Else Lasker-Schüler (1869-1945) - Liebesgedichte




Else Lasker-Schüler
(1869-1945)

 

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 



Sinnenrausch

Dein sünd'ger Mund ist meine Totengruft,
Betäubend ist sein süßer Atemduft,
Denn meine Tugenden entschliefen.
Ich trinke sinnberauscht aus seiner Quelle
Und sinke willenlos in ihre Tiefen,
Verklärten Blickes in die Hölle.

Mein weißer Leib erglüht in seinem Hauch,
Er zittert, wie ein junger Rosenstrauch,
Geküßt vom warmen Maienregen.
- Ich folge Dir ins wilde Land der Sünde
Und pflücke Feuerlilien auf den Wegen.
- Wenn ich die Heimat auch nicht wiederfinde. -
(S. 10)
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Liebe

Weißt du, daß du gefesselt liegst
In meiner wilden Phantasie . . .
Damit du mich mit Küssen besiegst
In den schwarzen Nächten, in der Dämm'rung früh.

Weißt du, wo die Anemonen stehn
Rotfunkelnd, wie ein Feuermeer . . .
Ich hab' zu tief in die Kelche gesehn
Und lasse die Sünde nimmermehr.

Und wäre sie noch so thränenreich -
Und stürbst du in meiner sengenden Glut . . .
Meine Hölle verbirgt dein Himmelreich,
Und zerschmelzen sollst du in meinem Blut.
(S. 11)
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Trieb

Es treiben mich brennende Lebensgewalten,
Gefühle, die ich nicht zügeln kann.
Und Gedanken, die sich zur Form gestalten,
Sie greifen mich wie Wölfe an.

Ich irre durch duftende Sonnentage . . .
Und die Nacht erschüttert von meinem Schrei.
Meine Lust stöhnt wie eine Marterklage
Und reißt sich von ihrer Fessel frei.

Und schwebt auf zitternden, schimmernden Schwingen
Dem sonn'gen Thal in den jungen Schoß,
Und läßt sich von jedem Mai'nhauch bezwingen
Und giebt der Natur sich willenlos.
(S. 11)
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Kismet

Der Sturm pfeift über ein junges Haupt
Und zerschlägt die Götter, an die er geglaubt,
Und die gold'nen Märchen vom Glücke. -
Sein holdes Liebchen liegt unter dem Moos.
Der Tod erstarrte erbarmungslos
Die sonnigen Kinderblicke. -

Die Nachtviolen singen ein Lied,
Wenn wie Himmelsbrand das Abendrot glüht.
- Es klingt wie Engelchoräle; -
Und das Lied durchzittert die nächtliche Luft;
Es bringt ihm Grüße aus ihrer Gruft -
Und zerreißt seine schluchzende Seele. - - -
(S. 12)
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Brautwerbung

Ihr kennt ja All' die Liebe nicht
Die in mir glüht, die in mir stürmt
Wie unerfüllte Weltenpflicht.
Das Feuer hat sich aufgetürmt
In meiner Seele Einsamkeit
Und brennt wie Steppenbrand.

Du! mit dem roten jungen Mund . . .
Du weichst zurück in banger Scheu?
Und nennst mein Fühlen ungesund.
Es blieb dem tiefen Drang getreu
Dem Mittage der Frühlingszeit
Im Sonnenland.

Du! mit den Augen jugendcharme . . .
Du schlägst sie nieder angsterfüllt?
Und fürchtest, daß mein Flammenarm
Dich an sich reißt in Nächten wild.
Nimm dir zum Schatz den Erdenmann
Ihn friert selbst in der Sonne Glut.

Du! mit den Wangen südenbraun . . .
Du zitterst wie die Frühlingsflur,
Auf deinem Leibe will ich bau'n
Den roten Garten der Natur
Und pflanzen all die Sehnsucht an
Aus meinem ungestümen Blut.
(S. 14)
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Sehnsucht

Mein Liebster, bleibe bei mir die Nacht
Ich fürchte mich vor den dunklen Lüften.
Ich hab' so viel Schmerzliches durchgemacht
Und Erinnerung steigt aus den Totengrüften.
Ich fürchte mich vor dem Heulen der Stürme
Und dem Glockengeläute der Kirchentürme
Vor all' den Thränen, die heimlich fließen
Und sich über meine Sehnsucht ergießen.

Leg' deine Arme um meinen Leib,
Du mußt ihn wie dein Kind umfassen; -
Ich seh' im Geiste ein junges Weib -
Das Weib bin ich - von Gott verlassen . . .
Mein Liebster, erzähle von heiteren Dingen!
Und ein Lied von Maienlust mußt du singen!
Und herzige Worte und schmeichelnde sagen . . .
Damit sie die Raben des Schicksals verjagen.

Mein Liebster, siehst du die bleichen Gespenster?
Von mitternächtlichen Wolken getragen . . .
Sie klopfen deutlich ans Erkerfenster.
Ein Sterbender will "Lebewohl" mir sagen.
Ich möchte ihm Blüten vom Lebensbaum pflücken . . .
Und die Schlingen zerreißen, die mich erdrücken!
Mein Liebster, küsse, - küß' mich in Gluten
Und laß deinen Jubelquell über mich fluten!
(S. 15-16)
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Phantasie

Ich schlummerte an einem Zauberbronnen
Die Nacht - und träumte einen stillen Traum -
Von Sternenglanz und Mondenblässe
Und silberhellem Wellenschaum.
Von dunkler Schönheit der Cypresse
Und von dem Glühen deiner Augensonnen.

Der Neumond kann sich nicht vom Morgen trennen -
Ich hör' ihn mit den jungen Faunen scherzen. -
Im Thale blühen heiße Purpurrosen
Und Lilien, andachtsvoll wie heil'ge Kerzen
Und sonnenfarbig, goldene Mimosen
Und Blüten, die wie meine Lippen brennen . . .
(S. 16)
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Die schwarze Bowanéh

(Die Göttin der Nacht)
(Zigeunerlied)

Meine Lippen glühn
Und meine Arme breiten sich aus wie Flammen!
Du mußt mit mir nach Granada ziehn
In die Sonne, aus der meine Gluten stammen . . .
Meine Ader schmerzt
Von der Wildheit meiner Säfte,
Von dem Toben meiner Kräfte.

Granatäpfel prangen
Wie die heißen Lippen der Nacht.
Rot, wie die Liebe der Nacht!
Wie der Brand meiner Wangen.

Auf dem dunklen Schein
Meiner Haut schillern Muscheln auf Schnüre gezogen.
Und Perlen, von sonnenfarb'gem Bernstein
Durchglühn meine Zöpfe wie Feuerwogen.
Meine Seele bebt,
Wie eine Erde bebt und sich aufthut
Dürstend nach Luft! nach säuselnder Flut . . .

Heiße Winde stöhnen
Wie der Odem der Sehnsucht . . .
Verheerend, wie die Qual der Sehnsucht . . .
Und über die Felsen Granadas dröhnen
Die Lockrufe der schwarzen Bhowanéh!
(S. 19)
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Meine Schamröte

Du! Sende mir nicht länger den Duft,
Den brennenden Balsam
Deiner süßen Gärten zur Nacht.
Auf meinen Wangen blutet die Scham
Und um mich zittert die Sommerluft.

Du . . . wehe Kühle auf meine Wangen
Aus duftlosen, wunschlosen
Gräsern zur Nacht.
Nur nicht länger den Hauch deiner sehnenden Rosen,
Er quält meine Scham.
(S. 21)
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Ein Syrinxliedchen

Die Palmenblätter schnellen wie Viperzungen
In die Kelche der roten Gladiolen
Und die Mondsichel lacht
Wie ein Faunsaug' verstohlen.

Die Welt hält das Leben umschlungen
Im Strahl des Saturn
Und durch das Träumen der Nacht
Sprüht es purpurn.

Wir wollen uns im Schilfrohr
Mit Binsen aneinander binden.
Und mit der Morgenröte Frühlicht
Den Süden unserer Liebe ergründen.
(S. 22)
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Chaos

Die Sterne fliehen schreckensbleich
Vom Himmel meiner Einsamkeit,
Und das schwarze Auge der Mitternacht
Starrt näher und näher.

Ich finde mich nicht wieder
In dieser Todverlassenheit,
Mir ist: ich lieg von mir weltenweit
Zwischen grauer Nacht der Urangst.

Ich wollte, ein Schmerzen rege sich
Und stürze mich grausam nieder
Und riss mich jäh an mich;
Und es lege eine Schöpferlust
Mich wieder in meine Heimat
Unter der Mutterbrust.

Meine Mutterheimat ist seeleleer,
Es blühen dort keine Rosen
Im warmen Odem mehr. -
. . .  Möchte einen Herzallerliebsten haben!
Und mich in seinem Fleisch vergraben.
(S. 22-23)
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Eifersucht

Denk' mal: wir beide
Zwischen feurigem Zigeunervolk
Auf der Haide.
Ich zu deinen Füssen liegend,
Du, die Fiedel spielend,
Meine Seele einwiegend
Und der brennende Steppenwind
Saust um uns!

. . . Aber die Mariennacht verschmerz' ich nicht . . .
Die Mariennacht!
Da ich dich sah
Mit der Einen . . .
Wie duftendes Schneien
Fielen die Blüten von den Bäumen.
Die Mariennacht verschmerz' ich nicht . . .
Die blonde Blume in deinen Armen nicht!
(S. 23)
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Nervus erotis

Dass uns nach all der heissen Tagesglut
Nicht eine Nacht gehört . . .
Die Tuberosen färben sich mit meinem Blut.
Aus ihren Kelchen loderts brandrot!

Sag mir, ob auch in Nächten deine Seele schreit,
Wenn sie aus bangem Schlummer auffährt,
Wie wilde Vögel schreien durch die Nachtzeit.

Die ganze Welt scheint rot,
Als ob des Lebens weite Seele blutet.
Mein Herz stöhnt wie das Leid der Hungersnot,
Aus roten Geisteraugen stiert der Tod.

Sag' mir, ob auch in Nächten deine Seele klagt
Vom starken Tuberosenduft umflutet,
Und an dem Nerv des bunten Traumes nagt.
(S. 24)
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Das Lied des Gesalbten

Zebaoth spricht aus dem Abend:
Verschwenden sollst Du mit Liebe!
Denn ich will Dir Perlen meiner Krone schenken,
In goldträufelnden Honig Dein Blut verwandeln
Und Deine Lippen mit den Düften süsser Mandeln tränken.
Verschwenden sollst Du mit Liebe!
Und mit schmelzendem Jubel meine Feste umgolden
Und die Schwermut, die über Jerusalem trübt,
Mit singenden Blütendolden umkeimen.
Ein prangender Garten wird Dein Herz sein,
Darin die Dichter träumen.
O, ein hängender Garten wird Dein Herz sein,
Aller Sonnen Aufgangheimat sein,
Und die Sterne kommen, ihren Flüsterschein
Deinen Nächten sagen.
Verschwenden sollst Du mit Liebe!
Tausend greifende Aeste werden Deine Arme tragen
Und meinem Paradiesheimweh wiegende Troste sein.
(S. 25)
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Sulamith

O, ich lernte an Deinem süssen Munde
Zu viel der Seligkeiten kennen!
Schon fühl' ich die Lippen Gabriels
Auf meinem Herzen brennen,
Und die Nachtwolke trinkt
Meinen tiefen Cederntraum.
O, wie Dein Leben mir winkt,
Und ich vergehe
Mit blühendem Herzeleid!
Und verwehe im Weltraum,
In Zeit,
In Ewigkeit,
Und meine Seele verglüht in den Abendfarben
Jerusalems.
(S. 26)
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Fieber

Es weht von deinen Gärten her der Duft,
Wie trock'ner Südwind über mein Gesicht.
O, diese heiße Not in meiner Nacht!
Ich trinke die verdorrte Feuerluft
Meiner Brände.

Aus meinen schlummerlosen Augen flammt
Ein grelles, ruheloses Licht
Wie Irrlichtflackern durch die Nacht.
Ich weiß, ich bin verdammt,
Und fall' aus Himmelshöh'n in deine Hände!
(S. 26)
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Sterne des Fatums

Deine Augen harren vor meinem Leben
Wie Nächte, die sich nach Tagen sehnen,
Und der schwüle Traum liegt auf ihnen,
Unergründet.

Seltsame Sterne starren zur Erde,
Eisenfarb'ne mit Sehnsuchtsschweifen,
Mit brennenden Armen, die Liebe suchen
Und in die Kühle der Lüfte greifen.

Sterne in denen das Schicksal mündet.
(S. 27)
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Herzkirschen waren meine Lippen beid'

Ach, ich irre wie die Todsünde
Über wilde Haiden und Abgründe,
Über weinende Blumen im Herbstwind,
Die dicht von Brennesseln umklammert sind.

