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Julie Kruse
(1883-1944)
Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
Efeu und Immergrün
Und blasser Rosen Blühn
Um weißen Kreuzes Stein -
Und blasses Mondlichtleben
Dazu Seelenineinanderweben
Von uns Zwein -
Ein märchenschönes Beieinanadersein.
(S. 5)
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Du, sei nicht traurig, weil ich traurig bin
Und immer nur in's Dunkle schaue
Und nicht die Sonne seh,
Das helle Licht tut mir so weh an meinen Augen.
Weißt du, ich ging zu lange in dem dunklen Wald
Und konnte niemand um den Weg nach Hause fragen -
Und konnte meine schwere Last kaum tragen,
Bis ich ganz schwach am Wege niedersank -
Mich hungerte so sehr -
Da bist du den Weg gekommen
Und hast all meine Last von mir genommen -
Und hast mir Brot gegeben,
Das ich essen konnte -
Und hast den Arm um meinen Leib gelegt -
Und mich den Weg geführt
Aus dunklem Wald ins helle Tal.
Und willst nun immer mit mir geh'n?
Ich kann das helle Licht kaum seh'n
Und muß die Hand auf meine Augen legen.
Du - sei nicht traurig, weil ich traurig bin,
Ich will dir deine Last auch tragen,
Und will dir alle meine Schmerzen sagen -
Und meine Freude die bist du.
Oft ist es in mir wie ein tiefes Staunen,
Daß du nun bei mir bist.
Und meine Freude ist tief, ganz tief.
Nun will ich bei dir liegen
Und Ruhe soll uns weich umschmiegen,
Dann sind wir morgen stark zum Weiterwandern.
(S. 11-12)
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Maienduft und Sonnengold
Und Bienchensummen und Glockenrufen,
Denn heut ist Pfingsten.
Und ich sitz am Fenster in meinem weißen Kleid:
Und all das Sonnengold liegt auf mir.
Wie nanntest du mich in meinem weißen Kleid:
"Eine weiße Blüte"
Eine welkende Blüte - ach ja -
Die hatte ein Sonnenstrahl so früh geweckt
Und der Frühling ist nicht lang
Und der Flieder in der Vase welkt auch schon. -
Und heut ist Pfingsten - - -
(S. 17)
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O wie das kommt und geht und kommt und geht
In deiner Brust -
Ich will dich küssen -
Will dich nicht küssen,
Du Wonnigster von allen Wonnigen,
Weil du schlafen sollst -
Weil du so schön bist -
Und wir sind uns ja wieder so gut -
Und heut ist überall Sonnengold
Und - Pfingsten - -
(S. 18)
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Wenn du mich nicht gefunden hättest,
Matt - hilflos - einsam so auf meinem Wege -
Wo wär ich ohne dich wohl hingegangen? -
Das weiß ich nicht.
Nach Irgendwo -
Weit rein in die Welt
Und immer dich gesucht.
Ich wär aber allein gegangen
Und stark.
Nun sind wir eins geworden.
Das ist so süß, zu zweien geh'n
Und immer in das Licht rein sehn.
Ich hab dich lieb, du Lieber du. -
(S. 33-34)
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Ich will meine Augen rot weinen,
Weil deine um mich geweint haben.
Ewig soll mein Weh leben,
Darum, daß ich deinem Weh Leben gab.
Wie scharfe Messer soll mich das zerschneiden,
Und wenn mein Weh darum
Zu schwach ist zum Weinen,
Soll es scharf klingen
Aus meinem Lachen.
Ob ich lache oder weine -
Mein Leben soll eine Buße sein,
Darum, daß ich dich betrübte. -
(S. 36-37)
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Mein Herz, das war die Sonne,
Die hat alles hell gemacht.
Da blühten Bäume und Blumen,
Und da sangen die Vögel all.
Und als sie weggeschienen
All ihre Leuchtekraft,
Da ist sie kalt geworden,
Da starben die Blumen all.
Da sangen die Vögel nicht mehr,
Da wurdest du häßlich und kalt,
Herzsonne war gestorben,
Und unsre Liebe - alt. - -
(S. 37)
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Wenn unsre Leiber ein Leib werden,
Und unsre glühenden Seelen ineinander schmelzen,
Fühl ich die Schönheit unseres Seins auf Erden.
Wenn ich so krank in Decken und Kissen liege,
Gleicht meine Seele der Novembernacht. -
Dann kommst du in mein Dunkles wie die Morgensonne -
Du hast noch immer alles hell gemacht.
