Der Völker
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(Ausgewählte Gedichte)
 

(c) sassi pixelio.de
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Tibullus
(55 v. Chr. - 19 v. Chr.)


Gebet für die Geliebte

Komm, o Phöbus, und rette das Mädchen von zehrender Krankheit;
Komm, o Phöbus herab, Stolzer mit fliegendem Haar!

Glaube mir, Eil' ist Noth und nimmer wird dich's gereuen,
Daß du dem schönem Kind rettend, o Helfer, genaht.

Laß die schönen Glieder, die bleichen, laß sie nicht schwinden,
Noch entstelle sie auch röthend die fiebernde Glut.

Und was alles ihr droht, und was wir alles befürchten,
Nimm es und senk's in des Meeres reißende Wogen hinab!

Heiliger, komm und bringe mit dir wohlthätigen Balsam
Und den Gesang, der lind krankende Glieder erquickt,

Quäle den Jüngling nicht, der fürchtet ein finstres Verhängnis
Und Gelübde für sie stündlich unzählige thut.

Bald gelobt er und bald, ach, weil die Geliebte so krank ist,
Stößt er lästerndes Wort gegen die Himmlischen aus.

Laß, Cerinthus, die Angst! Der Liebenden schonet die Gottheit,
Gieb nur der Liebe dich hin, siehe, so wird sie gesund.

Jetzo weine du nicht, dann magst du weinen mit Grunde,
Wann sie künftig einmal finstere Launen dir zeigt.

Doch jetzt ist sie ja dein, dich trägt sie nur stets in Gedanken,
Und der Bewerber Schar täuscht sich mit Hoffnung umsonst.

Hilf, o Phöbus, es wird dir der Ruhm, in Einem geheilten
Körper habest du zwei liebende Herzen geheilt.

Freudig und ruhmvoll schauest du bald, wie die schuldigen Opfer
Froh auf heiligem Herd beid' um die Wette dir weih'n.

Und glückselig preist dich die Schar der Götter, der guten,
Jeder wünschet sich auch deine benedeite Kunst.

(übersetzt von Otto Friedrich Gruppe 1804-1876)

 

 

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