Herzkirschen waren meine Lippen beid' . . .
Ich suchte ihn im Abend, in der Dämmerung früh,
Und trank mein Blut und meine Süßigkeit.

Der Schatten, der auf meiner Wange glüht,
Wie eine Trauerrose ist er aufgeblüht
Aus meiner Seele Sehnsuchtsmelodie.
(S. 28)
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Frühling

Wir wollen wie der Mondenschein
Die stille Frühlingsnacht durchwachen,
Wir wollen wie zwei Kinder sein,
Du hüllst mich in Dein Leben ein
Und lehrst mich so, wie Du, zu lachen.

Ich sehnte mich nach Mutterlieb'
Und Vaterwort und Frühlingsspielen,
Den Fluch, der mich durch's Leben trieb,
Begann ich, da er bei mir blieb,
Wie einen treuen Feind zu lieben.

Nun blühn die Bäume seidenfein
Und Liebe duftet von den Zweigen.
Du musst mir Mutter und Vater sein
Und Frühlingsspiel und Schätzelein!
- - Und ganz mein Eigen . . .
(S. 35-36)
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Urfrühling

Sie trug eine Schlange als Gürtel
Und Paradiesesäpfel auf dem Hut,
Und meine wilde Sehnsucht
Raste weiter in ihrem Blut.

Und das Ursonnenbangen,
Das Schwermüt'ge der Glut
Und die Blässe meiner Wangen
Standen auch ihr so gut.

Das war ein Spiel der Geschicke
Ein's ihrer Rätseldinge . . .
Wir senkten zitternd die Blicke
In die Märchen unserer Ringe.

Ich vergass meines Blutes Eva
Ueber all' diesen Seelenklippen,
Und es brannte das Rot ihres Mundes,
Als hätte ich Knabenlippen.

Und das Abendröten glühte
Sich schlängelnd am Himmelssaume,
Und vom Erkenntnisbaume
Lächelte spottgut die Blüte.
(S. 39-40)
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Dann

. . . Dann kam die Nacht mit Deinem Traum
Im stillen Sternebrennen.
Und der Tag zog lächelnd an mir vorbei,
Und die wilden Rosen atmeten kaum.

Nun sehn' ich mich nach Traumesmai,
Nach Deinem Liebeoffenbaren.
Möchte an Deinem Munde brennen
Eine Traumzeit von tausend Jahren.
(S. 41)
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Orgie

Der Abend küsste geheimnisvoll
Die knospenden Oleander.
Wir spielten und bauten Tempel Apoll
Und taumelten sehnsuchtsübervoll
Ineinander.
Und der Nachthimmel goss seinen schwarzen Duft
In die schwellenden Wellen der brütenden Luft,
Und Jahrhunderte sanken
Und reckten sich
Und reihten sich wieder golden empor
Zu sternenverschmiedeten Ranken.
Wir spielten mit dem glücklichsten Glück,
Mit den Früchten des Paradiesmai,
Und im wilden Gold Deines wirren Haars
Sang meine tiefe Sehnsucht
Geschrei,
Wie ein schwarzer Urwaldvogel.
Und junge Himmel fielen herab,
Unersehnbare, wildsüsse Düfte;
Wir rissen uns die Hüllen ab
Und schrieen!
Berauscht vom Most der Lüfte.
Ich knüpfte mich an Dein Leben an,
Bis dass es ganz in ihm zerrann,
Und immer wieder Gestalt nahm
Und immer wieder zerrann.
Und unsere Liebe jauchzte Gesang,
Zwei wilde Symphonieen!
(S. 42)
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Sein Blut

Am liebsten pflückte er meines Glückes
Letzte Rose im Maien
Und würfe sie in den Rinnstein.
. . .  Sein Blut plagt ihn.

Am liebsten lockte er meiner Seele
Zitternden Sonnenstrahl
In seine düst're Nächtequal.

Am liebsten griff er mein spielendes Herz
Aus wiegendem Lenzhauch
Und hing es auf wo an einem Dornstrauch.
. . .  Sein Blut plagt ihn.
(S. 44)
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Viva!

Mein Wünschen sprudelt in der Sehnsucht meines Blutes
Wie wilder Wein, der zwischen Feuerblättern glüht.
Ich wollte, Du und ich, wir wären eine Kraft,
Wir wären eines Blutes
Und ein Erfüllen, eine Leidenschaft,
Ein heisses Weltenliebeslied!

Ich wollte, Du und ich, wir würden uns verzweigen,
Wenn sonnentoll der Sommertag nach Regen schreit
Und Wetterwolken bersten in der Luft!
Und alles Leben wäre unser Eigen;
Den Tod selbst rissen wir aus seiner Gruft
Und jubelten durch seine Schweigsamkeit!

Ich wollte, dass aus unserer Kluft sich Massen
Wie Felsen aufeinandertürmen und vermünden
In einen Gipfel, unerreichbar weit!
Dass wir das Herz des Himmels ganz erfassen
Und uns in jedem Hauche finden
Und überstrahlen alle Ewigkeit!

Ein Feiertag, an dem wir ineinanderrauschen,
Wir beide ineinanderstürzen werden,
Wie Quellen, die aus steiler Felshöh' sich ergiessen
In Wellen, die dem eignen Singen lauschen
Und plötzlich niederbrausen und zusammenfliessen
In unzertrennbar, wilden Wasserheerden!
(S. 45)
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Eros

O, ich liebte ihn endlos!
Lag vor seinen Knie'n
Und klagte Eros
Meine Sehnsucht.
O, ich liebte ihn fassungslos.
Wie eine Sommernacht
Sank mein Kopf
Blutschwarz auf seinen Schoss
Und meine Arme umloderten ihn.
Nie schürte sich so mein Blut zu Bränden,
Gab mein Leben hin seinen Händen,
Und er hob mich aus schwerem Dämmerweh.
Und alle Sonnen sangen Feuerlieder
Und meine Glieder
Glichen
Irrgewordenen Lilien.
(S. 46)
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Dein Sturmlied

Brause Dein Sturmlied Du!
Durch meine Liebe,
Durch mein brennendes All.
Verheerend, begehrend,
Dröhnend wiedertönend
Wie Donnerhall!

Brause Dein Sturmlied Du!
Und lösche meine Feuersbrunst,
Denn ich ersticke in Flammendunst.
Mann mit den ehernen Zeusaugen,
Grolle Gewitter,
Entlade Wolken auf mich.
Und wie eine Hochsommererde
Werde ich
Aufsehnend
Die Ströme einsaugen.
Brause Dein Sturmlied Du!
(S. 46-47)
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Mein Blick

Ich soll Dich anseh'n,
Immerzu.
Aber mein Blick irrt über alles Sehen weit,
Floh himmelweit, ferner als die Ewigkeit.
Du! locke ihn mit Deiner Sehnsucht Sonnenschein, -
Er wird mir selbst ein Hieroglyph geworden sein.
(S. 49)
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Lenzleid

Dass Du Lenz gefühlt hast
Unter meiner Winterhülle,
Dass Du den Lenz erkannt hast
In meiner Todstille.
Nicht wahr, das ist Gram
Winter sein, eh' der Sommer kam,
Eh' der Lenz sich ausgejauchzt hat.

O, Du! schenk' mir Deinen gold'nen Tag
Von Deines Blutes blühendem Rot.
Meine Seele friert vor Hunger,
Ist satt vom Reif.
O, Du! giesse Dein Lenzblut
Durch meine Starre,
Durch meinen Scheintod.
Sieh, ich harre
Schon Ewigkeiten auf Dich!
(S. 50)
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Verdammnis

Krallen reissen meine Glieder auf
Und Lippen nagen an meinem Traumschlaf.
Weh Deinem Schicksal und dem meinen,
Das sich im Zeichen böser Sterne traf.
Meine Sehnsucht schreit zu diesen Sternen auf
Und erstarrt im Morgenscheinen -
Und ich weine
Zu den Höllen.

Schenk' mir Deine Arme eine Nacht,
Die so frischen Odem strömen
Wie zwei nordische Meereswellen.
Dass, wenn ich aus Finsternis erwacht,
Mich nicht böse Geister treten,
Ich nicht einsam bin mit meinem Grämen.
Zu den Himmeln fleh' ich jede Nacht,
Doch der Satan hetzt die Teufel auf mein Beten.
(S. 50-51)
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Mein Drama

Mit allen duftsüssen Scharlachblumen
Hat er mich gelockt,
Keine Nacht mehr hielt ich es im engen Zimmer aus,
Liebeskrumen stahl ich mir vor seinem Haus
Und sog mein Leben, ihn ersehnend, aus.
Es weint ein blasser Engel leis' in mir
Versteckt - ich glaube tief in meiner Seele,
Er fürchtet sich vor mir.
Im wilden Wetter sah ich mein Gesicht!
Ich weiss nicht wo, vielleicht im dunklen Blitz,
Mein Auge stand wie Winternacht im Antlitz,
Nie sah ich grimmigeres Leid.
. . .  Mit allen duftsüssen Scharlachblumen
Hat er mich gelockt,
Es regt sich wieder weh in meiner Seele
Und leitet mich durch all' Erinnern weit.
Sei still, mein wilder Engel mein,
Gott weine nicht
Und schweige von dem Leid,
Mein Schmerzen soll sich nicht entladen,
Keinen Glauben hab' ich mehr an Weib und Mann,
Den Faden, der mich hielt mit allem Leben,
Hab' ich der Welt zurückgegeben
Freiwillig!
Aus allen Sphinxgesteinen wird mein Leiden brennen,
Um alles Blühen lohen, wie ein dunkler Bann.
Ich sehne mich nach meiner blind verstoss'nen Einsamkeit,
Trostsuchend, wie mein Kind, sie zu umfassen,
Lernte meinen Leib, mein Herzblut und ihn hassen,
Nie so das Evablut kennen
Wie in Dir, Mann!
(S. 51-52)
_____



Fortissimo

Du spieltest ein ungestümes Lied,
Ich fürchtete mich nach dem Namen zu fragen,
Ich wusste, er würde das alles sagen,
Was zwischen uns wie Lava glüht.

Da mischte sich die Natur hinein
In unsere stumme Herzensgeschichte,
Der Mondvater lachte mit Vollbackenschein,
Als machte er komische Liebesgedichte.

Wir lachten heimlich im Herzensgrund,
Doch unsere Augen standen in Thränen
Und die Farben des Teppichs spielten bunt
In Regenbogenfarbentönen.

Wir hatten beide dasselbe Gefühl,
Der Smyrnateppich wäre ein Rasen,
Und die Palmen über uns fächelten kühl,
Und unsere Sehnsucht begann zu rasen.

Und unsere Sehnsucht riss sich los
Und jagte uns mit Blutsturmwellen:
Wir sanken in das Smyrnamoos
Urwild und schrieen wie Gazellen.
(S. 54)
_____



¢
A J a n a t o i

Du, ich liebe Dich grenzenlos!
Ueber alles Lieben, über alles Hassen!
Möchte Dich wie einen Edelstein
In die Strahlen meiner Seele fassen.
Leg' Deine Träume in meinen Schoss,
Ich liess ihn mit goldenen Mauern umschliessen
Und ihn mit süssem griechischem Wein
Und mit dem Oele der Rosen begiessen.

O, ich flog nach Dir wie ein Vogel aus,
In Wüstenstürmen, in Meereswinden,
In meiner Tage Sonnenrot,
In meiner Nächte Stern Dich zu finden.
Du! breite die Kraft Deines Willens aus,
Dass wir über alle Herbste schweben,
Und Immergrün schlingen wir um den Tod
Und geben ihm Leben.
(S. 57)
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Morituri

Du hast ein dunkles Lied mit meinem Blut geschrieben,
Seitdem ist meine Seele jubellahm.
Du hast mich aus dem Rosenparadies vertrieben,
Ich musst sie lassen, Alle, die mich lieben.
Gleich einem Vagabund jagt mich der Gram.

Und in den Nächten, wenn die Rosen singen,
Dann brütet still der Tod - ich weiss nicht was -
Ich möchte Dir mein wehes Herze bringen,
Den bangen Zweifel und mein müh'sam Ringen
Und alles Kranke und den Hass!
(S. 58)
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Dir

Drum wein' ich,
Dass bei Deinem Kuss
Ich so nichts empfinde
Und ins Leere versinken muss.
Tausend Abgründe
Sind nicht so tief,
Wie diese grosse Leere.
Ich sinne im engsten Dunkel der Nacht,
Wie ich Dir's ganz leise sage,
Doch ich habe nicht den Mut.
Ich wollte, es käme ein Südenwind,
Der Dir's herüber trage,
Damit es nicht gar voll Kälte kläng'
Und er Dir's warm in die Seele säng'
Kaum merklich durch Dein Blut.
(S. 62)
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Schuld

Als wir uns gestern gegenübersassen,
Erschrak ich über Deine Blässe,
Ueber die Leidenslinie Deiner Wange.
Da kam's, dass meine Gedanken mich vergassen
Ueber der Leidenslinie Deiner Wange.

