Wassily Kandinsky
(1866-1944)
Improvisation 209
|
Das Hohelied Salomonis
in drei und vierzig Minneliedern
aus dem 13. und 14. Jahrhundert
1.
Osculetur me osculo
Kap. 1
Mich kust ir minneclicher kus.
ein mündel der übergulde1
ein überflug.
der werden2 creatur
ein ere.
zu der ich kere.
wann3 ir prüstlein.
sein violein.
vor allen wein.
sein ir salben stark.
zu dem wil ich mich keren.
mein seld4 mag sich
meren.
wann ir nam ist eins obses trauf.5
vñ ist aller wird ein wirdig kauf.6
auz keyserlicher art.
rein uñ zart.
ein adamas der herte art.7
dorvn sein.
ir di jungen maidlein.
noch ir fart.8
derselben vntertenig sein.
vñ volgen ir uert.9
von aaron plünde gert. 10
1. Ein vergoldetes Mündlein. - 2. werthen. - 3.
denn. - 4. Glückseligkeit -
5. ein Obstzweig. - 6. ist ein Kauf, aller Würden (Ehren) werth. -
7. ein Diamant von härtesten Art. - 8. darum sind die jungen
Mädchen ihre Begleitung. - 9. ihren Fußstapfen. - 10. blühende Ruthe.
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2.
Ego flos campi et lilium convallium
Kap. 2
Ich pin ein plum dez praitten veldes.
und ein lilig in awe gemait.1
Ich pin ein ros.
uz werden clos.†
berait zu warer minne.
mit irm sinne.
mein fridel2
sei daz geseit.3
mein plünder gart4
sei im berait.
er kum do hin.
leiht5
sein gewin.
eins küssen wirt do inne.
vert er in steter minne.6
in dem garten.
will ich warten.
des vil zarten.
gar mit allem fleizz.
ich enrüch7
wer mirs verweiß.
1. In erquickender
Aue. - † Aus fruchtbarem Erdreiche. -
2. Friedrich, Freund, Geliebter. - 3. gesagt. - 4. Garten. -
5. liegt. - 6. wenn er in steter, bleibender Liebe verharret. -
7. ich ruhe nicht, oder ich würde mich gegen den rächen,
würde es rügen.
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3.
Ego compera
Vermuthlich Kap.
3
Ich pin der minne gar berait.
ein stolze mait.
wunnevar in plünder minheit.1
nie gesnait.2
wer ir gert tugentlich.3
der wirt rich.
do pei trag4
der eren cleit.
mit vunterscheid.
dor an kein mensch denn mein hend.5
mein mineclich.
der ist nit glich.
mein libez liep sprich zu mir.
uz sender gir.6
mein liep loz mich zu dir.
durch deiner rosen ewglein.7
daz ist so vein.
daz di lilgen entsprungen8
sein.
von grünt gewalticlich.9
wann si ist so minneclich.
wir schullen10
gen gegen perg.11
vñ erfüllen do der minne werk.
uns do frewen.
vñ achtent niemantz drewen.
dovon süslich sprechen.
denn12
schull13
wir für paz14
gen.
do wir di rosen vinden sten.
vñ di rosen.
zeitlosen.†
vz ir closen15
prechen.
wir furhten16
niemants rechen.17
lieb mir kum.18
zu deinen frum.19
honig hat mein gum.20
on allen rum.
vñ honigsaim dir behalten.
daz wil ich dir spalten.21
1. Freudenvoll in
blühender Liebe. - 2. nie verunehret. -
3. wer ihrer bescheiden, tugendhaftig begehret. -
4. trage ich. - 5. hier mangelt etwas im Msct. vermuthlich müssen
die Worte "gearbeitet haben" dazu gedacht werden. -
6. Begierde. - 7. Aeuglein. - 8. hervorgewachsen. -
9. vom gewaltigem Triebe zu grünen. - 10. sollen. -
11. gegen den Berg, also den Berg hinauf gehen. -
12. dann. - 13. sollen. - 14- fürpaß, weiter, fürter. -
†. Narcissus, ephemeron, calchium. -
15. aus den Schollen, dem Erdreich. - 16. fürchten. -
17. Rache, Drohung. - 18. komme zu mir. -
19. zu deinem Frommen, Nutzen. - 20. Gaumen. -
21. mit dir theilen.
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4.
Aperi michi
Kap. 5
Nu tu mir auf taub mein.1
ein prehende2
ros zart vñ vein.
daz ich mit dir mag3
gesein.
vnz4
der tag wirt schein.5
vnz di naht6
genaigt sich.
waz du den lieb wilt daz tu ich.
zeuh mich noch dir mit deim smack.7
ich lauf noch dir alz ich mag.8
1. Meine Taube. - 2.
aufbrechende, sich entfaltende. -
3. könne. - 4. bis. - 5. anbrechen wird. - 6. Nacht. -
7. Geruch. - 8. so viel ich vermag, kann.
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5.
