HEYRATH
Siehe:
Hymen und
sich verehligen.
In der Liebe giebt es eine Art von Heyrath, welche man geheime oder
Gewissensheyrath nennt:
Die Bücher so uns von dem Leben
Verliebter Herzen Nachricht geben,
Benennen dieses einen Bund,
Und machen uns dabey auch das Verfahren kund,
Man pflegt die halbe Lust der Liebe zu geniessen,
Davon allein nur die Vermählten wissen,
Der Vorschmack von der Hochzeitsnacht,
Und was noch sonst die Liebe schätzbar macht,
Zeigt sich allhier in solchen Bildern,
Als wenn die Mahler oft den ersten Grundriß schildern.
Diese Vereinigung, welche voller Süßigkeit bey zärtlichen Gemüthern ist,
hat auch ihre schlimme Seite. Eine Historie, welche alle Schönen
auswendig wissen sollten, wird uns statt der Erläuterung dienen.
Unter der Regierung der Valois waren diese Heyrathen erlaubt, und man
konnte sich eben so wenig davon loß machen, wenn man sich einmal dazu
verstande hatte, als von der feyerlichsten Hochzeit. Ein junger Herr
(Herr von Montmorency), der wegen seiner Verdienste und Geburth einer
der Vornehmsten war, schloß ein solch zärtliches und damals noch
gültiges Bündniß mit einer ungemein liebenswürdigen Jungfer (Fräulein
von Pienne), die aber weit unter seinem Stande war. Sie lebten glückselig
in dem Vergnügen und Genuß ihres Geheimnisses. Allein da der König
(Heinrich II.) unserem Verlobten eine wirkliche Prinzessin (Diana von
Frankreich, Prinzessin Heinrich II. und der Diana von Poitiers), die
seine Tochter gewesen, vorschlug, so bestritte die Großmuth die Liebe,
doch so, daß die letztere einige Zeit Stand hielt: die Moral kam ihr
dabey zu Hilfe. Allein ein Vater, welcher ein regierender König ist, und
andere glückliche Vortheile überwiegt, dennoch: die Liebe und die Moral
zogen den kürzeren; der Verliebte betrog seine Liebste und legte die
Hand zu Vollstreckung eines neuen Edictes an, davon sie das erste Opfer
gewesen, und welches nunmehro zu einem Schrecken aller derjenigen
Heyrathen dienet, so nur nach den Gebräuchen der Cythere geschehen sind.
Dieses Edict hat heutiges Tages mehr Kraft als jemals, und man sieht
diejenigen so nur im Gewissen verlobt sind, sich demselbigen ziemlich
willig unterwerfen. Eine geheime Heyrat bedeutet also nicht mehr als ein
Versprechen zu heyrathen. Siehe dieses Wort.