Es trafen unsere Blicke sich wie Sternenfragen,
Es war ein goldenes Hin- und Herverweben
Und Deine Augen glichen seidnen Mädchenaugen.
Du öffnetest die Lippen, mir zu sagen . . .
Und meine Seele färbte sich in Matt,
Dumpf läutete noch einmal Brand mein Leben
Und schrumpfte dann zusammen wie ein Blatt.
(S. 63)
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Unglücklicher Hass
(Versrelief)

Du! Mein Böses liebt Dich
Und meine Seele steht
Furchtbarer über Dir,
Wie der drohendste Stern über Herculanum.

Wie eine Wildkatze springt
Mein Böses aus mir,
Und beisst nach Dir.
Entrissen
Von Liebesküssen
Aber taumelst Du
In Armen bekränzter Hetären
Durch rosenduftender Sphären
Rauschgesang.

Nachts schleichen Hyänen,
Wie brütende Finsternisse
Hungrig über meine Träume
Im Wutglüh'n meiner Thränen.
(S. 64)
_____



Nachweh

Weisst Du noch als ich krank lag,
So Gott verlassen -
Da kamst Du,
Es war am Herbsttag,
Der Wind wehte krank durch die Gassen.

Zwei kalte Totenaugen
Hätten mich nicht so gequält,
Wie Deine Saphiraugen,
Die beiden brennenden Märchen.
(S. 64)
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Vergeltung

Hab' hinter Deinem trüben Grimm geschmachtet,
Und der Tod hat in meiner Seele genachtet
Und frass meine Lenze.
Und da kam ein Augenblick,
Ein spielender, jauchzender Augenblick
Und tanzte mit mir ins Leben zurück
Bis zur Grenze.
Aber das Netz meiner Augen zerriss
Vom plötzlichen Lichtglanz.
Wie soll ich nun die Goldzeiten auffangen!
Meine Seele die Goldlüfte einsaugen!
Der Tod hat sich fest an mein Leben gehangen,
Ich fühle immer stilleres Vergessen . . .
Himmelszeichen künden Unheil an im Westen,
In der Sackgasse brütet Frucht ein Nebelbaum
Und winkt mir heimlich mit den Schattenästen -
Ja! Meine Seele soll Beklemmniss von ihm essen!
Und ein Alb auf Dir liegen Nachts im Traum.
(S. 65)
_____



Hundstage

Ich will Deiner schweifenden Augen Ziel wissen
Und Deiner flatternden Lippen Begehr,
Denn so ertrag' ich das Leben nicht mehr,
Von der Tollwut der Zweifel zerbissen.

. . .  Wie friedvoll die Malvenblüten starben
Unter süssen Himmeln der Lenznacht -
Ich war noch ein Kind, als sie starben.

Hab' so still in der Seele Gottes geruht -
Möcht' mich nun in rasendes Meer stürzen
Von schreiendem Herzblut!
(S. 66)
_____



Melodie

Deine Augen legen sich in meine Augen
Und nie war mein Leben so in Banden,
Nie hat es so tief in Dir gestanden
Es so wehrlos tief.

Und unter Deinen schattigen Träumen
Trinkt mein Anemonenherz den Wind zur Nachtzeit,
Und ich wandle blühend durch die Gärten
Deiner stillen Einsamkeit.
(S. 66)
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Elegie

Du warst mein Hyazinthentraum,
Bist heute noch mein süssestes Sehnen,
Aber mein Wünschen zittert durch Thränen
Und meine Hoffnung klagt vom Trauereschenbaum.

Tausend Wunschjahre lag ich vor Deinen Knieen,
Meine Gedanken sprudelten wie junge Weine,
Ein Venussehnen lag vor Deinen Knieen!

Zwei Sommer hielten wir uns schwer umfangen,
Ich tauchte in den goldenen Strudel Deiner Schelmenlaunen,
Bis aus den späten Nächten unsere Sterbeglocken klangen.

Und Neide schlichen heimlich, ihre Geil zu rächen,
Die Wolken drohten wild wie schwarze Posaunen,
Wir träumten beide einen Schmerzenstraum:
Zwei böse Sterne fielen in derselben Nacht
Und wir erblindeten in ihrem Stechen.

Der erste Blick, der uns zu eins gehämmert,
Er quälte sich bis in die Morgenstunden,
Bis weh das Herz des Ostens aufgedämmert.

Da sprangen alle grausigen Sagen auf,
Träumte nur noch Plagen,
Alle Plagen erdrosselten mich
Und reissende Hasse kamen
Und verheerten
Die Haine unserer jung gestorbenen Liebe.
Und wehrten meiner Seele Flucht zu Gott,
Gramjahre bebte ich hin,
Krankte zurück,
Kein Himmel beugte sich zu meinem Harme!
Durch alle Sümpfe schleift' ich mein verhungert Glück,
Und warf mich müd dem Satan in die Arme.
(S. 67)
_____



Vagabunden

O, ich wollte in den Tag gehen,
Alle Sonnen, alle Glutspiele fassen,
Muss in trunkner Lenzluft untergeh‘n
Tief in meinem Rätselblut.
Sehnte mich zu sehr nach dem Jubel!
Dass mein Leben verspiele mit dem Jubel.
Kaum noch fühlt' meine Seele den Goldsinn des Himmels,
Kaum noch sehen können meine Augen,
Wie müde Welle gleiten sie hin.
Und meine Sehnsucht taumelt wie eine sterbende Libelle.

Giesse Brand in mein Leben!
Ja, ich irre mit Dir,
Durch alle Gassen wollen wir streifen,
Wenn unsere Seelen wie hungernde Hunde knurren.
An allen Höllen unsere Lüste schleifen,
Um sünd'ge Launen alle Teufel fleh'n
Und Wahnsinn werden uns're Frevel sein,
Wie bunte, grelle Abendlichter surren;
Irrsinnige Gedanken werden diese Lichte sein!
Ach Gott! Mir bangt vor meiner schwarzen Stunde,
Ich grabe meinen Kopf selbst in die Erde ein!
(S. 68)
_____



Wir Beide

Der Abend weht Sehnen aus Blütensüße,
Und auf den Bergen brennt wie Silberdiamant der Reif,
Und Engelköpfchen gucken überm Himmelstreif,
Und wir beide sind im Paradiese.

Und uns gehört das ganze bunte Leben,
Das blaue große Bilderbuch mit Sternen!
Mit Wolkentieren, die sich jagen in den Fernen
Und hei! die Kreiselwinde, die uns drehn und heben!

Der liebe Gott träumt seinen Kindertraum
Vom Paradies - von seinen zwei Gespielen,
Und große Blumen sehn uns an von Dornenstielen . . .

Die düstre Erde hing noch grün am Baum.
(S. 75)
_____



Liebesflug

Drei Stürme liebt ich ihn eher, wie er mich,
Jäh schrien seine Lippen,
Wie der geöffnete Erdmund!
Und Gärten berauschten an Mairegen sich.

Und wir griffen unsere Hände,
Die verlöteten wie Ringe sich.
Und er sprang mit mir auf die Lüfte
Gotthin, bis der Atem verstrich.

Dann kam ein leuchtender Sommertag,
Wie eine glückselige Mutter.
Und die Mädchen blickten schwärmerisch,
Nur meine Seele lag müd und zag.
(S. 76)
_____



Nachklänge

Auf den harten Linien
Meiner Siege
Laß ich meine späte Liebe tanzen.

Herzauf, seelehin,
Tanze, tanze meine späte Liebe,
Und ich lächle schwervergessene Lieder.

Und mein Blut beginnt zu wittern
Sich zu sehnen
Und zu flattern.

Schon vor Sternzeiten
Wünschte ich mir diese blaue
Helle, leuchteblaue Liebe.

Deine Augen singen
Schönheit,
Duftende Schönheit . . .

Auf den harten Linien
Meiner Siege
Lasse ich meine späte Liebe tanzen.

Und ich schwinge sie -
Fangt auf Ihr Rosenhimmel!
Auf und nieder!

Tanze, tanze, meine späte Liebe,
Herzab, seelehin -
Arglos über stille Tiefen . . .
Ueber mein bezwungenes Leben.
(S. 76-77)
_____



Erkenntnis

Schwere steigt aus allen Erden auf
Und wir ersticken im Bleidunst,
Jedoch die Sehnsucht reckt sich
Und speit wie eine Feuersbrunst.
Es tönt aus allen wilden Flüssen
Das Urgeschrei, Evas Lied.
Wir reißen uns die Hüllen ab,
Vom Schall der Vorwelt hingerissen,
Ich nackt! Du nackt!
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -

Wilder, Eva, bekenne schweifender,
Deine Sehnsucht war die Schlange,
Ihre Stimme wand sich über Deine Lippe,
Und biß in den Saum Deiner Wange.

Wilder, Eva, bekenne reißender,
Den Tag, den Du Gott abrangst,
Da Du zu früh das Licht sahst
Und in den blinden Kelch der Scham sankst.

Riesengroß
Steigt aus Deinem Schoß
Zuerst wie Erfüllung zagend,
Dann sich ungestüm raffend,
Sich selbst schaffend
Gott-Seele . . . . .

Und sie wächst
Über die Welt hinaus,
Ihren Anfang verlierend,
Über alle Zeit hinaus,
Und zurück um Dein Tausendherz
Ende überragend . . .

Singe, Eva, Dein banges Lied einsam,
Einsamer, tropfenschwer wie Dein Herz schlägt,
Löse die düstere Tränenschnur,
Die sich um den Nacken der Welt legt.

Wie das Mondlicht wandele Dein Antlitz . . .
Du bist schön . . .
Singe, singe, horch, den Rauscheton,
Spielt die Nacht auf Deinem Goldhaar schon:

"Ich trank atmende Süße
Vom schillernden Aste
Aus holden Dunkeldolden.
Ich fürchte mich nun
Vor meinem wachenden Blick -
Verstecke mich, Du -
Denn meine wilde Pein
Wird Scham,
Verstecke mich, Du,
Tief in das Auge der Nacht,
Daß mein Tag Nachtdunkel trage.
Dieses taube Getöse, das mich umwirrt!
Meine Angst rollt die Erdstufen herauf,
Düsterher, zu mir zurück, nachthin,
Kaum rastet eine Spanne zwischen uns.
Brich mir das glühende Eden von der Schulter!
Mit seinen kühlen Armen spielten wir,
Durch seine hellen Wolkenreife sprangen unsere Jubel.
Nun schnellen meine Zehe wie irre Pfeile über die Erde,
Und meine Sehnsucht kriecht in jähen Bogen mir voran."

Eva, kehre um vor der letzten Hecke noch!
Wirf nicht Schatten mit Dir,
Blühe aus, Verführerin.

Eva Du heiße Lauscherin,
O, Du schaumweiße Traube,
Flüchte um vor der Spitze Deiner schmalsten Wimper noch!
(S. 81-82)
_____



Die Liebe

Es rauscht durch unseren Schlaf
Ein feines Wehen wie Seide,
Wie pochendes Erblühen
Über uns beide.

Und ich werde heimwärts
Von Deinem Atem getragen,
Durch verzauberte Märchen,
Durch verschüttete Sagen.

Und mein Dornenlächeln spielt
Mit Deinen urtiefen Zügen,
Und es kommen die Erden
Sich an uns zu schmiegen.

Es rauscht durch unseren Schlaf
Ein feines Wehen wie Seide -
Der weltalte Traum
Segnet uns beide.
(S. 84)
_____



Traum

Der Schlaf entführte mich in Deine Gärten,
In Deinen Traum - die Nacht war wolkenschwarz umwunden -
Wie düstere Erden starrten Deine Augenrunden,
Und Deine Blicke waren Härten.

Und zwischen uns lag eine weite, steife,
Tonlose Ebene . . .
Und meine Sehnsucht hingegebene,
Küßt Deinen Mund, die blassen Lippenstreife.
(S. 84)
_____



Eva

Du hast Deinen Kopf tief über mich gesenkt,
Deinen Kopf mit den goldenen Lenzhaaren,
Und Deine Lippen sind von rosiger Seidenweichheit,
Wie die Blüten der Bäume Edens waren.

Und die keimende Liebe ist meine Seele.
O, meine Seele ist das vertriebene Sehnen,
Und Du zitterst vor Ahnungen
Und weißt nicht, warum Deine Träume stöhnen.

Und ich liege schwer auf Deinem Leben,
Eine tausendstämmige Erinnerung,
Und Du bist so blutjung, so adamjung . . .
Du hast Deinen Kopf tief über mich gesenkt.
(S. 86)
_____



Erfüllung

Wir sitzen traurig Hand in Hand,
Die gelbe Sonnenrose,
Die strahlende Braut Gottes,
Leuchtet erdenabgewandt . . .