O wär ich immer krank,
Daß du mich pflegtest.
Doch will ich lieber auch eine Sonne sein
Und dir von meinem Lichte geben -
Strahlen von dir zu mir - von mir zu dir:
Das muß ein glühend ewiges Leben werden. -
(S. 40)
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Das ist das Seligste von allem Seligen,
Einen lieben Menschen so im Arm zu halten,
Sein Hauch kühlt mich an meinem Halse,
Und seine warme Kraft
Will all in meine strömen.
Und dieses Kommen, Gehen, Heben, Senken -
O das ist süß, sich einem andern schenken,
So ganz mit einem andern eines werden. -
(S. 42-43)
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Ich schlafe so gerne,
Am liebsten in eines andern Arm,
Den ich sehr lieb habe,
Das ist wie ein Traumgleiten
Ueber mondbeschienenen Schnee
In ein seltsames Land,
In das Land irgendwo.
Drin blühen Bäume und Sträucher und Blumen,
Die sehnen und lieben sich
Und singen das Lied
Ihrer Sehnsucht und Liebe.
O wundersüßes Traumgleiten
Ueber mondbeschienenen Schnee
In das Land meiner Träume und des Frühlings,
In das Land Irgendwo. -
(S. 48-49)
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Ich löste meinen Arm aus seinem Arm
Und jeder ging für sich - den Groll im Herzen -
Ich wollte die Welt nicht sehen -
Drum schloß ich meine Augen - ging wie eine Blinde
In meiner bitteren Not und Sehnsuchtsqual -
O banges Gehen in der Dunkelheit -
Da legte er leise seinen Arm um mich,
Und meine Augen wollten wieder sehen. -
Zwei glückliche Menschen gingen durch die weiße Winterwelt.
(S. 49)
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Ich hab dich bebend umschlungen,
Schreiend in meiner Liebe,
Doch du hast mich nicht hören, fühlen wollen,
Nun werd ich dich nie wieder lieben,
Die Blume, die für dich nur blühte,
Und die ich tränkte mit meinen Tränen,
Die mußte schnell eingehn,
Weil du sie nicht pflegtest,
Und ich kann nicht mehr weinen,
Darum ist sie tot.
Nun wirst du mich nie wieder finden -
Und liefst du um mich um die ganze Erde
Und suchtest mich auf allen Sternen -
Und würdest du mich finden,
Wär ich doch nicht dein.
Wenn du einst einsam gehst
Auf nie umblühten Wegen
Und sehnst dich nach der Blume,
Die für dich nur blühte,
Getränkt von meinen Tränen,
Und um dich verblühte,
So sehne dich
Und stirb in deiner Reue. -
(S. 60-61)
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Wie kalt bist du, Mai meines Lebens,
Auf Kirsch- und Mandelblüten liegt der Schnee -
Du bist so kalt und sturmwild
Und mich friert so -
Die jungen, grünen Blättchen der Kastanien,
Die hängen so gefaltet traurig nieder.
Ob all das junge Grün erfrieren muß,
Das mir ein Sonnenlächeln schenkte?
Ein frühes Sonnenlächeln, dem der Winter folgte?
Wie kalt bist du, Mai meines Lebens. -
(S. 66)
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Aus dir bin ich gewachsen
Birkenhoch,
Du tief dunkler
Erdboden meines Seins.
Aus dir quillt all
Mein süßes Birkenblut,
Das treibt so wild in mir,
Ich will noch höher wachsen.
Hoch, sonnenhoch
Will ich wachsen,
Mehr wie birkenhoch
Muß ich sein.
Den Bräutigam will ich küssen,
Meinen lieben Sonnenbräutigam.
Du brauchst nicht bange sein,
Dir bleib ich immer treu.
Bin doch von dir
Und du von mir.
Und wenn ich noch so hoch
Zu meinem Bräutigam will
Kann ich doch nie von dir,
Bin doch und will auch immer stolz sein,
Daß wir nur eines sind.
All meine kleinen Rauscheblättchen,
Die beben, zittern, rauschen nur von dir,
Und was sie rauschen,
Trägt der Wind weit fort.
Daß alle Sterne beben, zittern, nur von dir.
Doch muß ich zu dem Sonnenbräutigam,
Muß auch dein Dunkles zu dem Licht -
O das wird schön, wenn ich den Bräutigam küsse.
Dann feiert Licht und Dunkles
In mir seinen Hochzeitstag.