Dilectus meus
Kap. 5
Mein fridel glüt in glünder röt.
vnde rötet in werder nöt.1
vor mangen tausent uz erwelt.
sein haupt für edels golt gezelt.
mein liep sein2
gar in rehter prait.3
reht alz di palm in solher heit.4
swarzt alz ein rab ist sein knok.5
raid6
ist seins höres lok.7
1. Hier ist's dunkel,
vielleicht soll es heißen: und erröthet
in gehöriger Gluth, wie ein feuriger und züchtiger Liebhaber
beim Anblick der Geliebten unwillkührlich erröthen muß,
daher das Wort: not. - 2. und 3. er ist mein Geliebter
in völliger Größe, im engsten Sinne des Wortes,
oder wie wir oft sagen: nach allen Dimensionen,
in jeder Hinsicht. - 4. wie ein Palmbaum auf seinem Grund
und Boden. - 5. Knochen, vorzugsweise der Schädel, der mit
Haaren bedeckte Theil des Hauptes. - 6. gerade,
gehörig geordnet. - 7. sind seines Haares Locken.
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6.
Mandagora
Kap. 7
Di olraun1
geben iren smak.
zu jerusalem an allen crach.2
new vñ alt oppfel uf den tag.3
ob†
ich zu dir kumen mag.4
di hon ich behalten dir.
libez liep kumstu zu mir.
di lilgen vindest all berait.
wol mich5
daz dich di erde trait.6
1. Blumen von schöner
Gestalt und starkem Geruch. -
2. an allen Ecken. - 3. auf den Tag, wie das Lat. in diem.
Dabei ist zu ergänzen: sind bereit. -
†. an welchem. - 4. kann. - 5. mir, Acc, statt des Dativ.
6. daß dich die Erde trägt, daß du für mich Daseyn hast.
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7.
Dilectus meus misit
Kap. 5
Mein libez liep sein rehte hant.
di mir durch ein lüge1
wart gesant.
vñ rürt daz velsloz2
meiner tür.
in fenster vñ in leiser kür.3
mein liep seim griff erhischt.4
daz mir nimmermer erlischt.5
mein leip mein sel frewen sich.
vor rehter lieb alz ich vergich.6
ich stunt vf vñ wolt vf tun.
mein lieb vñ mein sun.
doch waz er abgan.7
noch dem sich mein herz je san.8
laider mir doch nie geschah.9
do ich meins libez nit entsah.10
1. Oeffnung, Ritz. -
2. Ringelschloß. - 3. Erwählung, Suchen. -
4. er erhaschte, erfaßte meinen Leib. - 5. aus dem
Gedanken kommt. - 6. vergehe. - 7. davon gegangen. -
8. sehnte. - 9. niemals wurde mir so leid. -
10. erblickte.
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8.
Iho michi ad montem
Kap. 4
Seht donoch1
ich irr.
nit engie noch mirr.2
ein weg ich mir empfie.3
zu reht ich den gie.4
vf den perg zu libano.
mit mein fridel wart ich do fro.
vñ erkost mich5
mit im do.
süss antwurt gab er mir so.6
er sprach got grüz dich raine praut.
meins herzen traut.7
mein schonste mein nehst8
got geb dir hail.
gib mir dein minn ein teil.
nun kum ein auzzer welte prant.
zu der porten still nit uberlaut.
von dem perg libano.
lieb nu ge wir anderswo.9
zu dem perg hermon vñ sigir.
lib so ge wir nimmer irr.
nit warten wie di liben lilgen.
noch ob wir jungen sein geswigen.10
wo der liebhart gefurt sei.11
do schull wir ferr wonnen pei.12
1. Weßwegen. - 2. ich
gehe nicht nach Myrrhen;
hier spricht der Verfasser dem Texte gerade entgegen. -
3. vorsetze, anfahe, vornehme. - 4. welchen ich
zur Rechten gehe. - 5. bespräch mich liebreich. -
6. also. - 7. getraute meinem Herzen. - 8. nächste. -
9. anderstwohin. - 10. Heerden; hier lautet es so dunkel,
daß es vermuthen läßt, der Abschreiber habe entwas
übersehen. - 11. wo der Liebhaber (der Heerden), der Beisitzer
sich gelagert habe. - 12. daselbst sollen wir künftig
unsere Wohnung haben.
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9.
Egredimini fylie syon
Kap. 3
Get uz ir töhter von syon.
schon1
so kumt künk salomon.
in seiner reichen kron.
di im sein muter gab zu lon.
an den tag seiner enpfehtunge.2
frewt euch paid ir maid junge.3
an dem tag der frewd sein.
vñ an dem tag der wirtschaft mein.4
1. Bald, eilends. - 2.
Vermählung. 3. alle ihr jungen Mädchen. -
4. Hochzeit, Gasterei.
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10.