Und wie golden ihr Blick war!
Und unsere Augen weiten
Sich fragend wie Kinderaugen,
Weiß liegt die Sehnsucht schon auf unserm Haar.

Und zwischen den kahlen Buchen
Steigen ruhelose Dunkelheiten,
Auferstandene Nächte,
Die ihre weinenden Tage suchen.

Und es schließen sich wie Rosen
Unsere Hände. Du, wir wollen
Wie junge Himmel uns lieben
Im Kranz von grauen Grenzenlosen.

Ein tiefer Sommer wird schweben
Auf laubigen Flügeln zur Erde,
Und eine rauschende Süße
Strömt durch das schwermütige Leben.

Und was werden wir beide spielen . . .
Wir halten uns jauchzend umschlungen
Und kugeln uns über die Erde,
Über die Erde.
(S. 89)
_____



Ruth

Und Du suchst mich vor den Hecken,
Ich höre Deine Schritte seufzen,
Und meine Augen sind schwere dunkle Tropfen.

In meiner Seele blühen süß Deine Blicke
Und füllen sich,
Wenn meine Augen in den Schlaf wandeln.

Am Brunnen meiner Heimat
Steht ein Engel,
Der singt das Lied meiner Liebe,
Der singt das Lied Ruths.
(S. 90)
_____



Als ich noch im Flügelkleide . . .

Unter süßem Veilchenhimmel
Ist unsere Liebe aufgegangen,
Und ich suche allerwegen
Nach Dir und Deinen Morgenwangen.

Und den Ringelrangelhaaren
Rötlichblonden Rosenlocken,
Und den frühlingshellen Augen,
Die so frischfreifrohfrohlocken.

Zwischen dicken Gummipflanzen
Lauern hinter Irdentöpfen
Strickpicknadelspitze Augen
Tücksch aus bitteren Frauenköpfen.

Daß die beiden alten Damen
Hinter unsere Liebe kamen
Und Dich in Gewahrsam nahmen,
Sind die Dramen unserer Herzen.
(S. 90)
_____



Evas Lied

Die Luft ist von gährender Erde herb,
Und der nackte Märzwald sehnt sich
Wie Du - o, ich wollte, ich würde der Frühling,
Mit lauter Märchen umblühte ich Dich.

Wäre meine Kraft nicht tot!
Ich hab all das Nachleid tragen müssen,
Und mein tagendes Herzrot
Ist von grollenden Himmeln zerrissen.

Und Deine Sinne sind kühl,
Und Deine Augen sind zwei Morgenfrühen,
Und das Blondgewirr auf Deiner Stirn
Glüht, als ob Sonnen sie besprühen.

Aber Du bist vertrieben wie ich,
Weil Du auf das Land meiner Seele sankst,
Als das Glück des Erkenntnißtags aus mir schrie
Und seines Genießens Todesangst.
(S. 93)
_____



Maienregen

Du hast Deine warme Seele
Um mein verwittertes Herz geschlungen,
Und all seine dunklen Töne
Sind wie ferne Donner verklungen.

Aber es kann nicht mehr jauchzen
Mit seiner wilden Wunde,
Und wunschlos in Deinem Arme
Liegt mein Mund auf deinem Munde.

Und ich höre Dich leise weinen,
Und es ist - die Nacht bewegt sich kaum -
Als fiele ein Maienregen
Auf meinen greisen Traum.
(S. 94)
_____



Mein Liebeslied

Wie ein heimlicher Brunnen
Murmelt mein Blut,
Immer von Dir, immer von mir.
Unter dem taumelnden Mond
Tanzen meine nackten, suchenden Träume,
Nachtwandelnde, fiebernde Kinder,
Leise über düstere Hecken.
O, Deine Lippen sind sonnig . . .
Diese Rauschedüfte Deiner Lippen . . .
Und aus blauen Dolden, silberumringt
Lächelst Du . . .  Du, Du.
Immer das schlängelnde Geriesel
Auf meiner Haut
Über die Schulter hinweg -
Ich lausche . . .
Wie ein heimlicher Brunnen
Murmelt mein Blut . . .
(S. 99)
_____



O, meine schmerzliche Lust . . .

Mein Traum ist eine junge, wilde Weide
Und schmachtet in der Dürre.
Wie die Kleider um den Tag brennen . . .
Alle Lande bäumen sich.
Soll ich Dich locken mit dem Liede der Lerche
Oder soll ich Dich rufen wie der Feldvogel
Tuuh! Tuuh!
Wie die Silberähren
Um meine Füße sieden . . .
O, meine schmerzliche Lust
Weint wie ein Kind.
(S. 101)
_____



Weltende
Herwarth Walden

Es ist ein Weinen in der Welt,
Als ob der liebe Gott gestorben wär,
Und der bleierne Schatten, der niederfällt,
Lastet grabesschwer.

Komm, wir wollen uns näher verbergen . . .
Das Leben liegt in aller Herzen
Wie in Särgen.

Du! wir wollen uns tief küssen . . .
Es pocht eine Sehnsucht an die Welt,
An der wir sterben müssen.
(S. 103)
_____



<Abdul Antinous>

Deine Schlankheit fliesst wie dunkles Geschmeide.
O, du meine wilde Mitternachtssonne
Küsse mein Herz meine rotpochende Erde.

Wie groß aufgetan deine Augen sind,
Du hast den Himmel gesehn
So nah so tief.

Und ich habe auf deiner Schulter
Mein Land gebaut -
Wo bist du?

Zögernd wie dein Fuss ist der Weg -
Sterne werden meine Blutstropfen . . .
Du ich liebe dich, ich liebe dich.
(S. 108)
_____



Ich frage nicht mehr

Ich weiss wer auf den Sternen wohnt . . .

Mein Herz sinkt tief in die Nacht.
So sterben Liebende
Immer an zärtlichen Himmeln vorbei.

Und atmen wieder dem Morgen entgegen
Auf frühleisen Schweben.
Ich aber wandele mit den heimkehrenden Sternen.

Und ich habe viele schlafende Knospen ausgelöscht,
Will ihr Sterben nicht sehn,
Wenn die Rosenhimmel tanzen.

Auf dem Gold meiner Stirne leuchtet der Smaragd,
Der den Sommer färbt.
Ich bin eine Prinzessin.

Mein Herz sinkt tief in die Nacht
An Liebende vorbei.
(S. 109)
_____



Aber ich finde dich nicht mehr . . .

Ich gleite meinen lallenden Händen nach
Die suchen überall nach dir.

Aber ich finde dich nicht mehr
Unter den Dattelbäumen
Unter den Zweigen der Träume.

Alle meine starren Kronen sind zerflossen
Vor deinem Lächeln
Und zwischen unseren Lippen jauchzten die Engel.

Ich will meine Augen nicht mehr öffnen
Wenn sie sich nicht
Mit deiner Süsse füllen.
(S. 109-110)
_____



Heimlich zur Nacht

Ich habe dich gewählt
Unter allen Sternen.

Und bin wach - eine lauschende Blume
Im summenden Laub.

Unsere Lippen wollen Honig bereiten
Unsere schimmernden Nächte sind aufgeblüht.

An dem seligen Glanz deines Leibes
Zündet mein Herz seine Himmel an -

Alle meine Träume hängen an deinem Golde,
Ich habe dich gewählt unter allen Sternen.
(S. 110)
_____



Wenn du kommst -

Wollen wir den Tag im Kelch der Nacht verstecken,
Denn wir sehnen uns nach Nacht.
Goldene Sterne sind unsere Leiber
Die wollen sich küssen - küssen.

Spürst du den Duft der schlummernden Rosen
Über die dunklen Rasen -
So soll unsere Nacht sein.
Küssen wollen sich unsere goldenen Leiber.

Immer sinke ich in Nacht zur Nacht.
Alle Himmel blühen dicht von funkelnder Liebe.
Küssen wollen sich unsere Leiber, küssen - küssen.
(S. 110-111)
_____



Ich träume so leise von dir - - -

Immer kommen am Morgen schmerzliche Farben,
Die sind, wie deine Seele.

O, ich muss an dich denken
Und überall blühen so traurige Augen.

Und ich habe dir doch von grossen Sternen erzählt,
Aber du hast zur Erde gesehn.

Nächte wachsen aus meinem Kopf,
Ich weiß nicht wo ich hin soll.

Ich träume so leise von dir -
Weiss hängt die Seide schon über meinen Augen.

Warum hast du nicht um mich
Die Erde gelassen - sage? . . .
(S. 111)
_____



Ich glaube wir . . .

Ich glaube wir werden uns niemehr wiedersehn -
Der Morgen versteckt sein Auge vor mir.

Ich habe zu lange auf Knieen gelegen
Vor deinem dämmernden Schweigen.

O, unsere Lippen sehnen sich nach Spielen -
Wir hätten uns blühend geküsst unter den großen Sternen.

Totenschleier umhüllen
Die goldglänzenden Glieder des Himmels.
Ich glaube, wir werden uns niemehr wiedersehn.
(S. 111-112)
_____



Du es ist Nacht -

Wir wollen unsere Sehnsucht teilen,
Und in die Goldgebilde blicken . . .

Auf der Strasse sitzt immer eine Tote
Und bettelt um Almosen.

Und summt meine Lieder
Schon einen weissgewordenen Sommer lang.

Über den Grabweg hinweg
Wollen wir uns lieben,

Tollkühne Knaben,
Könige, die sich nur mit dem Szepter berühren.

- Frage nicht - ich lausche
Deiner Augen Rauschehonig.

Die Nacht ist eine weiche Rose,
Wir wollen uns in ihren Kelch legen,

Immer ferner versinken,
Ich bin müde vom Tod.

Wenn ich nicht bald eine blaue Insel finde . . .
Erzähle mir von ihren Wundern!!
(S. 112)
_____



Siehst du mich -

Zwischen Erde und Himmel?
Nie ging einer über meinen Pfad

Aber dein Antlitz wärmt meine Welt
Von dir geht alles Blühen aus.

Wenn du mich ansiehst,
Wird mein Herz süß.

Ich liege unter deinem Lächeln
Und lerne Tag und Nacht bereiten

Dich hinzaubern und vergehen lassen,
Immer spiele ich das eine Spiel.
(S. 114-115)
_____



Ein Liebeslied

Aus goldenem Odem
Erschufen uns Himmel.
O, wie wir uns lieben . . .

Vögel werden Knospen an den Aesten,
Und Rosen flattern auf.

Immer suche ich nach deinen Lippen
Hinter tausend Küssen.

Eine Nacht aus Gold . . .
Sterne aus Nacht . . .
Niemand sieht uns.

Kommt das Licht mit dem Grün,
Schlummern wir.
Nur unsere Schultern spielen noch wie Falter.
(S. 115-116)
_____



Ein Trauerlied

Eine schwarze Taube ist die Nacht
. . .  Du denkst so sanft an mich.

Ich weiß, dein Herz ist still,
Mein Name steht auf seinem Saum.

Die Leiden, die dir gehören,
Kommen zu mir.

Die Seligkeiten, die dich suchen,
Sammele ich unberührt.

So trage ich die Blüten deines Lebens
Weiter fort.

Und möchte doch mit dir stille stehn;
Zwei Zeiger auf dem Zifferblatt.

O, alle Küsse sollen schweigen
Auf beschienenen Lippen liebentlang.

Niemehr soll es früh werden,
Da man deine Jugend brach.

In deiner Schläfe
Starb ein Paradies.

Mögen sich die Traurigen
Die Sonne in den Tag malen.

Und die Trauernden
Schimmer auf ihre Wangen legen.

Im schwarzen Wolkenkelche
Steht die Mondknospe.

. . .  Du denkst so sanft an mich.
(S. 118)
_____



Mein Liebeslied

Auf deinen Wangen liegen
Goldene Tauben.

Aber dein Herz ist ein Wirbelwind,
Dein Blut rauscht, wie mein Blut -

Süß
An Himbeersträuchern vorbei.

O, ich denke an dich - -
Die Nacht frage nur.

Niemand kann so schön
Mit deinen Händen spielen,

Schlösser bauen, wie ich
Aus Goldfinger;

Burgen mit hohen Türmen!
Strandräuber sind wir dann.

Wenn du da bist,
Bin ich immer reich.

Du nimmst mich so zu dir,
Ich sehe dein Herz sternen.

Schillernde Eidechsen
Sind deine Geweide.

Du bist ganz aus Gold -
Alle Lippen halten den Atem an.
(S. 119)
_____



David und Jonathan

In der Bibel stehn wir geschrieben
Buntumschlungen.

Aber unsere Knabenspiele
Leben weiter im Stern.

Ich bin David,
Du mein Spielgefährte.

O, wir färbten
Unsere weißen Widderherzen rot;

Wie die Knospen an den Liebespsalmen
Unter Feiertagshimmel.

