Josefa Metz (1871-1943) - Liebesgedichte



Josefa Metz
(1871-1943)

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 



Liebe

1. Der Falter

Einmal war ein herrlicher, bunter Falter. Der
schwebte mit leisen Flügeln durch den Morgenglanz
meines Gartens. Die Blumen, die er mit seinen
Schwingen streifte, leuchteten freudiger auf, und
der Tau in ihren Kelchen spiegelte beglückt sein
schönes Bild. Alles blühte und duftete im Garten,
der nur da zu sein schien, dass der Falter über ihn
hinschwebe.

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Dann kam ein Tag, an dem die Sonne gestorben
und die Blumen verdorrt waren. Wild riß der
Wind an den langen, losen Weidensträhnen. "Wo
ist unser Falter?" schrie er. Und die Weiden neigten
sich tief und trauerten, denn der Falter war über
sie dahin geflogen, fort ins Weite. Und in ihrem
Schmerz peitschten sie den kleinen Bach mit ihren
langen Strähnen; doch der lief, unbekümmert wie
ein sorgloses Kind, auf flinken Füßen an ihnen
vorbei. — Der Garten aber stand im Schatten,
lange Zeit. - -

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Nun blüht es wieder in meinem Garten. Auf-
gerichtet stehn die Blumen und tragen stolz ihr
Krönlein von Tau. Der Wind spielt versöhnt mit
den langen, losen Weidensträhnen und hebt sie
tändelnd auf und nieder. Abendröte gleitet mit
warmen Mutterhänden über die rauschenden Baum-
köpfe und streichelt sie zur Ruhe. Auch Schmetter-
linge schweben durch den Abendfrieden und um-
gaukeln auf ihrem Fluge die tauschweren Blumen,
kleine, bescheidene Schmetterlinge. Die Blumen
aber schauen ihnen wehmülig-Iächelnd nach. "Einmal
war ein großer, leuchtender Falter" flüstern sie
verträumt. - -
(S. 30-31)

Aus: Gedichte von Josefa Metz
3.-6- Tausend Theaterverlag Eduard Bloch
Berlin C. 2 Brüder-Straße Nr. 1 (1906)

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2. Unsere Liebe

Ein tiefer, sonnenwarmer Glockenton,
Der über weitem Blütenlande schwebt,
Durch blaue, traumverlor'ne Täler bebt, war unsre Liebe.
Ein Klang, der uns zu Fest und Feier zog,
Mit heil'gen Schwingen schützend uns umflog,
Die Glocke, die das Leben uns geweiht
Zu stillverklärter, wundervoller Zeit —
Bis eine schrille Gassenmelodie
Zerriß den Wohllaut reiner Harmonie.
(S. 31)

Aus: Gedichte von Josefa Metz
3.-6- Tausend Theaterverlag Eduard Bloch
Berlin C. 2 Brüder-Straße Nr. 1 (1906)

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3. Gefunden

Hoch oben ein Zimmerchen, klein und schmal,
An der Wand ein tanzender Sonnenstrahl,
Buntes, zitterndes Funkenspiel;
In schlankem Glase ein Fliederstiel,
Tulpengewirr in bauchigem Krug,
Dem Fenster vorüber ein Vogelflug;
Und mitten in Duften und Sonnenschein
Wir beide, zum ersten Male allein.
Zum ersten Male nur "wir zwei",
Losgebunden von dumpfer Scheu,
Von Zwang und starren Grenzen befreit.
Und draußen knospensprengende Zeit,
Meere voll wogender Blütenlast. —
Wir hielten uns plötzlich eng umfaßt,
Flochten vertraulich Hand in Hand
Und schritten durch lachendes Lebensland.
Und der Frühling mit blauem Kinderblick
Grüßte und heiligte unser Glück.
(S. 32)

Aus: Gedichte von Josefa Metz
3.-6- Tausend Theaterverlag Eduard Bloch
Berlin C. 2 Brüder-Straße Nr. 1 (1906)

