Der Völker
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(Ausgewählte Gedichte)
 

(c) Jutta Nowack pixelio.de
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Aus dem Hohen Lied Salomos


Zur Nacht

Ich war entschlafen, doch mein Herz war wach.
Horch, da klopft mein Geliebter: "Mach mir doch auf,
Meine Schwester, meine Freundin!
Mein Täubchen, meine Beste!
Denn mein Haupt ist voll vom Thau,
Und meine Locken von Tropfen der Nacht."
""Ich hab' ausgezogen mein Kleid,
wie sollt' ich's doch anziehen?
Ich hab' gewaschen meine Füße,
wie sollt' ich sie beschmutzen?""
Mein Geliebter streckte die Hand durchs Fenster,
Und mein Innerstes wogte ihm entgegen.

Da stand ich auf, zu öffnen dem Liebsten,
Und meine Hände trieften von Myrrhe,
Und meine Finger von quillender Myrrhe.
Da öffnete ich meinem Geliebten;
Doch mein Geliebter war fort, war entschwunden;
Ich war nicht bei Sinnen, während er sprach.

Da sucht ich ihn und fand ihn nicht,
Rief, doch er hörte mich nicht.
Mich fanden die Wächter, die umhergehn in der Stadt;
Sie schlugen mich wund, hoben mir den Schleier.
Ich beschwör' euch, ihr Töchter Jerusalems:
Wenn ihr findet den Liebsten, was wollt ihr ihm sagen?
Daß ich krank bin vor Liebe!

(übersetzt von Ernst Heinrich Meier 1813-1866)

 

 

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Eine Blütenlese aus der gesammten Liebeslyrik
aller Zeiten und Völker
In deutschen Uebertragungen
Herausgegeben von Heinrich Hart und Julius Hart
Zweite Auflage
Leipzig Verlag von Otto Wigand 1889 (S. 27)