Deine Abschiedsaugen aber -
Immer nimmst du still im Kusse Abschied.

Und was soll dein Herz
Noch ohne meines -

Deine Süßnacht
Ohne meine Lieder.
(S. 120-121)
_____



Ich bin traurig . . .

Deine Küsse dunkeln, auf meinem Mund.
Du hast mich nicht mehr lieb.

Und wie du kamst -!
Blau vor Paradies.

Um deinen süßesten Brunnen
Gaukelte mein Herz.

Nun will ich es schminken,
Wie die Freudenmädchen
Die welke Rose ihrer Lende röten.

Unsere Augen sind halb geschlossen,
Wie sterbende Himmel -

Alt ist der Mond geworden.
Die Nacht wird nicht mehr wach.

Du erinnerst dich meiner kaum.
Wo soll ich mit meinem Herzen hin?
(S. 121-122)
_____



Die Liebe

Verstecke mich in deinem Süßblut
Nähe mich in den Saum deiner Haut ein.

Immer tragen wir Herz vom Herzen uns zu.
Pochende Naht
Hält unsere Schwellen vereint.

Wo mag der Tod mein Herz lassen?
In einem Brunnen, der fremd rauscht -

In einem Garten, der steinern steht -
Er wird es in einen reißenden Fluß werfen.

Mir bangt vor der Nacht
Daran kein Stern hängt.

Denn unzählige Sterne meines Herzens
Vergolden deinen Blutspiegel.

Liebe ist aus unserer Liebe vielfältig erblüht.
Wo mag der Tod mein Herz lassen?
(S. 122)
_____



Nun schlummert meine Seele -

Der Sturm hat ihre Stämme gefällt
O, meine Seele war ein Wald.

Hast du mich weinen gehört?
Weil deine Augen bang geöffnet stehn.
Sterne streuen Nacht
In mein vergossenes Blut.

Nun schlummert meine Seele
Zagend auf Zehen.
O, meine Seele war ein Wald;
Palmen schatteten,
An den Aesten hing die Liebe.
Tröste meine Seele im Schlummer.
(S. 123)
_____



Ankunft

Ich bin am Ziel meines Herzens angelangt
Weiter führt kein Strahl.
Hinter mir laß ich die Welt
Fliegen die Sterne auf: Goldene Vögel.

Hißt der Mondturm die Dunkelheit -
. . . O, wie mich leise eine süße Weise betönt . . .
Aber meine Schultern heben sich, hochmütige Kuppeln.
(S. 123)
_____



Abend

Hauche über den Frost meines Herzens
Und wenn du es zwitschern hörst
Fürchte dich nicht vor seinem schwarzen Lenz.

Immer dachte das kalte Wundergespenst an mich
Und säte unter meinen Füßen - Schierling.

Nun prägt in Sternen auf meine Leibessäule
Ein weinender Engel die Inschrift.
(S. 124)
_____



Ein Lied der Liebe

Seit du nicht da bist,
Ist die Stadt dunkel.

Ich sammle die Schatten
Der Palmen auf,
Darunter du wandeltest.

Immer muß ich eine Melodie summen
Die hängt lächelnd an den Aesten.

Du liebst mich wieder -
Wem soll ich mein Entzücken sagen?

Einer Waise oder einem Hochzeitler,
Der im Widerhall das Glück hört.

Ich weiß immer,
Wann du an mich denkst.

Dann wird mein Herz ein Kind
Und schreit.

An jedem Tor der Straße
Verweile ich und träume;

Ich helfe der Sonne deine Schönheit malen
An allen Wänden der Häuser.

Aber ich magere
An deinem Bilde.

Um schlanke Säulen schlinge ich mich
Bis sie schwanken.

Ueberall steht Wildedel
Die Blüten unseres Blutes.

Wir tauchen in heilige Moose,
Die aus der Wolle goldener Lämmer sind.

Wenn doch ein Tiger
Seinen Leib streckte

Ueber die Ferne, die uns trennt,
Wie zu einem nahen Stern.

Auf meinem Angesicht
Liegt früh dein Hauch.
(S. 124-125)
_____



Leise sagen -

Du nahmst dir alle Sterne
Ueber meinem Herzen.

Meine Gedanken kräuseln sich
Ich muß tanzen.

Immer tust du das, was mich aufschauen läßt,
Mein Leben zu müden.

Ich kann den Abend nicht mehr
Ueber die Hecken tragen.

Im Spiegel der Bäche
Finde ich mein Bild nicht mehr.

Dem Erzengel hast du
Die schwebenden Augen gestohlen.

Aber ich nasche vom Seim
Ihrer Bläue.

Mein Herz geht langsam unter
Ich weiß nicht wo -

Vielleicht in deiner Hand.
Ueberall greift sie an mein Gewebe.
(S. 127-128)
_____



Versöhnung

Es wird ein großer Stern in meinen Schoß fallen . . .
Wir wollen wachen die Nacht,

In den Sprachen beten
Die wie Harfen eingeschnitten sind.

Wir wollen uns versöhnen die Nacht -
So viel Gott strömt über.

Kinder sind unsere Herzen,
Die möchten ruhen müdesüß.

Und unsere Lippen wollen sich küssen,
Was zagst du?

Grenzt nicht mein Herz an deins -
Immer färbt dein Blut meines Wangen rot.

Wir wollen uns versöhnen die Nacht,
Wenn wir uns herzen, sterben wir nicht.

Es wird ein großer Stern in meinen Schoß fallen.
(S. 128)
_____



In deine Augen . . .

Blau wird es in deinen Augen -
Aber warum zittert all mein Herz
Vor deinen Himmeln.

Nebel liegt auf meiner Wange
Und mein Herz beugt sich zum Untergange.
(S. 129)
_____



Von weit

Dein Herz ist wie die Nacht so hell,
Ich kann es sehn
- Du denkst an mich - es bleiben alle Sterne stehn.

Und wie der Mond von Gold dein Leib
Dahin so schnell
Von weit er scheint.
(S. 130)
_____



Ein alter Tibetteppich

Deine Seele, die die meine liebet
Ist verwirkt mit ihr im Teppichtibet

Strahl in Strahl, verliebte Farben,
Sterne, die sich himmellang umwarben.

Unsere Füsse ruhen auf der Kostbarkeit
Maschentausendabertausendweit.

Süsser Lamasohn auf Moschuspflanzenthron
Wie lange küsst dein Mund den meinen wohl
Und Wang die Wange buntgeknüpfte Zeiten schon.
(S. 130)
_____



Unser Liebeslied

Unter der Wehmut der Esche
Lächeln die Augen meiner Freundin.

Und ich muß weinen
Überall wo Rosen aufblühn.

Wir hören beide unseren Namen nicht -
Immer Nachtwandlerinnen zwischen den bunten Jünglingen.

Meine Freundin gaukelt mit dem Mond
Unserm Sternenspiel folgen Erschrockene nach.

O, unsere Schwärmerei berauscht
Die Straßen und Plätze der Stadt.

Alle Träume lauschen gebannt hinter den Hecken
Kann nicht Morgen werden -

O, und die Seidige Nacht uns beiden
Tausendmal immer um den Hals geschlungen.

Wie ich mich drehen muß!

Und meine Freundin küßt taumelnd den Rosigtau
Unter dem Düster des Trauerbaums.
(S. 133)
_____



Dem Barbaren

Deine rauhen Blutstropfen
Süßen auf meiner Haut.

Nenne meine Augen nicht Verräterinnen
Da sie deine Himmel umschweben;

Ich lehne lächelnd an deiner Nacht
Und lehre deine Sterne spielen.

Und trete singend durch das rostige Tor
Deiner Seligkeit.

Ich liebe dich und nahe weiß
Und verklärt auf Wallfahrtzehen.

Trage dein hochmütiges Herz,
Den reinen Kelch den Engeln entgegen.

Ich liebe dich wie nach dem Tode
Und meine Seele liegt über dich gebreitet -

Meine Seele fing alle Leiden auf,
Dich erschüttern ihre schmerzlichen Bilder.

Aber so viele Rosen blühen,
Die ich dir schenken will;

O, ich möchte dir alle Gärten bringen
In einem Kranz.

Immer denke ich an dich
Bis die Wolken sinken;

Wir wollen uns küssen -
Nicht?
(S. 133-134)
_____



Dem Barbaren

Ich liege in den Nächten
Auf deinem Angesicht.

Auf deines Leibes Steppe
Pflanze ich Zedern und Mandelbäume.

Ich wühle in deiner Brust unermüdlich
Nach den goldenen Freuden Pharaos.

Aber deine Lippen sind schwer,
Meine Wunder erlösen sie nicht.

Hebe doch deine Schneehimmel
Von meiner Seele -

Deine diamantnen Träume
Schneiden meine Adern auf.

Ich bin Joseph und trage einen süßen Gürtel
Um meine bunte Haut.

Dich beglückt das erschrockene Rauschen
Meiner Muscheln.

Aber dein Herz lässt keine Meere mehr ein.
O du!!

Mein Herz heult schon über deine rauhen Ebenen
Und verscheucht meine seligen Sterne.
(S. 134-135)
_____



Dem Prinzen von Marokko

O du Süßgeliebter, dein Angesicht ist mein Palmengarten,
Deine Augen sind schimmernde Nile
Lässig um meinen Tanz.

In deinem Angesicht sind verzaubert
Alle die Bilder meines Blutes,
Alle die Nächte, die sich in mir gespiegelt haben.

Wenn deine Lippen sich öffnen
Verraten sie meine Seligkeiten.

Immer dieses Pochen nach dir -
Und hatte schon geopfert meine Seele.

Du musst mich inbrünstig küssen,
Süsserlei Herzspiel;
Wir wollen uns im Himmel verstecken.

O du Süßgeliebter.
(S. 137)
_____



An den Gralprinzen

Wenn wir uns ansehn
Blühn unsere Augen.

Und wie wir staunen
Vor unseren Wundern - nicht?
Und alles wird so süß.

Von Sternen sind wir eingerahmt
Und flüchten aus der Welt.

Ich glaube wir sind Engel.
(S. 138)
_____



<An den Prinzen Tristan>

Auf deiner blauen Seele
Setzen sich die Sterne zur Nacht.

Man muß leise mit dir sein,
O, du mein Tempel,
Meine Gebete erschrecken dich;

Meine Perlen werden wach
Von meinem heiligen Tanz.

Es ist nicht Tag und nicht Stern,
Ich kenne die Welt nicht mehr,
Nur dich - alles ist Himmel.
(S. 138)
_____



<An den Ritter>

Gar keine Sonne ist mehr,
Aber dein Angesicht scheint.

Und die Nacht ohne Wunder,
Du bist mein Schlummer.

Dein Auge zuckt wie Sternschnuppe -
Immer wünsche ich mir etwas.

Lauter Gold ist dein Lachen,
Mein Herz tanzt in den Himmel.

Wenn eine Wolke kommt -
Sterbe ich.
(S. 139)
_____



<An Tristan>

Ich kann nicht schlafen mehr
Immer schüttelst du Gold über mich.

Und eine Glocke ist mein Ohr,
Wem vertraust du dich?

So hell wie du,
Blühen die Sträucher im Himmel.

Engel pflücken sich dein Lächeln
Und schenken es den Kindern.

Die spielen Sonne damit
Ja ..
(S. 139)
_____



<An den Ritter aus Gold>

Du bist alles was aus Gold ist
In der großen Welt.

Ich suche deine Sterne
Und will nicht schlafen.

Wir wollen uns hinter Hecken legen
Uns niemehr aufrichten.

Aus unseren Händen
Süße Träumerei küssen.

Mein Herz holt sich
Von deinem Munde Rosen.

Meine Augen lieben dich an,
Du haschst nach ihren Faltern.

Was soll ich tun,
Wenn du nicht da bist.

Von meinen Lidern
Tropft schwarzer Schnee;

Wenn ich tot bin,
Spiele du mit meiner Seele.
(S. 140)
_____



<Als ich Tristan kennen lernte ->

O,
Du mein Engel,
Wir schweben nur noch
In holden Wolken.

Ich weiß nicht, ob ich lebe
Oder süß gestorben bin
In deinem Herzen.

Immer feiern wir Himmelfahrt
Und viel, viel Schimmer.

Deine Haare sind Goldnelken,
Heiligenbilder deine Augen.

Sage - wie ich bin?
Ueberall wollen Blumen aus mir.
(S. 142)
_____



O, deine Hände

O, deine Hände -

Sind meine Kinder.
Alle meine Spielsachen
Liegen in ihren Gruben.

Immer spiel ich Soldaten
Mit deinen Fingern, kleine Reiter,
Bis sie umfallen.

Wie ich sie liebe
Deine Bubenhände, die zwei.
(S. 143)
_____



Giselheer dem Tiger

Über dein Gesicht schleichen die Dschungeln.
O, wie du bist!