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4. Königstraum

Um uns die Lande im Abendglanz,
Ein voller, Düfte getränkter Kranz;
Auf breit hinrollender Meeresflut
Kronen aus sinkender Sonnenglut,
Leise verhallender Glockenschlag -
In Glorie sterbender Feiertag. - -
Wir gingen königlich geschmückt,
Alles Volk ringsum, gebückt,
Küßte unsres Mantels Saum,
Lächelnd schritten wir durch den Traum
Über Wege, Blumen bestreut;
Pagen trugen das Schleppenkleid
Und wölbten vor des Abends Glühn
Über uns schirmenden Baldachin. -
Golden glänzte des Schlosses Dach,
Golden das üppige Prunkgemach,
Hinter spiegelnder Marmorwand
Standen die Gärten im Rosenbrand. -
Rieselnde Brunnen kühlten den Saal,
Geigen umjauchzten das Hochzeitsmahl,
In Silberschalen voll tiefer Glut
Quoll rubinrotes Traubenblut. - -
Singende Wasser, zitternde Luft,
Süßbetäubender Blütenduft,
Flammen, in erzenen Becken entfacht,
Sterbende Klänge, Schweigen der Nacht.
(S. 32-33)

Aus: Gedichte von Josefa Metz
3.-6- Tausend Theaterverlag Eduard Bloch
Berlin C. 2 Brüder-Straße Nr. 1 (1906)

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5. Erwachen

Der bleiche Alltag drängt herein
Und nimmt uns unsre Purpurkissen,
Und nebelkühler Morgenschein
Hat unsern bunten Traum zerrissen.

Die Königsgärten stehn entlaubt,
Die Rosen welken und verblassen,
Und keine Krone schmückt das Haupt,
Und aller Glanz hat uns verlassen.

Die Welt geht ihren alten Gang,
Niemand, der uns die Schleppe trüge,
Und von dem stolzen Zaubersang
Blieb nur der Grundakkord: Die Lüge.

Die Sorge winkt uns grüßend zu
Und breitet segnend ihre Hände,
Wir stehn in tatenloser Ruh'
Und warten zitternd auf das Ende.
(S. 33-34)

Aus: Gedichte von Josefa Metz
3.-6- Tausend Theaterverlag Eduard Bloch
Berlin C. 2 Brüder-Straße Nr. 1 (1906)

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6. Auferstehung

Unsre Sterne sprühten,
Unsre Rosen glühten
Auf in neuem Glanz.

Und nach tiefem Schweigen
Riefen helle Geigen
Wieder uns zum Tanz.

Weiche Abendwinde
Schmeichelten der Linde
Blütenlast zur Ruh'.

Auf den alten Wegen
Neuem Glück entgegen
Gingen ich und Du.
(S. 34)

Aus: Gedichte von Josefa Metz
3.-6- Tausend Theaterverlag Eduard Bloch
Berlin C. 2 Brüder-Straße Nr. 1 (1906)

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7. Letztes Licht

Letztes Licht, grau-violetter Schein -
Alle heißen Farben schliefen ein,
Alle heißen Wünsche schlummern sacht
Stillgewiegt hinüber in die Nacht. -
Meine Morgenblüten, taubeschwert,
Hat der grelle Mittag mir versehrt,
Beide Hände reichte mir das Leid,
Und sie starben jung und vor der Zeit. -
Hoffnung träumt wohl: ist die Sonne fern -
Auch die Nacht trägt ihren hellen Stern,
Ist verrauscht des Tages voller Klang -
Auch die Nacht tönt ihren tiefen Sang. -
Letzten Lichtes dämmerfahler Glanz
Krönt mein blasses Haupt mit blassem Kranz,
Müde Hände sinken in den Schoß -
Meine Nacht ist stumm und sternenlos.
(S. 35)

Aus: Gedichte von Josefa Metz
3.-6- Tausend Theaterverlag Eduard Bloch
Berlin C. 2 Brüder-Straße Nr. 1 (1906)

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8. Abschied

Nur einmal noch will ich die Stirn Dir küssen
Und meine Hand auf Deinen Scheitel legen,
Wie eine Mutter ihrem Kind zum Segen,
Und lächeln will ich, da wir scheiden müssen.
Und wenn Du ferne, wie im Land der Toten,
Wenn abgebrochen unsre letzten Brücken,
Mit Rosen der Erinnerung Hügel schmücken.
(S. 35)

Aus: Gedichte von Josefa Metz
3.-6- Tausend Theaterverlag Eduard Bloch
Berlin C. 2 Brüder-Straße Nr. 1 (1906)

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9. Nachklang

Was Du mir warst? -
Ein goldnes Sonnenleuchten
Das meine dunklen Tage licht durchwob,
Ein Frühlingssturm, der mich auf stolzen Schwingen
Hoch über alle Erdenschwere hob.
Die Abendröte, die mich still umfangen
Da ich von allen Lebensfreuden schied
Und die noch manchmal in den tiefen, bangen,
Endlosen Nächten ferne mir erglüht.
(S. 36)

