Minnesang

Nachdichtungen deutscher Minnesänger
 

 

 


Barthel Regenbogen
(um 1270)
 

Frauentugenden

Es soll ein Weib wohl pflegen
Fünffacher Tugend Gut,
Wenn sie nach Weibes Segen
Begehrt mit rechtem Mut!
Die erste Tugend halte
Sie immer streng in Hut,
Und soll sie keinen Fuß breit
Aus ihrer Nähe lassen!
Das ist die erste Tugend: Weibesehre.
Die Zucht nennt sich die zweite;
Wenn die ihr nie entgleite,
So wird auf Markt und Gassen
Ihr Lob so klingen, daß sichs stets vermehre.
Die dritte ist Verständigkeit,
Die steh ihr stets zur Seite!
Reinheit die vierte ist genannt,
Und mit der Reinheit Hand in Hand
Als fünfte geh Freigebigkeit.
Welch Weib die fünf hält im Verein,
Die kann des Mannes Kaiserin sein,
Sie wird im hohen Engelschrein
Mit Siegeln einst gebunden:
Glückselig Weib, dort wird beglückt
Dein edler Sinn gefunden!

Nachgedichtet von Richard Zoozmann (1863-1934)

Aus: Der Herrin ein Grüßen
Deutsche Minnelieder
aus dem zwölften bis vierzehnten Jahrhundert,
ausgewählt und nachgedichtet
von Richard Zoozmann
Leipzig 1915 (S. 211)

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Weibestugenden

Fünffache Tugend halt' ein reines Weib in Hut,
Steht ihr nach vollem Weibessegen Sinn und Muth!
Die erste Tugend soll sie nie - ich rath' ihr gut -
Um keinen Fuß breit hinter sich auf Weg' und Stege lassen.
Die erste, das ist Weibesehre jederzeit;
Die zweite: Zucht; so sagt man Lob ihr weit und breit;
Ohn' argen Sinn soll immerdar Verständigkeit
In ihrem Herzen ruh'n, in Feld und Flur,
auf Markt und Gassen.
Die viert' ist Reinheit jetzt und alle Stunden;
Freigebigkeit sei stets mit Reinheit im Verein,
So kann des Mannes Kaiserin mit Recht sie sein;
Sie wird versiegelt in der hohen Engel Schrein.
Glücksel'ges Weib, dort wird beglückt dein hoher Sinn gefunden.

Nachgedichtet von Wilhelm Storck (1829-1905)

Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 372)

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