Cum esset rex in acubitu
Kap. 1
Do künk salomon in seim palast.
mit wirden mit hoffart1
sazz.
do pei gar nahen ein pet stunt.
dor an di jungen maid ruent.2
mein nardus gab vil süssen smack.
alda der künk lag.
vñ auch an allen orten gar.
zu jerusalem der porten zwar.3
1. Mit Würden und Glanz. -
2. ruhten. -
3. der Sinn davon ist: Obgleich der Geruch nur von Jerusalem ausging,
wurde er doch an allen Orten gespüret, empfunden.
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11.
In sunamite et
Kap. 7
Nu pruffet waz sunamitis sei.
daz bedeut man hipei.
alz ist gesprochen senft allein.1
so ist mein süß mein clar mein rein.
nu seht waz pruffet ir an ir.
daz sult ir bewesen mir.2
wir sehen wan3
pürgtor.
vñ der hohen vestentor.
ach wie schon ist dein gank.
in dem geschüh ane uank.4
der hufte ualten sten dir schon.
du fürsten tohter von syon.
di alz di fürspan5
sein gestalt.
geschmeid von hohes smides gwalt.6
do zu mein lieb wol gestalt.
ir tugent ir keusch7
ist mannigvalt.
1. Es soll, lieblich davon
zu sprechen, so viel heißen: -
2. mir darthun, beschreiben, ansagen. - 3. vom. -
4. ohne Wanken, das heißt: in den nicht ausgetretenen Schuhen. -
5. Feuerspangen, von Gold, und glänzend gearbeitet. -
6. entweder Goldschmiedekunst, oder Gewalt seines Hammers. -
7. Keuschheit.
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12.
Sexaginta sunt regine
Kap. 6
Hiemit wie spricht kunk salomon.
ich trag vil hoher werden kron.
sehzig hon ich der kunginn.
vñ ahzig sein der freundin.
vñ jung maid ist one zall.
di warten mein mit fleiß zu mal.
doch ist eine di Taube mein.
volkomen gar clar vñ vein.
vor allen maiden uz er welt.
zu keiner maid ist si gezoelt.1
1. Sie ist zu keinem
Mädchen gezählt, mit keinem
verglichen; sie steht viel höher, als alle die
andern Jungfrauen.
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13.
Dilectus meus
Kap. 2
Mein lieb ist mir lieb vñ ich ir.
dez sult ir glauben mir.
si ist gleich der minn berait.
seht also kert1
die werde maid.
an der strazzen wol gemait.2
aller kron si krone trait.3
vñ über der himel köre prait.4
mein lieben lieb sei daz gesait.
1. Also verhält es sich.
2. erquicket, wohlgemuth. -
3. trägt. - 4. verbreitet, ausgebreitet.
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14.
Pessulum hostii tui
Kap. 5
Daz verlsloz1
deiner tür.
nu tu mir vf in deiner kür.2
mein libe mein taub mein libe mein schon.
ich wil dich vor allen maiden kron.3
wann mein haupt ist tawes vol.
meins herze traut4
ich sie nit wol5
von den tropfen der trübsal.
di ich nu trag alzumal.
mein hertz host du ver wunt.
gar untz6
in der sel grunt.
vñ wiz daz ez fürwar.
kaum stet an eim har.7
1. Riegelschloß. - 2. nach
deiner Wahl, nach deinem
Wohlgefallen. - 3. krönen. - 4. meine Herzensvertraute. -
5. ich befinde mich nicht wohl. - 6. bis. - 7. mein Leben
hängt nur noch an einem Haare, es steht gefährlich
mit mir aus.
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15.
Vox turturis audita est
Kap. 2
Der turteltaub stimm ist gehort.
in den velden hie und dort.
vñ in den türnen jerusalem.
wer do wol di rede vernem.1
von osten kumt vil susser wint.
vñ macht aquilonem plint.2
vñ durch rw3
den garten mein.
di aramatum4
süssen drein.5
1. Wer da (nämlich sich
befindet) der vernehme die Rede, Stimme. -
2. vertreibt den Nord. - 3. durchwehet. -
4. gewürzartig riechende Blumen. - 5. hauchen süßen
Duft darein, nämlich in den Ostwind.
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16.
Anima mea laquefacta est
Kap. 5
Mein sel di smiltzet alz ein eis.
in jungen tagen wirt ich greis.1
†
alz mein lieb gesprochen hat.
do ich in nit vant an der stat.
ich sucht in vast2
vñ vant sein nit.
mein lautes rüffen waz enwiht.3
antwürt nimant mir do gab.
mir viel senenden knab.4
der stat hök5
mich funden
in jamerigen stunden.
di slugen mich ich wartt††
schreyn.
vñ namen mir den mantel mein.
vñ di der türn pflagen.6
vñ vest7
bei der maur lagen.
ir töhter von jerusalem.
nu wart8
ob mir daz wol quem.9
sagt mein lieb daz ich.
sei nach seiner minne siech.10
1. Grau. - †. Diese Stelle
muß also gefaßt werden:
Als mein Geliebter zu mir gesprochen (mir zugerufen)
hatte, (und ich die Thüre öffnete), fand ich ihn nicht
an der Stelle. - 2. sehr. - 3. entwichen, d. i. vergebens. -
4. Hier vergißt der Sänger, daß er im Namen der Braut reden sollte. -
5. der Wächter der Stadt. - ††. ich mußte. -
6. die Thurmwärter. - 7. nahe. - 8. erwäget. -
9. ob mir das geziemend sei. - 10. liebekrank.