Aus: Gedichte von Josefa Metz
3.-6- Tausend Theaterverlag Eduard Bloch
Berlin C. 2 Brüder-Straße Nr. 1 (1906)

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Warten

Der Veilchenstrauß im bunten Japantopf
Entsendet letzten müden Duft ins Zimmer,
Der Lampenschale mattes Goldgeflimmer
Umzittert Dantes strengen Bronzekopf;
Ein Juno-Haupt, die Augen blicklos-weit,
Starrt in des Winkels warme Dunkelheit. -
Die Frau im Sessel, halb nur noch belichtet,
Das dunkle Haar von Spangen jäh durchglänzt,
Sitzt, vom Brokat des Kissens steil umkränzt,
In heißem Warten starr emporgerichtet.
In ihren schmalen Fingern bebt ein Buch,
Dem Schilde zu vergleichen, der den Feind
Abwehren soll; nein, eher wohl dem Tuch,
Das flatternd einem Freund entgegenwinkt,
Dem Traume wohl, in den man sich geweint;
Ja, gleich dem Traume, der Vergessen bringt.
Des Buches Zeilen abwärts steigt der Blick
Wie Kinderfüße über Leitersprossen:
Sprunghaft und rastlos haftend, und verschlossen
Bleibt so der Sinn dem Geiste. Das Getick
Der Uhr umsäumt mit feinen, leisen Stichen,
Wie eine Nadel, die den Faden zieht,
Die Stunde, die so leuchtend aufgeblüht
Und unerfüllt und schattenhaft verblichen.
Die Stunde, ausgeschmückt mit Licht und Duft,
Sollte den wundervollen Truhen gleichen,
Den edelsteinbesetzten, überreichen,
Mit sattem Samt der Boden ausgeschlagen,
Ein köstliches, ein zartes Glück zu tragen,
Und blieb nur eine ungefüllte Gruft. -
Die Türe geht, der Vorhang schwankt zurück,
Und auf der Schwelle, Lächeln in den Blicken,
Steht die Erfüllung, steht des Wartens Ziel
Und beugt das Knie, im Ernst halb, halb im Spiel.
Doch jene Frau fühlt noch das Zeigerrücken,
Der Stunde Trümmer fühlt sie, Stück um Stück,
Und bietet statt des Lächelns liebem Gruß
Nur Tränenspuren auf erschöpften Zügen,
Und schemenhaft, mit leisem Geisterfuß
Kommt es daher wie künftige Liebeslügen.

Aus: Josefa Metz Der verschlossene Garten
Der Sammlung "Neue Gedichte"
zweite und vermehrte Auflage 1919
Johann Georg Holzwarth Verlagsbuchhandlung
Bad Rothenfelde (Teutoburger Wald) (S. 62-63)

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Der Geiger

Von den Saiten seiner Geige weht es wie der Duft von Almen,
Klingt es wie aus alten Psalmen,
Süßen, heiligen Legenden.
Unter seinen schmalen Händen
Sprühen Farben, jähe, grelle,
Zucken Lichter, rollt die Welle
Leicht vom Wind berührter Meere,
Wandern Pilger, stürmen Heere,
Schreit das Leben, stöhnt das Sterben,
Lacht das Laster, seufzt das Leid,
Jubelt selige Trunkenheit,
Gellen Wahnsinn und Verderben ... -
Und durch all das Wirre, Wilde,
Kommt ein Ton wie Frühlingswehn,
Und er bleibt, der zaghaft-milde,
Vor den ungestümen Klängen,
Die aufleuchtend ihn umdrängen,
Jäh und wie erschrocken stehn,
Angstvoll, daß sich ihm vermähle
Diese Brandung aller Triebe.
Wie ein Reis in heiligen Hainen
Blüht empor das leise Weinen
Einer zarten Kindesseele,
Die auf ganz verlassenen Hängen
Ihre Heimstatt sucht: Die Liebe.