Deine Tigeraugen sind süß geworden
In der Sonne.

Ich trag dich immer herum
Zwischen meinen Zähnen.

Du mein Indianerbuch,
Wild West,
Siouxhäuptling!

Im Zwielicht schmachte ich
Gebunden am Buxbaumstamm -

Ich kann nicht mehr sein
Ohne das Skalpspiel.

Rote Küsse malen deine Messer
Auf meine Brust -

Bis mein Haar an deinem Gürtel flattert.
(S. 145-146)
_____



An den Herzog von Vineta

Der Himmel trägt im Wolkengürtel
den gebogenen Mond.

Unter dem Sichelbild
will ich in deiner Hand ruhn.

Immer muß ich wie der Sturm will,
bin ein Meer ohne Strand.

Aber seit du meine Muscheln suchst,
leuchtet mein Herz.

Das liegt auf meinem Grund
verzaubert.

Vielleicht ist mein Herz die Welt
pocht -

und sucht nur noch dich -
wie soll ich dich rufen?
(S. 148-149)
_____



Giselheer dem Heiden

Ich weine -
Meine Träume fallen in die Welt.

In meine Dunkelheit
Wagt sich kein Hirte.

Meine Augen zeigen nicht den Weg
Wie die Sterne.

Immer bettle ich vor deiner Seele;
Weißt du das?

Wär ich doch blind -
Dächte dann, ich läg in deinem Leib.

Alle Blüten täte ich
Zu deinem Blut.

Ich bin vielreich
Niemand kann mich pflücken;

Oder meine Gabeln tragen
Heim.

Ich will dich ganz zart mich lehren;
Schon weißt du mich zu nennen.

Sieh meine Farben,
Schwarz und stern

Und mag den kühlen Tag nicht,
Der hat ein Glasauge.
(S. 149-150)
_____



Giselheer dem Knaben

An meiner Wimper hängt ein Stern,
Es ist so hell
Wie soll ich schlafen -

Und möchte mit dir spielen.
- Ich habe keine Heimat -
Wir spielen König und Prinz.

Ich bin dein Prinz
Dein Leib ist hold
Aus allen bunten Farben.

Dein Leib ist eine Seele.
(S. 150)
_____



Giselheer dem König

Ich bin so allein
Fänd ich den Schatten
Eines süßen Herzens.

- Oder mir Jemand
Einen Stern schenkte -

Immer fingen ihn
Die Engel auf
So hin und her.

Kann nicht beten
Vor Schluchzen.

Und fürchte mich
Vor der schwarzen Erde.
Wie soll ich fort?

Möchte in den Wolken
Begraben sein,
Überall wo Sonne wächst.

Liebe dich so!
Du mich auch?
Sag es doch - - -
(S. 150-151)
_____



Hinter Bäumen berg' ich mich

Hinter Bäumen berg ich mich -

Bis meine Augen
Ausgeregnet haben.

Und halte sie tief verschlossen,
Daß niemand dein Bild schaut.

Ich schlang meine Arme um dich
Wie Gerank;

Bin doch mit dir verwachsen,
Warum reißt du mich von dir?

Ich schenkte dir die Levkoje
Meines Leibes,

Alle meine Schmetterlinge scheuchte ich
In deinen Garten.

Immer ging ich durch Granaten,
Sah durch mein Blut

Die Welt überall brennen
Vor Liebe.

Schlage mit der Stirn nun
Meine Tempelwände düster.

Du falscher Gaukler,
Du spanntest ein loses Seil.

Wie kalt nun alle Grüße sind.
Mein Herz liegt bloß,

Mein rot Fahrzeug
Pocht grausig;

Bin immer auf See
O, ich fühl, ich lande nie.
(S. 151-152)
_____



Das Lied des Spielprinzen

Wie kann ich dich mehr noch lieben?
Ich sehe den Tieren und Blumen
Bei der Liebe zu.

Küssen sich zwei Sterne
Oder bilden Wolken ein Bild -
Wir spielten es schon zarter.

Und deine harte Stirne,
Ich kann mich so recht an sie lehnen,
Sitz drauf wie auf einem Giebel.

Und in deines Kinnes Grube
Bau ich mir ein Raubnest -
Bis du mich aufgefressen hast.

Find dann einmal morgens
Nur noch meine Kniee,
Zwei gelbe Skarabäen für eines Kaisers Ring.
(S. 152-153)
_____



Sascha

Um deine Lippen blüht noch jung
Der Trotz dunkelrot,

Aber auf deiner Stirne sind meine Gebete
Vom Sturm verwittert.

Daß wir uns im Leben
Nie küssen sollten . . .

Nun bist du der Engel,
Der auf meinem Grab steht.

Das Atmen der Erde bewegt
Meinen Leib wie lebendig.

Mein Herz scheint hell
Vom Rosenblut der Hecken.

Aber ich bin tot, Sascha,
Und das Lächeln liegt abgepflückt
Nur noch kurz auf meinem Gesicht.
(S. 171)
_____



Höre!

Ich raube in den Nächten
Die Rosen deines Mundes,
Daß keine Weibin Trinken findet.

Die dich umarmt,
Stiehlt mir von meinen Schauern,
Die ich um deine Glieder malte.

Ich bin dein Wegrand.
Die dich streift,
Stürzt ab.

Fühlst du mein Lebtum
Überall
Wie ferner Saum?
(S. 172-173)
_____



Lauter Diamant

Ich hab in deinem Antlitz
Meinen Sternenhimmel ausgeträumt.
Alle meine bunten Kosenamen
Gab ich dir.
Und legte die Hand
Unter deinen Schritt,
Als ob ich dafür
Ins Jenseits käme.
Immer weint nun
Vom Himmel deine Mutter,
Da ich mich schnitzte
Aus deinem Herzfleische,
Und du so viel Liebe
Launisch verstießest.
Dunkel ist es
Es flackert nur noch
Das Licht meiner Seele.
(S. 173)
_____



O, ich hab dich so lieb

Dein Goldblond nimmt nur
Meinen Hauch an.

Aber ich mag mich
Dir nicht nahen . . .

Die großen Blutbuchen
Meiner Träumerei
Färben meine Nächte.

Ich bin Wasser!
Immer schlägt wilde Welle
An mein Herz.

Ueber dunkel Gestein
Und schweigende Erde
Muß ich,

Ueber Gottes Grab.
Wie schmerzt mich meine Trauer.
(S. 174)
_____



An den Prinzen Benjamin

Wenn du sprichst,
Wacht mein buntes Herz auf.

Alle Vögel üben sich
Auf deinen Lippen.

Immerblau streut deine Stimme
Über den Weg;

Wo du erzählst, wird Himmel.

Deine Worte sind aus Lied geformt,
Ich traure, wenn du schweigst.

Singen hängt überall an dir -
Wie du wohl träumen magst?
(S. 175)
_____



An Hans Adalbert

Wenn du sprichst
Blühen deine Worte auf in meinem Herzen.

Über deine hellen Haare
Schweben meine Gedanken schwarzhin.

Du bist ganz aus Süderde und Weihrauch
Und Stern und Taumel.

Ich aber bin lange schon gestorben.
O, du meine Himmelsstätte . . .
(S. 176)
_____



Dem Herzog von Leipzig

Deine Augen sind gestorben;
Du warst so lange auf dem Meer.

Aber auch ich bin
Ohne Strand.

Meine Stirne ist aus Muschel.
Tang und Seestern hängen an mir.

Einmal möchte ich mit meiner ziellosen Hand
Über dein Gesicht fassen,

Oder eine Eidechse über deine Lippen
Liebentlang mich kräuseln.

Weihrauch strömt aus deiner Haut
Und ich will dich feiern,

Dir bringen meine Gärten;
Überall blüht mein Herz bunt auf.
(S. 177)
_____



Aber deine Brauen sind Unwetter . . .

In der Nacht schweb ich ruhlos am Himmel
Und werde nicht dunkel vom Schlaf.

Um mein Herz schwirren Träume
Und wollen Süßigkeit.

Ich habe lauter Zacken an den Randen,
Nur du trinkst Gold unversehrt.

Ich bin ein Stern
In der blauen Wolke deines Angesichts.

Wenn mein Glanz in deinem Auge spielt,
Sind wir eine Welt.

Und würden entschlummern verzückt -
Aber deine Brauen sind Unwetter.
(S. 177-178)
_____



Senna Hoy

Seit du begraben liegst auf dem Hügel,
Ist die Erde süß.

Wo ich hingehe nun auf Zehen,
Wandele ich über reine Wege.

O deines Blutes Rosen
Durchtränken sanft den Tod.

Ich habe keine Furcht mehr
Vor dem Sterben.

Auf deinem Grabe blühe ich schon
Mit den Blumen der Schlingpflanzen.

Deine Lippen haben mich immer gerufen,
Nun weiß mein Name nicht mehr zurück.

Jede Schaufel Erde, die dich barg,
Verschüttete auch mich.

Darum ist immer Nacht an mir
Und Sterne schon in der Dämmerung.

Und ich bin unbegreiflich unseren Freunden
Und ganz fremd geworden.

Aber du stehst am Tor der stillsten Stadt
Und wartest auf mich, du Großengel.
(S. 178-179)
_____



Verinnerlicht

Ich denke immer ans Sterben,
Mich hat niemand lieb.

Ich wollt, ich wär still Heiligenbild
Und alles in mir ausgelöscht.

Träumerisch färbte Abendrot
Meine Augen wund verweint.

Weiß nicht, wo ich hin soll
Wie überall zu dir.

Bist meine heimliche Heimat
Und will nichts Leiseres mehr.

Wie blühte ich gern süß empor
An deinem Herzen himmelblau,

Lauter weiche Wege
Legte ich um dein pochend Haus.
(S. 179)
_____



Laurencis

Ich gab Dir einen Namen
Wie eine fromme Guirlande

Darum will ich ihn
Nur immer liebend rufen.

Du siehst mich golden
Durch mein Abendherz,

Und nicht so trübe wie der Nebel
Es staubfällig färbt.

Meine Seele spielte auferstehen.
Wenn Augen wie schlafende Täler lagen.

Und ich kenne alle Engel,
Denen habe ich von Dir erzählt.

O meines Mundes Aster blüht
Mit Deinen Lippen Rittersporn.

Und ich wache vor unserer Liebe
Denn ihre Küsse sollen Knospen bleiben.
(S. 182)
_____



Abschied

Aber du kamst nie mit dem Abend -
Ich saß im Sternenmantel.

. . .  Wenn es an mein Haus pochte,
War es mein eigenes Herz.

Das hängt nun an jedem Türpfosten,
Auch an deiner Tür;

Zwischen Farren verlöschende Feuerrose
Im Braun der Guirlande.

Ich färbte dir den Himmel brombeer
Mit meinem Herzblut.

Aber du kamst nie mit dem Abend -
. . .  Ich stand in goldenen Schuhen.

Bin ja aus einem Märchenbuch
Und muß nun immer weinen.
(S. 182-183)
_____



Der Mönch

In deinem Blick schweben
Alle Himmel zusammen.

Immer hast du die Madonna angesehn,
Darum sind deine Augen überirdisch.

Und mein Herz wird ein Weihbecken,
Besterne dich mit meinem Blut;

Ich will der Tau deiner Frühe sein,
Deiner Abendsehnsucht pochendes Amen.

Du bist heilig zwischen bösem Tanz
Und schrillen Flöten.

Gottes Nachtigall bist du
In seinem Hirtentraum.

Deine Sünden wurden Musik,
Die bewegt süß meine Züge;

Deine Tränen tranken schlafende Blumen,
Die wieder Paradies werden sollen.

Ich liebe dich zauberisch wie im Spiegel des Bachs
Oder fern im wolkengerahmten Blau.
(S. 191)
_____



Dem Mönch

Ich taste überall nach deinem Schein.
Suchst du mich auch?

In meiner Stirne leuchtet
Der erblaßte Stern wieder,

Und sehe dich nur in der Welt,
Dein Lächeln immerfort.

Unsere himmelweißen Herzen
Erglühen im Schlaf.

O wir möchten uns küssen,
Aber es wäre wie Mord.

Ich stehe ganz bunt am Granatbaum
In einem Bilderbuch.