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17.
Fuge dilecte mi
Kap. 8
Eya du mein vil libez liep.
vor allem lieb hon ich dich lieb.
den palsam perg vm sleich.
sich1
so wirstu geleich.
den rehern vñ den hinden.
di gemsel wirstu vinden.
do pei stet ein linde prait.
dor unter sull wir sein gemeit.2
1. Siehe. - 2. gemächlich,
sich labend, gemuth.
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18.
Quao abiit dic michi
Kap. 5
I.
Wo ist mein lieb gegangen ein.
dez pit ich zeig mir do hin.
du aller schon ein schones weip.
vor aller zir ist gezirt dein leip.
sag mir wo ist er gegangen.
II.
dein fridel vñ dein pravtigam.
daz wir suchen in mit dir.
I.
fraw du mit in vinden schir.1
mein lieb gegangen ist aldar.
in dem sussen lust für war.
do er balsam lilgen vil.
II.
brechen mag waz er der wil.
in demselben garten.
peid süll wir sein wartten.
Das Ganze im Dialog: Nr.
I. spricht die erste Frau,
in Nr. II. die andere. -
1. In deiner Gesellschaft
wollen wir ihn bald finden.
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19.
Surge amica mea
Kap. 2
Vil libez lieb du solt vf sten.
mein taub mein schon mit mir gen.
in dez harten flinsez hol.1
in der clüft der meger vol.2
do zaig mir daz antlütz dein.
dein stimm hell in den oren mein.
wann†
dein stimm vor aller süße.
dein antlütz clar ich sehen müße.
1. Felsen, Höhle. - 2.
voll Gemächer, kleiner Höhlen. - †. denn.
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20.
Vox dilecti mei
Kap. 5
Meins liben lib ein süße stimme.
gar on zorn vñ on grimme.
sprach tu vf hi clopf ich an.
dein fridel vñ dein pravtigam.
zarte mein swester ungemailigt.1
dein amplick sei mir vnuersait.2
sich so sull wir wesen3
fro
vñ fuhrten4
nit der neider dro.5
wir denken an di prüste dein.
di sein suß vor allem wein.
lib di rehten haben dich.6
will du der fraw ja so sprich.
1. Unbefleckt. - 2.
unversagt. - 3. seyn. -
4. fürchten. - 5. Drohung. - 6. die Redlichen lieben dich.
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21.
Quam pulcra es
Kap. 4
Ach wie schon wie zart du pist.
wol geziert in aller frist.
dein gestalt der palm ist geleich.
dein prüst der weintrauben sunderlich.
alz ein carmel ist dein haupt.
dein halz zusammen ist geclaubt.1
alz ein turn von helfenbein.
sih daz pistu fraw rein.
kum zu mir vil libe mein.
vñ gen vf den aker vein.
vñ warten wi die plumen brehen.2
der opfel fruht wir sehen.
lib do gib ich dir mein prust.
gar noch meins herzen lust.
1. Auserlesen. - 2.
sprossen, blühen, auch glänzen.
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22.
Ista est speciosa
Kap. 6
Di ist di allerschonste mein.
di in der werlt1
mag gesein.
ir töhter von jerusalem.
ich wen daz ir keiner zem.2
si fahen di tohter von syon.
vñ hilten für heilig3
schon.
vñ ir antlütz clar vñ rein.
lobten all di kuniginn.
1. Welt. - 2. ich
wähne, daß ihr Keiner zieme,
Keiner werth ist. - 3. heilig ist hier gebraucht wie bei Homer
und den neueren Dichtern das Wort göttlich, als Epith.
alles Schönen und Erhabenen.
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23.
In lectulo meo
Kap. 3
Di langen naht in mein pette.
sucht ich den mein sel lieb hete.
vñ dez selben vant ich niht.
do von wart mein frewd enwiht.
ich sucht in vñ sein nit vant.
ich stunt vf zu hant.1
durch di grozen weiten stat.
seht do ging enzat.2
durch gazzen vñ durch strozzen.
nimant wolt einlozzen.
ich sucht dem willig ist mein sel.3
durch den ich leid solche quel.
1. Alsbald. - 2. hin
und her. - 3. den meine Seele
sich willig übergibt.
_____
24.
