Minnesang

Nachdichtungen deutscher Minnesänger
 

 

 


Christian von Hamle
(um 1225)



Mit fröhlichem leibe, mit armen umfangen,
Zum herzen gedrücket, wie sänftlich das tut
Von tröstlichem weibe mit röslichen wangen,
Vor liebe gelachet, das freuet den mut.
Zwei herzen sind dann und ein einiger leib,
Mit worten geschieden ein mann und ein weib:
Da muss die sorge zu stücken zerbrechen,
Und lässt sie die liebe aus jedwedes munde
Geraume weile ein wort nicht mehr sprechen:
Da kann man küssen den süssesten mund,
Der einem manne von frauen ward kund.

Ein zwingen von frauen macht mannes herzen
Zuweilen traurig und zuweilen froh,
Wer sie wird schauen sonder neiderschmerzen,
Freud ob aller freude ihm leuchtet da loh.
Wo sich umschliessen vier arme vereint,
Nie süssre freude die sonne bescheint,
Wer solchen trost weiss an lieblichem weibe,
Der findet auf erden nicht bessere freude,
Womit er die sorge schneller vertreibe.
Da drücken zwei herzen einander so nah:
Laub war nie so dünnes, das raum fände da.

Wo so recht gerne vier augen sich sehen,
Da müssen zwei herzen einander hold sein,
Sie grüssen von ferne, was auch mag geschehen,
Freude und trauer drängt beides hinein.
Da brennet die minne vor liebe wie glut,
Und grösseres wunder die minne noch tut:
Mund, der sich an munde vergessen gefunden!
Alsdann hat die minne mit mancher freude
Sorge und trauer ganz tief überwunden,
Alsdann ward der minne die lieb überlegen.
Wohl ihrem glück, die in züchten es pflegen!

Nachgedichtet von Friedrich Wolters (1876-1930)

Aus: Minnelieder und Sprüche
Übertragungen aus deutschen Minnesängern
des XII. bis XIV. Jahrhunderts von
Friedrich Wolters. Zweite Ausgabe Berlin 1922 Bei Georg Bondi (S. 113-114)

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Vier Augen und zwei Herzen

An seligem Leibe
Mit Armen umfangen,
Zu Herzen gedrückt, wie lieblich das thut!
Bei trostreichem Weibe
Mit rosigen Wangen
Vor Freuden erlachen, das freuet den Muth.
Da sind zwei Herzen und doch nur ein Leib,
Mit Worten unterschieden, ein Mann und ein Weib.
Da muß die Sorge zu Stücken zerbrechen;
Da läßt die Freude sie beid aus ihrem Munde
in langer Zeit kein Wort mehr sprechen.
Da mag man küssen den süßesten Mund,
Der von Frauen je dem Manne ward kund.

Bei zwingenden Frauen
Stehn männliche Herzen
Bisweilen traurig, bisweilen froh;
Wer sie mag schauen
Ohne der Obhut Schmerzen,
Freud ob aller Freude gewinnet er so.
Wo sich vier Arme verschränken so traut,
Nie süßere Freude hat die Sonne geschaut.
Wer solchen Trost weiß an lieblichem Weibe,
Auf Erden da ist ja nicht beßere Wonne,
die so die lästigen Sorgen vertreibe.
Da drücken zwei Herzen einander so nah,
Für das dünnste Laub wär kein Raum mehr da.

Wo sich so innig
Vier Augen ersehen,
Da müßen zwei Herzen gar hold einander sein.
Sie grüßen sich minnig:
Mag was will nun geschehen,
Freude und Trauern ist beiden gemein.
Da brennet die Minne so hell wie die Glut,
Noch größere Wunder die Minne da thut:
Sie läßt sich zwei Münde an einander vergeßen.
Da hat die Minne mit tausend Freuden
Sorgen und Trauern gar übermeßen.
Da hat die Freude die Minne besiegt:
Dem Paare Heil, das in Züchten so liegt!

Nachgedichtet von Karl Simrock (1802-1876)

Aus: Lieder der Minnesinger von Karl Simrock
R. L. Friedrichs Elberfeld 1857 (S. 104-105)

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