Das
Liebes-Poetische Manuskript N° 46
O süße Liebe ...
Spanische Dichter des 16. - 19. Jh.s - Frauen-Porträts
Sir Frank Dicksee (1853-1928) Portrait von Dora |
Jose Zorilla y Moral (1817-1893) An Mariane Lieblich ist die Nacht, und traulich Mondlicht strahlt am Himmel helle, Wie ein Lämplein still erbaulich In entlegner Waldkapelle; Zephyr streicht durch die Gefilde, Säuselt milde, Wiegend Blüte, Gras und Baum. Friedvoll liegt die Welt in Schlummer Freud' und Kummer Zieht vorüber ihr im Traum. Ich auf treuer Liebeswacht Hab' die lange düstere Nacht Klagend unter dem Altane Dein gedacht. Ob verhallt auch meiner Seufzer Zittern Hinter Gittern, Oeffnest du mir nicht, Mariane, Tag und Nacht ... Wollt' ich, könnt' ich wohl dir prahlen Von Palästen, gold'nen Minen, Von unzähligen Vasallen, Die in fernem Land mir dienen. Lügen zu berichten, Luft'ge Wunder dichten, Wären leichte Künste mir. Aber wolltest du mich fragen, Nimmer sagen Könnt' ich andres jemals dir, Als daß in der dunklen Nacht Ich getreulich hab' gewacht, Klagend unter dem Altane Dein gedacht. Ob verhallt auch meiner Seufzer Zittern Hinter Gittern, Oeffnest du mir nicht, Mariane, Tag und Nacht. Nur ein armer Dichter bin ich, Hab' kein Gut als meine Leier, Eine Seele treu und innig, Und ein Herz voll Liebesfeuer. Gibt es dennoch manche Leute, Die erfreute Meiner Lieder stiller Schmerz, Fühlt' ich mich doch nicht erhoben Durch ihr Loben, Worte sind mir's ohne Herz. Dichtend hab ich Tags gewacht, Aber in der finstern Nacht Hab' ich unter dem Altane Dein gedacht. Ob verhallt auch meiner Seufzer Zittern Hinter Gittern, Oeffnest du mir nicht, Mariane, Tag und Nacht. Wenn in deinem süßen Schlummer Klingen an dein Ohr dir leise Melodien voll Harm und Kummer, Eine schmelzend düstre Weise: Das sind nicht die weichen Winde, Die so linde Weiter ziehn mit Sehnsuchtsklang, Nicht das Rieseln aus den Quellen, Silberwellen, Ach - es ist mein Schwanensang. Denn auf treuer Liebeswacht Habe ich die dunkle Nacht Klagend unter dem Altane Dein gedacht. Ob verhallt auch meiner Seufzer Zittern Hinter Gittern, Oeffnest du mir nicht, Mariane, Tag und Nacht. Hörst du, wie der Sturmwind ringet Mit dem Regen bang und schaurig, Während an dein Fenster klinget Eine Stimme, ach! so traurig? Das ist nicht des Sturmes Brausen, Der im Sausen Alle Elemente weckt. 's ist die Harfe, die ich schlage, Deren Klage Jäh aus holdem Traum dich schreckt. Denn auf treuer Liebeswacht Habe ich die dunkle Nacht Klagend unter dem Altane Dein gedacht. Ob verhallt auch meiner Seufzer Zittern Hinter Gittern, Oeffnest du mir nicht, Mariane, Tag und Nacht. Und dein Bild hab' ich getragen Zärtlich in dem tiefsten Herzen; Doch ermüdet dich mein Klagen Und mein Kommen, meine Schmerzen, Wirst du's endlich mir verwehren, Dir zu stören Deines Schlummers Süßigkeit, - Sprich! Die Leier ich zerschelle, Daß entquelle Nimmer ihr mein Liebesleid. Doch verdammst du sonder Reue Meine Lieb' und meine Treue, Hast mein Weinen am Altare Du verlacht, So erstirb' der Klage Zittern An den Gittern, Oeffne nimmer sie, Mariane, Tag und Nacht. übersetzt von Hedwig Dohm (1831-1919) |
Gedicht aus: Eine Blütenlese aus Spanischen Dichtern aller Zeiten
In deutschen Übertragungen
Herausgegeben von Julius Hart Stuttgart 1883
(S. 196-199)