Tota pulcra es amica mea
Kap. 4
Schon pistu alzu mal.
libez lib vñ one zcal.
on mail1
pistu gar.
dein lebs2
ein suß honig furwar.
hon vñ milch uz der zungen.
endlich ist entsprungen.
vñ deiner sußen palsam smak.
nimant wol vol ahzen mag.3
der winter scharpf vñ der regen.
di sein alzumol gelegen.4
di turteltaub ist gehort.
in dem land hie vñ dort.
di plumen geben lihten schein.
vñ di trauben geben wein.
kum mein lib von libano.
daz wir beide wesen†
fro.
daz dar††
so wirstu gekront.
vñ vor allen maiden beschonet.5
1. Flecken. - 2.
Lippe. - 3. Niemand sich satt essen kann. -
4. haben sich gelegt. - †. seyen. - ††. herbei. - 5. geschmückt,
verschönt.
_____
25.
Botrus cipri in engadi
Kap. 1
Von cipper trank daz wehst alhie.
an mein lib ich sag ew wie.
in engadi weingarten.1
†
vind ich di vil zarten.2
aller meiner gerehtigkeit.3
si ist an geleit4
††
schon dein heufel vñ clar.5
alz ein turteltaub für war.
dein halz dein fürspan sint.6
di do tragen der minn kint.7
1. Wie in den
Weingarten Engadi (bei Jericho) wo viele
Weinstöcke und Balsambäume beisammen standen,
welcher Ort, ausser dem trefflichen Wein, den er
lieferte, auch wegen des lieblichen Geruchs, der seine
Luft füllte, äußerst beliebt war. -
†. Hier sollte nach Salomon eigentlich der Geliebte
beginnen; aber der Dialog ist, wie es sich aus der
Construct. ergibt, gänzlich vernachlässigt; der Liebhaber
spricht von Anfang bis Ende. - 2. da finde ich die sehr Zarte. -
3. mit aller meiner Gerechtigkeit. - 4. angekleidet. -
††. Hier wendet sich der Sprechende direkt an die Geliebte. -
5. deine Wangen sind schön und zart. - 6. Feuerspangen. -
7. der Liebe Kind.
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26.
Nigra sum sed formosa
Kap. 1
Ich pin swarz vñ doch genem.
tohter von jerusalem.
alz ein schathaus1
in cedar.
alz salomonis waz gefar.2
merkt3
mich nit werden frawen.
daz ich pin ein lützel praun.4
geuerbt mich di sunne hat.
in gar wirdiclicher wat.5
1. Schattenhaus. - 2.
wie das des Salomons gewesen war. -
3. bemerket. - 4. ein wenig braun. - 5. in äußerst würdiger Kleidung.
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27.
Sicut malus
Kap. 2
I.
Alz ein susser opfeel baum.
den man in den velden kaum.
oder nimmer vinden mag.
wil ich sprechen one trak.1
alz mein libez lib.
vor allen rehten mir ein lib.2
vnter irm schatten alz ich gert.3
do sah ich vñ wart gewert.
süz ir fruht waz in mein gum.4
II.
der kunk fürt mich rum.
in eine celle weines vol.
do geschah mir nie so wol.
in mir ordnent er sein minne.5
mit gar senfticlichem sinne.
mit plumen bestekt er mich.
wann ich pin gar minne siech.
mit opfel ziret er mich.
von der ein paum ich gich.6
I.
dor denken hant7
dez libez mein.
vnter mein haupt sol sein.
ir rehte mich gar vmb vohe.
so wird mir zu ir minn gohe.8
Wieder ein Dialog,
wovon das Bei Nr. I. Stehende der Liebende,
das bei Nr. II. die Geliebte spricht. -
1. ohne Betrug. - 2.
vor allen andern wahren
Jungfrauen mir die Liebste. - 3. begehrt. -
4. Gaumen. - 5. er ordnete in mir seine Liebe. -
6. von dem Baume, von dem ich es begehrte, verlangte. -
7. die linke Hand. - 8. jähe, verlangend.
_____
28.
Equitavi in eo
Kap. 1
Ich gleich dich der gerehtikeit.
libez lib sei dir geseit.
in salomonis turn.
do wil ich dich hin furn.
zu den töhtern amminadab.
von jerusalem herab.
mit den sull wir frolich sein,
du vil libe di mein.
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29.
Dixi conscendam
Kap. 7
Lib ich hon gesprochen so.
in palm sei wir fro.
sih da sull wir eingan.
sussen lust sull wir fohen.
mit dir will ich kosen da.
endiclich mit mir ga.1
do wil ich mich naigen dir.
gar noch deines herzens gir.
1. Gehe eilig mit
mir.
_____
30.
