Der Völker
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(Ausgewählte Gedichte)
 

(c) Daisy Schulz-Ehlers pixelio.de
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Propertius
(48 v. Chr. - 15 v. Chr.)


An Cynthia

Hier in der Einsamkeit, wo in Schweigen die Klage begraben,
Wo nur der Zephyr streicht durch den verlassenen Wald,

Hier kann laut und getrost ich die wühlenden Schmerzen verkünden,
Wenn das Geheimnis der Fels wahrt in verschwiegener Brust.

Wo nur such' ich den Grund, o Stolze, des kalten Gebarens?
Welches mich drückende Leid, Cynthia, klag' ich zuerst?

Eben noch zählte man mich zu den glücklich liebenden Seelen;
Jetzt zum Tempel des Glücks stäupst du mich Armen heraus!

Sag', was verbrach ich! wie heißt die Schuld, die der Liebe den Stoß gab?
Wär's ein Liebchen, das neu dir zum Verdruß ich erkor?

Wärst du so sicher mir hold, als nie ein andres Mädchen
Kam mit dem niedlichen Fuß über die Schwelle zu mir!

Hab' ich auch bittres Leid um deinetwillen erduldet,
Wird doch niemals so heiß lodern mein Rachegefühl,

Daß ich Thränen der Wuth, nie endender Wuth, dir entlockte,
Die mit entstellendem Roth färbten dein leuchtendes Aug!

Hab' ich dir wohl je Zeichen verlöschender Gluten gegeben?
Zeugt mein ehrlich Gesicht nicht von der Treue der Brust?

Wohl! so zeuge denn du (wenn jemals liebten die Bäume,)
Buche, zeuge denn du, Fichte, Geliebte des Pan,

Wie so oft ich geseufzt in eurem bergenden Schatten,
Eurer Rinde so oft Cynthias Namen vertraut.

Ach! die zehrenden Sorgen, die mir dein launisches Wesen
Schuf, zu erzählen, das weiß blos die verschwiegene Thür.

All dein herrisches Wesen - ich hab' es in Ängsten getragen,
Niemals klagt' ich den Schmerz laut im erlösenden Wort,

Und mein Lohn? Durch waldige Berge, durch starrende Felsen
Irr' ich und bette mich hart auf dem verwachsenen Pfad,

Will ich vor lebenden Wesen den Strom der Klage ergießen,
Ist es der zwitschernde Chor, der mit dem Einsamen weilt;

Allem zum Trotze jedoch soll stets dein Name, Geliebte,
Hallen im Echo des Wald, hallen am einsamen Fels.

(übersetzt  von Jacob Achilles Mähly 1828-1902)


 

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Eine Blütenlese aus der gesammten Liebeslyrik
aller Zeiten und Völker
In deutschen Uebertragungen
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Zweite Auflage
Leipzig Verlag von Otto Wigand 1889 (S. 64-65)