Aus: Josefa Metz Der verschlossene Garten
Der Sammlung "Neue Gedichte"
zweite und vermehrte Auflage 1919
Johann Georg Holzwarth Verlagsbuchhandlung
Bad Rothenfelde (Teutoburger Wald) (S. 66)

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Musik

Sie trafen sich am Garten, wo die Klänge
Der Geigen sich dem sanften Duft gesellten,
Den ein Rondel von Rosen und Reseden
Entsandte, und wo eine Menschenflut
In immer neuen Wellen sich ergoß.
Sie gingen ganz versenkt in die Musik;
Der Rhythmus schlang sich wie ein weiches Band
Schmeichelnd um sie und führte sie zusammen.
Die Melodie schlich ihnen leise nach
Und gab der Stunde ihre eigne Prägung,
Daß jeder Blick und jegliche Bewegung
Von ihr umhüllt, in ihr gebettet lag.
Das Frauenkleid, das weiß herniederfloß
Und dunkler Haare Dunkelheit vertiefte,
Schmiegte sich seltsam und geheimnisvoll
In die Musik mit seiner Falten Schönheit,
Wie sanft verhallender Akkord in Moll. -
So gingen sie und fühlten, wie die Stimmung
Der Stunde sie so völlig überwand,
Daß sie sich liebten, wie noch nie im Leben
Sie je geliebt: wunschlos und tief und rein. -
Die Melodie erlosch, man hörte Klatschen.
Da fühlten sie, wie ihnen etwas schwand,
Wie etwas Liebes und unsagbar Zartes
Von ihnen ging, um nie zurückzukehren.
Und schweigend ging ein jeder seinen Weg
- - - - - - - - - - - - - - -
Sie wohnt da unten irgendwo im Land,
Ihr Mann ist etwas korpulent und laut
Und hält Musik für störendes Geräusch.
Er unterrichtet täglich fünfzig Rangen,
Auch irgendwo in einer fernen Stadt.
Doch wenn gewisse Klänge an ihr Ohr
Mit der Erinnerung zartem Finger pochen,
Dann stehn wohl beide einen Augenblick
In ihres Alltags Einerlei und Enge
Und denken an die Viertelstunde Glück,
In Duft gebettet und in Geigenklänge.

Aus: Josefa Metz Der verschlossene Garten
Der Sammlung "Neue Gedichte"
zweite und vermehrte Auflage 1919
Johann Georg Holzwarth Verlagsbuchhandlung
Bad Rothenfelde (Teutoburger Wald) (S. 69-70)

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Zu spät

Wir wußten : es war Liebe,
Doch wir wollten
Es nicht bekennen,
Daß es Liebe war, es sollten
Die Flammen als gedämpftes Feuer brennen,
Als eine Freundschaft, die beständig bliebe.
Wir waren jung und fühlten starke Schwingen,
Uns noch zu andern Zielen hinzutragen.
Wir waren stürmisch und wir wollten wagen.
Und suchten unsre Sinne zu bezwingen.
Auch reizte: nur geträumtes Abenteuer
Und Nicht-Erleben, gleich dem Flug durch Sphären,
Den andern fern, den vielen, die gewähren. -
Und töteten so das lebendige Feuer. -
Jetzt stehen wir an den erreichten Zielen
Und wünschen heiß, einander zu vereinen
Wie alle jene stolz gemiedenen vielen;
Doch unsere Sehnsucht will nicht mehr erscheinen.
Wir wollten uns zu reifer Garbe binden
Und stehen da und können uns nicht finden.


Aus: Josefa Metz Der verschlossene Garten
Der Sammlung "Neue Gedichte"
zweite und vermehrte Auflage 1919
Johann Georg Holzwarth Verlagsbuchhandlung
Bad Rothenfelde (Teutoburger Wald) (S. 75)

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Erfüllung

Nun, da sie alles Glück von ihm empfangen,
Kein Tor mehr, das dem Wunsch verschlossen stand,
Entglitt sie seiner wundertätigen Hand,
Die sanft aus diesem aufgeblühten Land
Gewiesen ihrer Sehnsucht scheues Bangen.

Und in den schwermutvollen Abendstunden,
Da noch der Tag mit blassen Lanzen stach,
Sich jäher Laut an schwerer Stille brach,
Sah sie den Spuren ihrer Sehnsucht nach,
Die keinen Weg zu ihr zurückgefunden.

Und neue Sehnsucht ging nach altem Sehnen,
Das ganz versank in der Erfüllung Schoß,
Und ihre Schwingen wurden stark und groß,
Sie hoben sich und sanken hoffnungslos. -
Viel taube Nächte tranken ihre Tränen.

