.
Nun wag' ich mehr, o kröne mein Vertrauen,
Nicht Glanz allein, auch Gluth die Sonne sendet,
Du strahltest Licht, nun gieb mir deine Liebe!
(S. 143)
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Der Liebsten zur Beruhigung
Du denkst an mich und wähntest, wenn ich ferne,
Vergäß ich dein, mich drängten andre Dinge;
O, süßes Mädchen, was ich auch vollbringe,
Es ist für dich, wie alles, was ich lerne.
Ja, wüßtest du, daß selbst das Schwerste gerne,
Seit du mich liebst, ich frischen Muth's erringe,
Du wär'st beglückt, und, daß es mir gelinge,
Folg' ich dir nach, wie Schiffer ihrem Sterne.
Weit ist der Weg, bevor du zu erreichen,
Viel Mühen giebt's, Gefahren zu bestehen,
Die leichten Sinn's mir sonst unmöglich schienen.
Doch denk' ich d'ran, du wirst mir ganz zu eigen,
Möcht' ich die Kämpfe doppelt noch erhöhen,
Den großen Einsatz würdig zu verdienen.
(S. 145)
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Der Liebe Macht
Des Daseins Kämpfe drückten meine Seele,
Sie traten überall mir rauh entgegen,
Wenn ich begann mich frei und froh zu regen,
Erkannt' ich, daß ich oft im Irrthum fehle.
Und, wie ich nun verwirrt, gepeinigt wähle,
Bald dieses will, bald jenes überlegen,
Begegnet mir ein Freund auf meinen Wegen,
Er lacht mich aus, daß ich mich selber quäle.
Nun war dem Zweifel freier Raum gegeben,
Sollt' ich mir selbst beim Thu'n und Handeln rathen?
Dem Zufall trau'n, der uns so leicht bemeistert?
Da fand ich dich und neu erschien das Leben,
Die Liebe klärt mein Wollen, meine Thaten,
Und, was ich schuf, gelang, durch sie begeistert.
(S. 146)
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Aus: Gedichte von
Agnes Kayser-Langerhannß
Berlin Verlag von E. H. Schroeder
Hermann Kaiser Unter den Linden 41 (1865)
Biographie:
Agnes Kayser-Langerhannss (geb. [1818] auf Schloss Heldrungen in
Thüringen), die Tochter eines Kriegsrates, eine sinnige in sich gekehrte
Natur, seit ihrem 9. Jahre poetisch tätig, vermält mit dem Sanitätsrate
Dr. Kayser in Naumburg, wo sie mit Poesie und Malerei beschäftigt lebt und
von wo sie sich von Zeit zu Zeit nach Dresden begibt oder grössere Reisen
(nach Italien, Frankreich, der Schweiz, Tirol, England und Schottland)
unternimmt.
Von ihren Dichtungen erschienen "Vermischte Gedichte" 1865 (3. Aufl.
1877), die Zeitgedichte "Bausteine für Strassburg" 1870 (5. Aufl. 1872),
"Gedichte, neue Folge" 1871 (2. Auflage 1874), die Novelle "Walsrose"
1867, das erzählende Gedicht "Das friedliche Tal im Kriege 1813" 1868 und
der schöne von E. Ph. Fleischer prächtig illustrierte Kyklos "Odin" 1880,
der die nordische Göttersage behandelt.
Aus: Deutschlands
Dichterinen und Schriftstellerinen
Eine literarhistorische Skizze zusammengestellt von Heinrich Gross
Zweite Ausgabe Wien Druck und Verlag von Carl Gerold's Sohn 1882 (S. 158)
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