Pulcra es
Kap. 6
Schon pistu raine fruht.
an dir ligt der werlt zuht.1
senft gar vñ do zu schön.
di ich vor allen maiden krön.
forhtig†
alz jerusalem.
alz der purg vest genem.
fraw nu ker dich zu mir.
in der woren minne gir.
dein zarten lok vñ deim har.
wollen mich lazzen viel gar.2
di sein alz der gais hert.
vñ gewahsen wurden fert.3
dein zen sint weis alz der sne.
vñ alz di schof geweisset ee.4
di do kumen von gileat.
sust verstu in reiche pfat.5
1. Der Welt Zucht. -
†. furchtbar, fürchterlich, dann
majestätisch, erhaben. 2. gar zu sehr reizen. -
3. die vor einem Jahre geschoren worden sind. -
4. kürzlich gereinigt. - 5. also wirst du auf fruchtbarem
Pfad kommen, auf gute Weide.
_____
31.
Que est ista
Welhe ist di also fert.1
vñ reiche ere ist ir beschert.
alz ein gold fert si do hin.
lihter vil dann ein rubin.
si leuht2
durch di wüst.
ach ich si kennen müst.
alz ein pusch gar violein.3
weyrauch mirren fürt si do hin.4
1. Prächtig herfährt,
einhertritt, einhergeht. -
2. leuchtet, strahlt. - 3. als ein Straus voller Veilchen. -
4. fährt sie dahin, breitet sich aus.
_____
32.
Ista est speciosa
Kap. 2 und 4
Di ist di zart di schon genem.
ist ir nimant wider zem.1
wie er gesehen hat dein hend.
di sind auripigment.2
vñ der minn pistu vol.
wol im den si werden sol.
1. Zu vergleichen,
entgegen zu stellen.
2. goldfarbig, glänzend.
_____
33.
Dilecta mea loquitur
Kap. 2
Mein libez lib zu mir spricht.
dem ich folg nit der fliht.1
ste pald vf vñ eil zu mir.
ungemailigt vñ zir.
di weingarten pluend sint.
do frewent sich der minne kint.
vñ der turteltauben sank.
vest2
durch mein oren clank.
kum do hin dez pit ich dich.
willtu frohlich vinden mich.
1. Schlechterdings,
ohne Bedenken. - 2. stark, hell.
_____
34.
Vulnerasti cor meum
Kap. 4
Mein herz mein sel hostn verwunt.
gar tief durch meins herzen grunt.
zarte mein swester vñ mein praut.
daz clag ich dir vber laut.
noch mer hostu mich verwunt.
daz sei deim herzen kunt.
mit dem har dez halses dein.
vñ eim har der augen dein.
kum zu mir von libano.
kum du wirst gekronet do.
_____
35.
Ego comparabilis
Vermuthlich aus
Kap. 3
Ich pin zu der minne gemeit.1
zu der minn wol berait.
welcher minner2
mir gehait.3
dem sein minn strik gelait.4
vñ mich jagen vahen wil.
dem gib ich minne spiel.5
ob er mich haben wil lib.
er müz steln alz ein diep.
tüt er den waz mich lust.
von mir wirt er leiht gekust.
der wird ober glorie mein.
nur prufet all wie mag daz sein.
1. Aufgelegt,
gestimmt. 2. Liebhaber. -
3. behaget, wohlgefällt. 4. dem seien der Liebe Schlingen gelegt. -
5. entweder: dem will ich eine Liebeständelei geben, oder:
dem will ich der Liebe gewonnen Spiel geben.
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36.
Ferculum sibi fecit.
Kap. 3
Ein geriht macht im künk salomon.
do er sazz in seim thron.
von libano dez perges holz.
waz daß mit halz1
vñ stolz.
von lauterm silber gwinn.2
all sein columne waren.
von reichem purpur sein aufgank.
in mitter minn3
vñ nit zu lank.
vñ tet daz mit solher minne.
daz di töhter wurden inne.
di do von jerusalem kem.
alz in wol gezem.4
er hiez auch mit golde strewen.
domit wolt er si erfrewen.
1. Dauerhaft,
haltbar. 2. von gediegenem Silber. -
3. mittelst der Liebe. - 4. geziemte.
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37.
Ecce tu pulcra
Kap. 1 und 4
Eya wie schon mein lib du pist.
zart vñ schon zu aller frist.
aller schon ein vber schon.
dich vor allen lib ich kron.
dein augen klar vñ palt.
alz tauben sein gestalt.
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38.
Sicut lilium inter
Alz di lilig vnter den dorn.
pistu hinden vñ vorn.
wol behüt one mail.
wenn du fürst1 der selden teil.2
rein vor allen maiden clar.
pistu fraw daz ist war.
1. Du führst bei dir.
- 2. einen Theil der Glückseligkeiten.
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39.
Fawus distillans
Kap. 4
Du pist triffender honigsaim.
dein lebs haben den haim.1
ich main dich vil raine praut.
mein libez lib meins herzen traut.
deins gewandes susser smak.
mirr vñ weirauch stet pflag.2
1. Milchram. - 2. ist
gewohnt.
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40.
Emissiones meae
Kap. 4
Mein auslatz1
ist ein paradeis.
mein libez lieb clug vñ weis.
von der sussen appfel smak.
di dein wird2
volbringen mag.
vñ der rauch3 von deim gewant.
der ist vns teil bekant.
vñ weyrauch von mirr gar.
verstu4
fraw vñ clar.