Manchmal schaust du auf mich -
Dann singen die Junivögel.
(S. 192)
_____



Mein Drama

Mit allen duftsüßen Scharlachblumen
Hat er mich gelockt,
Keine Nacht mehr hielt ich es im engen Zimmer aus,
Liebeskrummen stahl ich mir vor seinem Haus
Und sog mein Leben ihn ersehnend aus.
Es weint ein bleicher Engel leis in mir versteckt,
Ich glaube tief in meiner Seele;
Er fürchtet sich vor mir.
Im wilden Wetter sah ich mein Gesicht!
Ich weiß nicht wo, vielleicht im dunklen Blitz,
Mein Auge stand wie Winternacht im Antlitz,
Nie sah ich grimmigeres Leid.
. . . Mit allen duftsüßen Scharlachblumen
Hat er mich gelockt,
Es regt sich wieder weh in meiner Seele
Und leitet mich durch all Erinnern weit.
Sei still mein wilder Engel mein,
Gott weine nicht
Und schweige von dem Leid,
Mein Schmerzen soll sich nicht entladen,
Den Faden, der mich hielt mit allen Leben,
Hab ich der Welt zurückgegeben
Freiwillig.
Auf allen Denkgesteinen wird mein Leiden brennen,
Um alles Blühen lohen, wie ein dunkler Bann.
Ich sehne mich nach meiner blindverstoßenen Einsamkeit,
Trostsuchend wie mein Kind sie zu umarmen.
(S. 195)
_____



Dem Mönch
(F. J.)

Meine Zehen wurden Knospen.
- Sieh so komm ich zu dir.

Du bist am Rand über dem Tal
Die leuchtende Großkornblume;

Mit deinem Glück färbt sich
Der Himmel die Wangen blau.

Immer öffnet sich mein Wesen -
- Bin eine glitzernde Nische,

Aber du kommst nie zu deiner Anbetung
Und morgen ist schon ewige Nacht.

Meine Sehnsucht ist im Sturm meiner Augen
Lange schon verwittert,

Die Korallen in meinem Blut
Sind ganz erblaßt.

Zwischen Dunkelheit verlischt mein Leben
Im scheidenden Antlitz des Mondes.
(S. 198-199)
_____



Ballade
(Erste Fassung)

Trotzendes Gold seine Stirn war,
Süßer Todstrahl sein Haar,
Seine Lippen blühten am Altar.

Ob er kommt dieses Jahr -
Sein Herz pocht ganz nah.

Wo steck ich meinen Liebsten hin,
Da ich nur seine Blume bin -

Dem Dichter färbt er die Schläfe rot.
Den Ritter schlägt er mit der Axt tot.
Aber den König trifft er nicht,
Der hat meines Bruders steinern Gesicht.

O, Sascha!
(S. 199)
_____



Ballade
(Zweite Fassung)

Sascha kommt aus Sibirien heim
Wie er aussehn mag?

Trotzendes Gold seine Stirne war,
Süßer Todstrahl sein Haar,
Seine Lippen brannten am Altar.

Sascha trank meinen Herzseim
Jede Nacht, die am Traumhang lag.

Was er sagen mag -
Wie er klagen mag -

Wo steck ich meinen Liebsten hin?
Da ich ihm untreu war
Und doch nur seine Blume bin.

Dem Dichter färbt er die Schläfe rot,
Den Dieb sticht seine Ehre tot.

Aber den König trifft er nicht,
Der hat meines Bruders steinern Gesicht.
Sascha!
(S. 200)
_____



Gottfried Benn

Der hehre König Giselheer
Stieß mit seinem Lanzenspeer
Mitten in mein Herz.
(S. 200)
_____



Du machst mich traurig - hör
(Hans Adalbert)

Bin so müde.
Alle Nächte trag ich auf dem Rücken
Auch deine Nacht,
Die du so schwer umträumst.

Hast du mich lieb?
Ich blies dir arge Wolken von der Stirn
Und tat ihr blau.

Was tust du mir in meiner Todesstunde?
(S. 204)
_____



David und Jonathan

O Jonathan, ich blasse hin in deinem Schoß,
Mein Herz fällt feierlich in dunklen Falten,
In meiner Schläfe pflege du den Mond,
Des Sternes Gold sollst du erhalten,
Du bist mein Himmel mein, du Liebgenoß.

Ich hab so säumerisch die kühne Welt
Fern immer nur im Bach geschaut,
Doch hat mein Träumen sich nicht hold belohnt,
Da sie nun bunt aus meinem Auge fällt
Durch deine Liebe aufgetaut.

O Jonathan, nimm du die königliche Träne,
Sie schimmert weich und reich wie eine Braut.
O Jonathan, du Blut der süßen Feige,
Duftendes Gehang an meinem Zweige,
Du Ring in meiner Lippe Haut.

Durch den ich wieder neu und scheu mich sehnen . . .
O Jonathan, dein spielerischer Bibelprinz
Nippt sterbend noch von deiner Liebe Minz.
(S. 204-205)
_____



Abschied

Ich wollte dir immerzu
Viele Liebesworte sagen;

Nun suchst du ruhlos
Nach verlorenen Wundern.

Aber wenn meine Spieluhren spielen,
Feiern wir Hochzeit.

- O deine süßen Augen
Sind meine Lieblingsblumen;

Und dein Herz ist mein Himmelreich;
Laß mich hineinschaun.

Du bist ganz aus glitzernder Minze
Und so weich versonnen . . .

Ich wollte dir immerzu
Viele Liebesworte sagen, -

Warum tat ich das nicht?
(S. 205-206)
_____



Das Wunderlied

Schwärmend trat ich aus glitzerndem Herzen
Wogender Liebesfäden,

Ganz schüchtern, hervor; Nacht im Auge,
Geöffnete Lippen . . .

Aber wo auch ein See lockte,
Goldene Tränke,

Starb an der Labe mein pochendes Wild
In der Brust.

Was soll mir der Wein deines Tisches,
Reichst du mir des Herzens Mannah nicht.

Süß mir, wenn ich im Rauschen der Liebe
Für dich gestorben wär -

Nun ist mein Leben verschneit,
Erstarrt meine Seele,

Die lächelte sonntäglich dir
Frieden ins Herz.

Ich suche das Glück nicht mehr.
Wo ich auch unter hochzeitlichem Morgen saß,

Erfror der träumende Lotos
Auf meinem Blut.
(S. 236)
_____



Weihnacht

Einmal kommst du zu mir in der Abendstunde
Aus meinem Lieblingssterne weich entrückt
Das ersehnte Liebeswort im Munde
Zündet meine weißen Lichte an.
Alle Zweige warten schon geschmückt.


"Wann" - ich frage seit ich dir begegnet - "wann?"
Einen Engel schnitt ich mir aus deinem goldenen Haare
Und den Traum, der mir so früh zerrann.
O ich liebe dich, ich liebe dich,
Ich liebe dich!

Hörst du, ich liebe dich - - -
Und unsere Liebe wandelt schon Kometenjahre,
Bevor du mich erkanntest und ich dich.
(S. 245)
_____



Am fernen Abend

Du bist so weit von mir entfernt
Am Abend zwischen deinen Freunden;
Meist ist das Dunkel über uns entsternt . . .
Dann leide ich wie unter Feinden.
Doch glühen die Lichte in den Wolkenzweigen,
So sind sie alle unser Eigen.

Und manchmal kommt ganz weich die Luft
Und streichelt meine und dann deine Wange.
Und deine Stimme ist es, die mich ruft,
Aus allen Stimmen gleitend, in der Halle.
- Und mich umarmen viele Himmel in dem Schalle.

Ich finde aber auch in deinen Augen keine Rast
Und keinen Trost im stummen Zuspruch deiner Reden -
Ich fiel der Liebe und sie mir zur Last.
Mein letzter Schimmer leuchtet heim den Gast,
Ein stilles Kleinod für jedweden.

Und weiss, dass du alleine lieb mich hast . . .  ganz alleine.
Und bin ich dir auch unbegreiflich fast,
So sagen all die weichen Worte, dass ich weine.
(S. 257)
_____



Ouvertüre

Wir trennten uns im Vorspiel der Liebe,
An meinem Herzen glitzerte noch hell dein Wort -
Und still verklangen wir im Stadtgetriebe,
Im Abendschleier der Septembertrübe
In einem schluchzenden Akkord.

Doch in der kurzen Liebesouvertüre,
Entschwanden wir von dieser Erde fort,
Durch Paradiese bis zur Himmelstüre,
Und es bedurfte nicht der ewigen Liebesschwüre,
Und nicht der Küsse blauer Zaubermord.

Und meiden doch seitdem uns wie zwei Diebe -
Und nur geheim betreten wir den Ort,
Wo uns vergoldete - die Liebe.
Bewahren wir sie, daß sie nicht erfriere,
Oder im Alltag blinder Lust verdorrt.
Ich weinte bitterlich - wenn ich es einst erführe.
(S. 259)
_____



<Wir stehen längst geknickt wo angelehnt>

Wir stehen längst geknickt wo angelehnt,
Am grauen Steine einer alten Mauer,
So ausgelöscht und haben uns gesehnt,
Nach einem einzigen Lichtchen in der Weltentrauer.
Wie nie auf einmal standen wir im Glanz . . .
Und unsere feierlichen Aeste hingegeben,
Verklangen ineinander wie im Tempeltanz.
Was soll ich weiter - und auch du - mit deinem Leben,
Lichtlosem Dasein, das hell über Nacht - und - umgebracht -
Mit deinem funkelte noch eben.
(S. 260)
_____



Abendzeit

Erblasst ist meine Lebenslust . . .
Ich fiel so einsam auf die Erde.
Von wo ich kam - hat nie ein Mensch gewusst -
- Nur du, da ich vereint einst mit dir werde.

Ich bin von Meeresbuchten weit umstellt;
Jedwedes Ding erlebe ich im Schaume.
Der Mensch, der feindlich mich ereilt, zerschellt,
Und ich weiss nur von ihm im Traume.

Und so erlebe ich die Schöpfung dieser Welt
Auf Erden schon entkommen ihrer Schale.
Und du der Stern, der hoch vom Himmel fällt,
Vergräbt sich tief in meines Herzens Tale.

Die Abendzeit verdüstert sehr mein Blut,
Durchädert qualvoll meine müde Seele.
Nackt steigt sie wieder aus der vorweltlichen Flut
Und bangt, dass sie verkörpert hier auf Erden fehle.

Und was der Tag, noch ehe er erwacht,
Versäumte morgenrötlich zu erleben,
Reicht ihm das träumerische Bilderspiel der Nacht,
In lauter bunterlei Geweben.

Es bringen ferne Hände mir nach Haus
Aus gelben Sicheln einen frommen Strauss.
Der Zeiger wandelt leise um das Zifferblatt
Der Sonnenuhr, die Gold von meinem Leben hat.

Sie glüht vom Pochen überwacht
Und läutet zwischen Nacht und Mitternacht . . .
Da wir uns sahen in der rätselhaften Stunde -
Dein Mund blüht, tausendschön, auf meinem Munde.

All meine Lebenslust entfloh
Im dunklen Gewande mit der Abendzeit.
Ich suchte unaufhörlich einen Himmel wo . . .
Nur in der Offenbarung ist der Weg zu ihm nicht weit.

Und weiss es nicht, ob meine Mutter mein . . .
Es war, die mir erschien im lichten Engelskleid . . .
Bald ruht mein Herz zeitlos im Immersein . . .
Geweihter Talisman für alle Ewigkeit.
(S. 261-262)
_____



Die Verscheuchte

Es ist der Tag in Nebel völlig eingehüllt,
Entseelt begegnen alle Welten sich -
Kaum hingezeichnet wie auf einem Schattenbild.

Wie lange war kein Herz zu meinem mild . . .
Die Welt erkaltete, der Mensch verblich.
- Komm, bete mit mir - denn Gott tröstet mich.

Wo weilt der Odem, der aus meinem Leben wich? -
Ich streife heimatlos zusammen mit dem Wild
Durch bleiche Zeiten träumend - ja, ich liebte dich.

Wo soll ich hin, wenn kalt der Nordsturm brüllt -?
- Die scheuen Tiere aus der Landschaft wagen sich -
Und ich - vor deine Tür, ein Bündel Wegerich.

Bald haben Tränen alle Himmel weggespült,
An deren Kelchen Dichter ihren Durst gestillt,
Auch du und ich.

Und deine Lippe, die der meinen glich,
Ist wie ein Pfeil nun blind auf mich gezielt -.
(S. 262)
_____



Ich liege wo am Wegrand übermattet

Ich liege wo am Wegrand übermattet -
Und über mir die finstere, kalte Nacht
Und zähl schon zu den Toten, längst bestattet.

Wo soll ich auch noch hin von Grauen überschattet,
Schutzengel haben nur auf Kinder acht -
Doch glaubt ich, daß ihr Menschen lieb mich hattet.

Die ich vom Monde euch mit Liedern still bedacht,
Und weite Himmel blauvertausendfacht;
Nur weil ihr Gott zur Ehre alles tatet.

Die heilige Liebe, die ihr blind zertratet,
Ist ja Sein Ebenbild! - Ihr habt es umgebracht,
Zu dem ihr herzhinpochend einst gewallfahrtet.

Darum auch lebten du und ich in einem Schacht
Und doch im Paradiese blumumblattet -
Bis wir erlagen hold versunken schwarzer Niedertracht.
(S. 264)
_____



Es kommt der Abend . . .