Und jenen haßte sie, der sie erhoben,
Ihr seines Lebens Festlichkeit gebracht.
Sie achtete nicht mehr der neuen Pracht
Und fühlte nicht die neuerworbene Macht,
Den Herrscherreif nicht, der ihr Haar durchwoben.

Die eine Welt der Wirklichkeit verdeckten,
Die bunten Schleier wünschte sie zurück,
Den fragenden verhängten Kinderblick,
Der frühen Zeiten unerwecktes Glück,
Da der Erfüllung Gaben sie erschreckten.

Und war nun einsam, keine Brücken führten
In jener Lande schemenhaftes Sein;
Verschlossen stand im fahlen Morgenschein
Der Kindheit heiliger, unbetretener Hain. -
Sie aber war im Lande der Berührten.

Aus: Josefa Metz Der verschlossene Garten
Der Sammlung "Neue Gedichte"
zweite und vermehrte Auflage 1919
Johann Georg Holzwarth Verlagsbuchhandlung
Bad Rothenfelde (Teutoburger Wald) (S. 77-78)

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Herbstabend

Sieh, wie der Tag sich heimlich fortgeschlichen,
Wie alles Leben in den Schatten sank.
Vergossen nun der Stunden goldner Trank,
Erloschen alle Farbe und verblichen.
Ein Duften nur blieb in den Lüften schweben
Zart wie der Traum, der unsre Nacht beglückt,
Ein Kuß von Blumen, der dem Wind gegeben. -
Sieh, wie der Wald voll milden Ernstes blickt,
Ein treuer Vater, der das müde Leben
Der letzten Blüten fest ans Herz gedrückt.
- - - - - - - - - - - - -
Laß mich die Stirn an deine Schulter pressen;
Ich sehne mich nach warmen Herzensschlägen,
Nach einer Stimme, die mich sanft umschmeichelt,
Nach einer Hand, die meine Haare streichelt,
Nach Armen, die sich schützend um mich legen.
Laß mich den Tag und seinen Glanz vergessen!

Aus: Josefa Metz Der verschlossene Garten
Der Sammlung "Neue Gedichte"
zweite und vermehrte Auflage 1919
Johann Georg Holzwarth Verlagsbuchhandlung
Bad Rothenfelde (Teutoburger Wald) (S. 81)

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Prinzessin

I.
Als mein Fuß noch unter samtnem Kleide ging,
Als mein Finger trug des Hauses Wappenring,
Als mir noch der Kronreif in den Locken saß,
Der gelbe Wein mir duftete aus einem zarten Glas,
Als ich im hallenden Saale noch ging her und hin,
War ich wohl fröhlicher, als ich jetzt es bin. -
Kalt ist der Stein, darauf mein Fuß sich setzt,
Alt ist mein Kleid, gebleicht und sehr zerfetzt,
Meine weißen Hände sind nun rissig und rot ... -
Meinen toten Liebsten .... sie schlugen ihn mir tot. -
Der König läßt mich suchen in seinem ganzen Land,
Seine Boten ritten an mir vorbei, sie haben mich nicht erkannt.
Das kommt: meine Augen leuchten nicht mehr wie einst zu Haus,
Alle die schwer-feuchten Tränen löschten ihr Glänzen aus;
Und meine jungen Lippen haben kein Blühen mehr,
Und meine tanzenden Schritte wurden so schwer. -
Meines Vaters Beten und Fluchen hilft nicht meiner Not ...
Mögen sie reiten und suchen! Meinen Liebsten schlugen sie tot. -
Er trug nur ein Wams aus Leder, sein Handschuh war nicht fein,
Aber seine Spielhahnfeder lachte im Sonnenschein,
Alles lachte und glühte und war von Sonne getränkt,
Er war wie die köstliche Blüte, die aus finsteren Dornen drängt. -
Im Hofe standen die Wachen, wie Bäume, dunkel und schwer .....
Einmal noch hört ich ihn lachen .... dann nicht mehr. -
Meines Vaters Beten und Fluchen, sein königliches Gebot .....
Mögen sie mich suchen! .... Meinen Liebsten schlug er mir tot.....


II.
Nun irre ich ein Jahr im Land
Und kann nicht Ruhe finden .....
Gestern hat man die junge Hexe verbrannt,
- Ich habe sie wohl gekannt
In allen ihren süßen Sünden.

Sie sagte: "Du mußt zu Hofe gehn
Und den Purpur um dich schlagen,
Du wirst den König dir zu Füßen sehn,
Das macht dein Leid nicht ungeschehn,
Aber leichter zu tragen.