Nicht bange sein,
Dir bleib ich immer treu.
Ich war doch gestern, heut und morgen
Und immer deine liebe blasse
Und dunkeläugig wunderliche Schwankebirke. -
(S. 71-72)
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Hast du einen lieb gehabt,
Und immer nur an ihn gedacht,
Und immer soviel getan,
Und alles nur für ihn!
Und hast du einen angeschaut,
So heimlich, daß er's nicht sieht -
Und dann auch: O wenn er's doch säh!
Und hat er dich dann auch angeschaut,
Doch nie recht Zeit gehabt
Um dich zu lieben?
Dann kennst du die quälende Sehnsucht.
(S. 76)
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So an dir ruh'n,
Wenn du mich schlafend glaubst,
Ist viel zu süß und lieb,
Als daß ich schlafen möchte.
So an dir ruh'n,
Wenn du mich schlafend glaubst,
Und deine Augen sehen,
Deinen Duft einatmen
Und dich fühlen -
Ist wunschloses Glücklichsein.
Ich merk es kaum,
Wie tiefleise in mir
Atmet das Wehesein.
(S. 76-77)
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Wir sind beide einsam und verlassen,
Doch nicht arm - nicht arm an Liebe -
Dies ist mehr und inniger geworden -
Wie eine leuchtende Flamme leuchtet sie -
Wie eine heiße Flamme wärmt sie uns -
Was wir sind und sein werden,
Laß uns sein und werden
Durch die Liebe. -
(S. 99)
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Liegst du in meinem Arm
So nah an mir,
Und duftet mir so süß
Dein warmer Leib,
Und macht mich wild,
Mein Liebster liegt in meinem Arm.
*
Macht mich so wild
Dein süßer Duft,
Macht mich so still
Dein blaß Gesicht,
So sanft und ernst
Und lächelnd.
Tiefe, liebe Gedanken
Schlummern hinter deiner Stirn.
Mein Heiland liegt in meinem Arm.
*
Mein Heiland und mein Liebster sind bei mir,
Sie sind mir beide ein derselbe Mann,
Sie schlummern süßen Schlaf bei mir,
Daß ich mich nur nicht rege und ihn wecke.
*
Ist das so schön?
So nah bei mir? -
Merkst du,
Ich bin auch warm.
Darf ich dich einmal küssen?
Mein Christkindchen,
Mein Heiland und mein liebster Mann?
*
Liegt dir um deine Stirn
Der Dornenkranz?
Die spitzen Dornen
Meiner Häßlichkeiten?
Die stechen so -
Die tun dir weh -
Nie will ich dir wieder wehe tun!
Du sollst nicht bluten -
Christkind -
*
Ein Bäumchen hatte ich dir angesteckt,
Ich weinte so, weil du mir garnicht kamst,
Nun bist du doch gekommen
Und schläfst bei mir -
Mein Christkind, Heiland,
Lieber, süßer Mann. -
(S. 103-105)
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Ich möchte dir so gern was Liebes sagen,
Daß jeden Tag die Sonne wärmer scheint,
Und daß die Vögelchen immer süßer singen,
Und daß der liebe Frühling nicht mehr weit ist -
Ich möchte dir das Allerliebste sagen,
Doch weiß ich garnichts Lieberes als dies:
Ich möchte, daß der liebe Frühling bald kommt,
Und ich möcht auch so gern mal bei dir sein.
(S. 107-108)
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Aus: Julie Kruse
Frühwinter Gedichte 1912
Druck bei Robert Schumann Hoflieferant Cöthen-Anh.
Biographie:
Kruse Julie (Mädchenname und Ps. für Julie Röttger)
Geboren 31. 08. 1883 in Iserlohn, gestorben 1944 in Bethel bei Bielefeld.
Volksschullehrerin. 1908 Heirat mit dem Lehrer und Schriftsteller Karl
Röttger.
1909 Übersiedlung nach Berlin. Zugehörigkeit zum literarischen Kreis des
"Charon" und des Schriftstellers Otto Zur Linde, lebte seit 1914 in der
Heil- und Pflegeanstalt Marburg, später in Bethel.
Schriften:
Julchen. Ein Buch vom kleinen Leben 1910;
Frühwinter. Gedichte 1912;
Gesänge der Einsamkeit 1921.
Aus: Deutsches
Literatur-Lexikon
Biogr.-bibliograph. Handbuch. Begründet von Wilhelm Kosch
Dritte völlig neu bearbeitete Auflage
Francke Verlag Bern München 1984
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