1. Emissiones meae,
was von mir ausgehet oder herkommt, in der
Vulgata aber heißt es emissiones tuae, was von dir ausgeht. -
2. deine Würde, dein Werth. - 3. Geruch. -
4. gibst du die Spur, den Geruch von dir.
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41.
Fons ortorum
Kap. 4
Aller prunn ein urspring.
du kanst schaffen reine ding.
aller wazzer pistu fluzz.
vñ der eren uberschuzz.
des prunnes der von libano.
fleust pistu gewaltig so.
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42.
Comedi favum
Kap. 5
Ich hon gaß1
den mein saum.2
vñ meins sussen hongs saim.
vñ getrunken mein wein.
der waz reht alz frölein.3
ich hon geuestent4
auch mein minn.
der enge ich jar lang inn5
vñ auch mein balsam smak.
von aramate auch pflag.
1. Gegessen. - 2.
Honigkuchen. - 3. fröhlich machend. -
4. befestigt. - 5. darinnen verbleibe ich beständig.
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43.
Soror mea
Kap. 8
Unser swester di ist clein.
vñ hat auch prüstel kein.
ich pit ew nu sagt mir.
unser swester waz tu wir.
donoch an demselben tag.
wann von mir geschiht ein frag.
ob do leiht1
ein mauer sei.
seht so sug2
wir do pei.
di perfrid3
von silber gar.
sei aber do ein tür clar.
do sull wir zu zeder holtz.
fugen daz si werde stoltz.
1. Daliegend,
gegenwärtig. - 2. so setzen. -
3. Bergfrid, d. i. ein Thurm oder Erker in der Mauer.
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44.
Arte mira
Auz wunder list auz wunder tat.1
der oberst herre gie2
zu rat.
daz er sucht seine schof.
er sprach vns zu nit durch den slof.
in dem sun vñ in dem gaist.
durch3
vnser sund aller maist.
daz er vns sunden preht.4
prust merkt vñ speht.
vnter mailes ein rok.5
lait ein mail an sein lok.5
noch kampfes gir mit starkem streit.
alz man list vñ hört weit.
der gegeben waz der maid.
von den woren gaist berait.
Diese Verse fanden
sich zwar unter vorliegenden,
gehören aber keineswegs dem Inhalte nach dazu;
denn sie bezeichnen auch gar keine Stelle des Hohenliedes,
und selbst die Überschrift Arte mira ist in keinem Codex
der Vulgata zu finden. Indessen mag ihnen als einer
schätzbaren Reliquie eine Stelle hier vergönnt seyn. -
1. Aus wundersamer Weisheit und Macht. - 2. ging. -
3. wegen. - 4. abbrächte, errettete. - 5. Diese beiden Verse
waren mir ein undurchdringliches Dunkel.
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Aus: Das hohe Lied
Salomonis
in drei und vierzig Minneliedern
aus dem 13. und 14. Jahrhundert
nebst den nöthigen Erläuterungen
Herausgegeben von J. G. Bartholmä
Nürnberg und Leipzig Verlag der Buchhandlung E. H. Zeh 1827
Vom Herausgeber:
Daß es kein undankbares Unternehmen sei, vorliegende, schon einmal von D.
Schöber [David Gottfried Schöber 1696-1778] in Gera an's Licht gebrachten,
aber längst wieder in die Nacht der Vergessenheit zurückgesunkenen
Minnelieder wieder hervorzurufen, dessen glaube ich so gewiß seyn zu
dürfen, als es höchst erfreulich seyn muß, Salomons hochgefeierte Lieder
der Liebe durch Sänger der Liebe in unsere Sprache, und gerade zu der
Zeit, wo die Sprache Teuts am einfachsten, aber auch am kräftigsten war,
übertragen zu besitzen. Und wahrlich, obgleich nur rhapsodischen
Übertragungen, sind auch ächte Lieder der Liebe, in kurzen und abgesetzten
Tönen, wie das sehnsuchtsvolle Girren der Turteltaube, wie die seelenvolle
Klage der Nachtigall, vom Augenblicke geboren; aber für eine Ewigkeit
geschaffen.
Es sind keine sklavischen Übersetzungen des Hohenliedes; sondern freie
Produktionen nach vorgelegten Thematen aus dem Liede der Lieder jenes
königlichen Sängers, Produktionen eines keine Fesseln anerkennenden
schaffenden Genius; aber eben deßhalb müssen sie uns doppelt theuer seyn,
da sie uns mit dem Geiste jener Zeit, in welcher Minne und Gesang auf
Teutschlands Fluren in voller Reinheit und Schöne blühten, wie mit
erquickenden Frühlingsodem anhauchen.