Es kommt der Abend und ich tauche in die Sterne,
Daß ich den Weg zur Heimat im Gemüte nicht verlerne.
Umflorte sich auch längst mein mich vertriebenes Land.

Es ruhen unsere Herzen liebverwandt,
Gepaart in einer Schale: Weiße Mandelkerne.

. . . Ich weiß Du hältst wie früher meine Hand
Verwunschen in der Ewigkeit der Ferne . . .
Ach meine Seele rauschte, als dein Mund - es mir gestand.
(S. 265)
_____



Die Dämmerung naht . . .

Die Dämmerung naht - im Sterben liegt der Tag;
Sein Schatten deckt mich zu, der kühl auf einem Blatte lag,
Auf seinen roten Beeren.

Ich baute uns ein Himmelreich, dir unantastbar zu gehören;
Das aber an den Riffen deiner Herzensnacht zerbrach.

Die Vögel singen und vom Nachtigallenschlag,
Erzittert noch mein Bild am Wald im Bach.
- Dir will ich es verehren.

Die Dämmerung naht - im Sterben liegt der Tag
Und müde rankt sich meine Seele um dein Dach.
(S. 266)
_____



<Komm mit mir in das Cinema>

Komm mit mir in das Cinema,
Dort findet man, was einmal war:
Die Liebe!

Liegt meine Hand in deiner Hand
Ganz übermannt im Dunkel,
Trompetet wo ein Elefant
Urplötzlich aus dem Dschungel -

Und schnappt nach uns aus heißem Sand
Auf seiner Filmenseide
Ein Krokodilweib, hirnverbrannt,
Dann - küssen wir uns beide.
(S. 267)
_____



Herbst

Ich pflücke mir am Weg das letzte Tausendschön . . .
Es kam ein Engel mir - mein Totenkleid zu nähen -
Denn - ich muss andere Welten weiter tragen.

Das ewige Leben dem, der viel von Liebe weiß zu sagen.
Ein Mensch der Liebe kann nur auferstehen!
Hass schachtelt ein, wie hoch die Fackel auch mag schlagen.

Ich will dir viel, viel Liebe sagen,
Wenn auch schon kühle Stürme wehen,
In Wirbeln sich um Bäume drehen,
Um Herzen, die in ihren Wiegen lagen.

Mir ist auf Erden weh geschehen -
Der Mond gibt Antwort dir auf deine Fragen;
Er sah verhängt mich auch an Tagen,
Die zaghaft ich beging auf Zehen.

Es rosten alle Blätter der Alleen -
Und viele ihrer Früchte faulen auf den Seen.
(S. 271-272)
_____



Mein Liebeslied

In meinem Schosse
Schlafen die dunklen Wolken - -
Darum bin ich so traurig, du Holdester.

Ich muss deinen Namen rufen
Mit der Stimme des Paradiesvogels,
Wenn sich meine Lippen bunt färben.

Es schlafen schon alle Baeume im Garten, -
Auch der nimmermüde
Vor meinem Fenster -

Es rauscht der Flügel des Geiers
Und trägt mich durch die Lüfte
Bis über dein Haus.

Meine Arme legen sich um deine Hüften,
Mich zu spiegeln
In deines Leibes Verklaertheit.

Lösche mein Herz nicht aus! . . .
Du den Weg findest -
Immerdar.
(S. 276)
_____



Ergraut kommt seine kleine Welt zurück

In meinem Herzen spielen Paradiese . . .
Ich aber kehre aus versunkenem Glück
In eine Welt trostloser Entblätterung zurück.

Ein Grübchen lächelt ahnungslos aus einer Wiese,
Ein Bach, doch auf dem Grunde dürstet sein Geschick.

Ich leide sehr um sein verflüchtend Glück -
Darum ich mich des Tauchens heller Lust verschliesse.

Aus meinem Herzen fallen letzte Grüsse
Vom Lebensfaden ab - dir schenk ich diese.

Die Sonne heftet im Kristall der Kiese,
Noch scheidend ihren goldenen Augenblick.

Gott weint . . . ergraut kommt seine kleine Welt zurück,
Die Er in Seiner Schöpfung schnitt aus himmlischem Türkise.

Es lehren Flügelmenschen, die des Wegs ein Stück
Mich, meines Amtes wegen, stärken und begiessen -
Und wieder jenseits in die Lüfte fliessen:
Dass ich für - unerfüllte Gottesweisung - büsse.
(S. 291-292)
_____



Und

Und hast mein Herz verschmäht -
In die Himmel wärs geschwebt
Selig aus dem engen Zimmer!

Wenn der Mond spazieren geht,
Hör ichs pochen immer
Oft bis spät.

Aus Silberfäden zart gedreht
Mein weiss Gerät -
Trüb nun sein Schimmer.
(S. 296)
_____



So lange ist es her . . .

Ich träume so fern dieser Erde
Als ob ich gestorben wär
Und nicht mehr verkörpert werde.

Im Marmor deiner Gebärde
Erinnert mein Leben sich näher.
Doch ich weiss die Wege nicht mehr.

Nun hüllt die glitzernde Sphäre
Im Demantkleide mich schwer.
Ich aber greife ins Leere.
(S. 296)
_____



Ein Liebeslied

Komm zu mir in der Nacht - wir schlafen engverschlungen.
Müde bin ich sehr, vom Wachen einsam.
Ein fremder Vogel hat in dunkler Frühe schon gesungen,
Als noch mein Traum mit sich und mir gerungen.

Es öffnen Blumen sich vor allen Quellen
Und färben sich mit deiner Augen Immortellen . . .

Komm zu mir in der Nacht auf Siebensternenschuhen
Und Liebe eingehüllt spät in mein Zelt.
Es steigen Monde aus verstaubten Himmelstruhen.

Wir wollen wie zwei seltene Tiere liebesruhen
Im hohen Rohre hinter dieser Welt.
(S. 297)
_____



Ich liebe dich . . .

Ich liebe dich
Und finde dich
Wenn auch der Tag ganz dunkel wird.

Mein Lebelang
Und immer noch
Bin suchend ich umhergeirrt.

Ich liebe dich!
Ich liebe dich!
Ich liebe dich!

Es öffnen deine Lippen sich . . .
Die Welt ist taub,
Die Welt ist blind

Und auch die Wolke
Und das Laub -
- Nur wir, der goldene Staub
Aus dem wir zwei bereitet:
- Sind!
(S. 298-299)
_____



Dem Holden

Ich taumele über deines Leibes goldene Wiese,
Es glitzern auf dem Liebespfade hin die Demantkiese
Und auch zu meinem Schosse
Führen bunterlei Türkise.

Ich suchte ewig dich - es bluten meine Füsse -
Ich löschte meinen Durst mit deines Lächelns Süsse.
Und fürchte doch, dass sich das Tor
Des Traumes schliesse.

Ich sende dir, eh ich ein Tropfen frühes Licht geniesse,
In blauer Wolke eingehüllte Grüsse
Und von der Lippe abgepflückte eben erst erblühte Küsse.
Bevor ich schwärmend in den Morgen fliesse.
(S. 300)
_____



Die Unvollendete

Es ist so dunkel heut am Heiligen Himmel . . .
Ich und die Abendwolken suchen nach dem Mond -
Wo beide wir einst vor dem Erdenleben,
Schon nahe seiner Leuchtewelt gewohnt.

Darum möcht ich mit dir mich unlösbar verweben -
Ich hab so Angst um Mitternacht!
Es schreckt ein Traum mich aus vergangenem Leben
An den ich gar nicht mehr gedacht.

Ich pflückte mir so gern nach banger Nacht
Vom Berg der Frühe lichtgefüllte Reben.
Doch hat die Finsternis mich umgebracht -
Geopfert deinem Wunderleben.

Und es verblutet, was du mir,
Ich dir gegeben,
Und auch das bunte Sternenzeichen
Unserer engverknüpften Hand,
Das Pfand!!

Und neben mir und dein -
Auf meinem Herzen süssgemalt enthobnem Sein
- Tröstet mich ein Fremder übermannt.

Ihm mangelt an der Ouvertüre süssem Tand
Streichelnder Flüsterspiele seiner Triebe,
Verherrlichend den keuschen Liebeskelch der Liebe.
(S. 300-301)
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Ich säume liebentlang

Ich säume liebentlang durchs Morgenlicht,
Längst lebe ich vergessen - im Gedicht.
Du hast es einmal mir gesprochen.

Ich weiss den Anfang -
Weiter weiss ich von mir nicht.
Doch hörte ich mich schluchzen im Gesang.

Es lächelten die Immortellen hold in deinem Angesicht,
Als du im Liebespsalme unserer Melodie,
Die Völker tauchtest und erhobest sie.
(S. 301)
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An Apollon

Es war am Abend im April.
Der Käfer kriecht ins dichte Moos.
Er hat "so" Angst - die Welt "so" gross!

Die Wirbelwinde hadern mit dem Leben,
Ich halte meine Hände still ergeben
Auf meinem frommbezwungenen Schoss.

Ein Engel spielte sanft auf blauen Tasten,
Langher verklungene Phantasie.
Und alle Bürde meiner Lasten,
Verklärte und entschwerte sie.

Jäh tut mein sehr verwaistes Herz mir weh -
Blutige Fäden spalten seine Stille.
Zwei Augen blicken wund durch ihre Marmorhülle
In meines pochenden Granates See.

Er legte Brand an meines Herzens Lande -
Nicht mal sein Götterlächeln
Liess er mir zum Pfande.
(S. 302)
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An -

Mein Angesicht liegt nachts auf deinen Händen
Es leuchten stille Kerzen von den Wänden
Und werfen um mich einen feierlichen Schein.
Ich will dein heiliger Widder sein
Führ mich zur Opfergabe in den Hain

Die Welt bricht auf an allen Enden
Und an den Stöcken glüht in zarten Ampeln süßer Wein.
Und Mond und Sterne gehen auf mit meinem Herzen im Verein.
Um meine Lenden sprießen feierlich verzückt: vergessene goldene Legenden.

Und die Welten um mich streiten sich
Und berauschen sich am blutigen Weine.

Weißt du noch im Mondenscheine?
Du und ich -
Ehe noch mein Herz verblich
Und ich deinem Herzen glich
Tausendmalundeins verklärt um dich -

Bette meine Liebe fürsorglich
Zwischen leisverpochendem Gebeine -
Müde bin ich wie der rote Rotdorn
Und der weiße Kleine -

An der Hecke drüben und - sich mußten lieben
Und - nie fanden sich -
(S. 354-355)
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Ich schlafe in der Nacht -

Ich schlafe in der Nacht an fremden Wänden
Und wache in der Frühe auf an fremder Wand.
Ich legte mein Geschick in harten Händen
Und reihe Thränen auf,
So dunkle Perlen ich nie fand.
Ich habe einmal einen blauen Pfad gekannt
Doch weiß ich nicht mehr
Wo ich mich vor dieser Welt befand.
Und - meine Sehnsucht will nicht enden! . . .
Vom Himmel her sind beide wir verwandt
Und unsere Seelen schweben übers Heilige Land
In "einem" Sternenkleide leuchtend um die Lenden.
(S. 356)
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Mit dir, Goldlächelnden -

In meinem Herzen wächst ein Rosenzweig
Sein Duft berauscht so weich den Sinn.

Vernimm das Bächlein rauschendes
In meiner Grube tief im Kinn.

Und immer kommt die Nacht -
Nach ihr der Tag im kühlen Wolkenlinn'.

Springt eine Welle an den Strand
Ergreif ich sie ganz schnell mit meiner Hand.

Zu spiegeln mich - daß ich noch bin
Und du in meiner dunklen Pupill.

Dann schweben wir unmerklich still
Ins blaue Land empor beseligend traumhin.
(S. 356)
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Ein Liebeslied

Nun stirbt das Laub der Bäume wieder
Und aller Vögel weiche Liebeslieder
In jedem einzigen späten Blatt.

In deinen dunkelen Indianerhaaren
Duftet noch des Nadelwalds Gefieder.
Die Sonne küßte seine Farbe satt.

Bald schneien kalte Wintersterne nieder
Sie reifen weiß im Silberarm der Wolkenglieder
Ich weiß noch, - als sie Wölkchen waren

Der Himmel öffnete die jungen Augenlieder -
- Wir waren eingeschlummert beide müde -
Mild übte sich der Lenz im Regnen der Etüde.
(S. 362)
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Aus: Else Lasker-Schüler Werke und Briefe
Band 1: Gedichte Kritische Ausgabe
Erste Auflage 1996
Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1996

 


Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Else_Lasker-Schüler


siehe auch:
Komm zu mir in der Nacht - wir schlafen engverschlungen . . .
Else Lasker-Schüler (1869-1945) - Bilder / Gedichte / Prosa


 

 


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