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Anakreon
(550 v. Chr. - 495 v. Chr.)
Das Portrait der Geliebten
Höre, bester aller Maler,
Male, bester aller Maler,
Du, der Kunst auf Rhodos Meister,
Male meines Liebchens Bildnis,
Des entfernten, wie ich's schildre:
Male mir zuerst die Haare,
Glänzend weich in dunkler Fülle,
Wenn dein Pinsel diese Kraft hat.
Male sie von Salben duftend,
Male oberhalb der Wangen
Unter dunkelschwarzen Locken
Eine Stirn von Alabaster;
Doch verdirb mir ja den Raum nicht
Zwischen beiden Augenbrauen,
Wie bei ihr, so sollen hier auch
Sie in leiser dunkler Wölbung
Unvermerkt zusammenfließen.
Male, wie er ist in Wahrheit,
Ihren Strahlenblick aus Feuer,
Bald lebendig, wie Athene's,
Bald auch feucht, wie bei Cythernen.
Bei den Wangen und der Nase
Mische Rosenroth mit Milchweiß;
Male Lippen, wie der Peitho,
Die zum Kusse lockend laden,
Um des Kinnes zartes Grübchen,
Um das weiße Marmorhälschen
Sollen alle Grazien schweben.
Kleide sie in sanften Purpur
Und in luftige Gewänder,
Doch vom Körper soll ein wenig
Durch das Kleid verräthrisch schimmern.
Doch nun halt! Ich seh', sie ist es,
Bald auch, Bildnis, wirst du sprechen.
(übersetzt von Jacob Achilles Mähly 1828-1902)
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