Auch haben wir uns sehr zu wundern, daß dieses Lied gerade aus dem Munde
der Minnesänger so rein, und von allen mystischen Floskeln und Hypothesen
unbefleckt, hervorging, bei welchem sich die meisten seiner Ausleger zu
allen Zeiten den gröbsten Mißbrauch zu Schulden kommen ließen, und von
dessen schlechter Auslegungsart namentlich folgende papistische Glosse ein
lebendes Zeugniß gibt:
"Salomon macht der minn buch1
dez ersten von unser frawen2
vñ donoch er di haidinn lieb gwann. do legt er ez vf si.3
man vint aber geschriben, daz er alz4
gröz rew vor seim tot dor uber gewann. daz er sich mit gerten hiez
schlahen.5
dor vm schüll6
wir wol glauben daz er behalten sei.7"
1. Das Buch der Liebe
(Hohelied). -
2. zuerst auf Marien deutend.
3. da deutet er es auf seine liebgewonnene Heidin. -
4. also
5. mit Ruthen schlagen ließ -
6. sollen -
7. erhalten, selig geworden
Doch wozu einen langen Panegyrikus! - Sie selbst mögen für sich sprechen,
und ihnen selbst wird es am besten gelingen, sich die Herzen zu gewinnen.
Nur was zu ihrer Erläuterung dient, sey mir noch herzusetzen vergönnt;
dieses aber möge ihr erster Herausgeber, D. Schöber, sagen, und ich
behalte mir nur einige etwaige Berichtigungen und Glossen bevor:
"Ich finde unter meinem kleinen Büchervorrath ein deutsches Manuscript über
die Bibel altes Testaments: welches ich zwar An. 1450, oder auch wohl 10
bis 20 Jahr eher geschrieben zu seyn schätze; aber auch dabey dafür halte,
daß das erste Original noch viel älter, und ungefähr An. 1300 verfertiget
seyn möchte. Darinnen finden sich nun die meisten Sprüche aus dem
Hohenlied Salomonis in Reimen verfasset, welche wohl würdig sind, daß sie
der Vergessenheit entzogen werden."
"Es ist nämlich dieses Manuscript nichts anders, als eine Historienbibel
altes Testamentes, oder ein Auszug der biblischen Geschichte von Anfang
der Welt bis zu den Zeiten der Maccabäer, mit Hinweglassung der Psalmen
und Propheten, in Folio und drei Querfinger dick. Der Verfasser, welchen
ich im 13. Jahrhundert gelebt zu haben glaube, mag vielleicht ein Bayer,
oder Frank, und etwan aus München, Nürnberg oder Bamberg gewesen seyn:
oder schwäbischen Landes gewesen, gibt die Mundart selbiger Zeiten. Es ist
mir auch wahrscheinlich, daß er seinen biblischen Text nicht sowohl aus
der Vulgata als aus einem alten, deutschen biblischen Codex werde genommen
haben: wie denn bereits Karl der Große die Bibel, oder wenigstens Theil
derselben in die deutsche Sprache übersetzen zu lassen bemühet gewesen.
Oder aber auch zu seiner Zeit einige Bücher der heiligen Schrift in Reime
gebracht worden? kann wohl mit genugsamen Beweise nicht dargethan werden:
ungeachtet nicht zu läugnen, daß er die Poesie hoch gehalten. Von seinem
Sohne, Ludwig dem Frommen, hingegen weiß man zuverläßiger, daß auf dessen
Befehl der Mönch Ottfried von Weissenburg die vier Evangelisten in
deutsche Verse gestellet; welche von Flacio Illyrico Anno 1571 in Basel in
8. zum Druck befördert, Anno 1727 aber, nach einem geschriebenen Exemplar
verbessert, durch Johann Georg Scherz dem Thesauro antuquitatum Schilteri
einverleibet worden. Daraus denn wohl zu schließen, daß zu den Zeiten
Ludwig des Frommes die völlige Bibel in deutscher Sprache vorhanden
gewesen: ja wenn man der Vorrede eines alten, in sächsischer Sprache
geschriebenen Buchs, bei dem Andrea du Chesne trauen darf; so ist schon zu
den Zeiten gemeldten Ludwig des Frommen die ganze heilige Schrift Ottonis
des Ersten florirten in Teutschland viele Poeten und Meistersänger: von
diesen konnte etwas dergleichen zurück geblieben seyn. Notgerus oder
Notkerus der Dritte, mit dem Zunamen Labeo von St. Galen, übersetzte im
eilften Jahrhundert die Psalmen; Willeram oder Wollram, Abt zu Ebersperg
in Bayern, welcher im eilften und zwölften Jahrhundert gelebet, das
Hohelied Salomonis; und Kaiser Friedrich der Andere gab einem geschickteren Ritter Befehl, die ganze heilige Schrift in Verse zu
bringen, davon auch ein guter Theil zu Stande gekommen."
"Ich schreite aber nunmehro zu den, aus dem Hohenliede verfertigten
deutschen Reimen, welche, nebst Überschriften, aus der Vulgata genommen,
folgenden Inhalts sind."
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