Er sucht dich immer, er liebt dich sehr,
Sein Herz ist fast gebrochen;
Kehrst du wieder, spricht er kein Urteil mehr
So todesschwer;
Auch mir wird es nicht gesprochen." -

Ich gab ihr die Hand zum heiligen Eid ......
Und konnte ihn nicht erfüllen.
Gestern im Frühlicht - man sah es weit -
Hell brannte ihr Kleid,
Und die Menge hörte man brüllen. -

Ich weiß, was ich will, ich weiß, was ich tu .....
Ich kenne die heimliche Türe,
Niemals schloß sie der Burgvogt zu ....
Dann find' ich Ruh,
Wenn ich selber die Flammen spüre.

Dann kehrt meinen Augen zurück der Glanz,
Mein Blut wird nicht mehr stocken,
Meine Schritte lernen wieder den Tanz,
Ein roter Kranz
Flattert aus meinen blonden Locken.


III.
Das Schloß zu Asche, der König erstickt
In seinem seidenen Bette.
Man hat die verlorene Prinzessin erblickt
Mit einer brandroten Kette.

Sie schlang die Kette um Hof und Palast .....
Da sprangen die roten Rosse,
Da haben sie die Prinzessin erfaßt,
Da rasten sie weiter zum Schlosse. -

Nun weint das Glöckchen, die Glocke schreit Sturm,
Das Land liegt auf den Knien.
Nur der Wachtturm, der eisenstarke Turm,
Sah die Rotrosse vorüberziehen.

Aus: Josefa Metz Der verschlossene Garten
Der Sammlung "Neue Gedichte"
zweite und vermehrte Auflage 1919
Johann Georg Holzwarth Verlagsbuchhandlung
Bad Rothenfelde (Teutoburger Wald) (S. 107-109)

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Der Narr

Es lief ein Narr am hellen Tag
In wunderlichen Träumen hin,
Der suchte eine Königin,
Die ihm als Weib im Sinne lag.

Er schlief in seinem reichsten Kleid,
Daß, wenn die Nacht sie ihm gebar,
Er gleich im besten Staate war,
Zu Spiel und Festlichkeit bereit.

Oft blieb er tags am Wege stehn
Und achtete der Frauen gut,
Da ging so manches junge Blut
Wohl königlich und blumenschön.

Er aber schürzte nur den Mund
Und sank zurück in seinen Traum;
Die Arme warf er um den Baum,
Die junge Buche, schlank und rund.

Und wartete wohl Jahr um Jahr.
Die Frauen schritten her und hin ...
Doch nie, daß eine Königin
In ihren lichten Reihen war. -

Sein braunes Haar, ganz weiß verschneit,
Kein Prunkgewand die Lumpen mehr.
Die Frauen glitten hin und her
Und hielten nur noch Spott bereit. -

Und einmal kam die Hohe doch!
Nur, daß sie keine Krone trug,
Kein Purpurmantel Falten schlug,
Ihr Bettelkleid trug Loch an Loch.

Sie ging schon lang auf seiner Spur
Und nahm, als er nun arm und lahm,
Die Hand, die keine andre nahm,
Und wollte nichts als dienen nur.

Demütig liebend sie erriet,
Was nie sein Mund mit Worten sprach,
Nur leuchtend aus den Augen brach!
Des Narren ungesungenes Lied,

Der Dichtersehnsucht hohes Ziel,
Das sich in scheuer Narrheit barg,
Sah unter Lumpen fahl und karg
Der Seele reichbewegtes Spiel.

Und ward nun seinen Fiebertraum
Die Königin voll Glut und Glanz,
Sie führte über Spiel und Tanz
Ihn an des Lebens letzten Saum. -

Und als er arm in Schmerzen lag,
Wie war sein Leben hell und weit!
Ein Königskleid sein Sterbekleid,
Die Sterbestunde - Krönungstag.

Aus: Josefa Metz Der verschlossene Garten
Der Sammlung "Neue Gedichte"
zweite und vermehrte Auflage 1919
Johann Georg Holzwarth Verlagsbuchhandlung
Bad Rothenfelde (Teutoburger Wald) (S. 110-111)

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Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Josefa_Metz

http://www.juedischeliteraturwestfalen.de/index.php?valex=101&vArticle=1&author_id=00000156&id=1


 

 


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