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Der Dürner
(um 1230)
Traum und Wahrheit
Wie der Winter kalt,
Das seh ich klar,
Vögeltöne
Kränket und der Blumen Schein:
Die mein hat Gewalt,
Das wißt fürwahr,
Deren Schöne,
Muß ein blühender Mai mir sein,
Denn mehr Lust und Wonne
Giebt sie nie, als Laub und Klee:
Rote Rosen blühn
Auf weißem Schnee
Unter ihren Augen,
Und des Winters Weh
Erwart ich kühn!
Weiß ist ihre Haut,
Es blühen rot
Ihr die Wangen;
Und der kleine süße Mund
Bringt mir Not!
An dem Hälslein traut,
(Sollt ich hangen)
Hing ich gerne manche Stund,
Denn in ihren Augen
Säh ich Mailust hell und klar.
Ihr zum Preisgewinn
Rühm ich fürwahr
Statt des grünen Laubes
Gern ihr blondes Haar
mit frohem Sinn.
Träumte süßen Traum
Mir jüngst zu Dank:
Lieben Gästen
Künd ich gern, wie mirs erging!
Hört: ein Rosenbaum
Gar hoch und schlank
Mit zwei Ästen
Blütenduftig mich umfing;
Seinen Stamm umkränzte
Veilchenbeet und Rosenhag.
Also deut ichs mir:
Daß, wenn sie mag,
Sie mich sollt umarmen
Einen halben Tag –
Gern gönnt ichs ihr!
Ja, zum Maientanz
Will gern ich hin,
Wo der Schmerzen
Leicht vergißt, wer sehnend liebt.
Treu zu Diensten ganz
Steht ihr mein Sinn,
Daß dem Herzen
Freude schon ihr Lachen giebt,
Weil ihr Strahlenauge
Tief mir dringt in Herzensgrund.
Gleich der Rose Rot
Erblüht ihr Mund;
Küßte ihn ein Kranker,
Wär er gleich gesund
Trotz aller Not.
Doch es übt ihr Leib
Noch mehr Gewalt,
Wenn in ihren
Armen der Beglückte ruht;
Läßt doch dieses Weib
Den Gram alsbald
Mich verlieren,
Daß mir fröhlich wird zumut!
Wie ein Weib so lieblich
Und so traut, sieht jeder ein,
Da ein Ja der Frau
Befreit von Pein;
Doch verwünscht auf immer
Sei dafür ihr Nein –
Das macht mich grau.
Nachgedichtet von Richard
Zoozmann (1863-1934)
Aus: Der Herrin ein Grüßen
Deutsche Minnelieder
aus dem zwölften bis vierzehnten Jahrhundert,
ausgewählt und nachgedichtet
von Richard Zoozmann
Leipzig 1915 (S. 101-102)
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Der Rosenbaum
Mag des Winters Nah'n,
Das seh' ich klar,
Vogeltöne
Kränken und der Blumen Schein:
Der ich unterthan,
Das wißt fürwahr,
Deren Schöne
Muß ein Blüthemai mir sein.
Mehr Lust und Wonne giebt sie mir,
als Laub und Klee:
Rothe Rosen blüh'n
Auf weißem Schnee
Unterhalb der Augen, und des Winters Weh
Erwart' ich kühn.
Ihre Stirn ist weiß,
Darunter roth
Mund und Wangen;
Kinn und Hals und Nacken steh'n
Ihr zu vollem Preis;
Das bringt mir Noth.
Sollt' ich hangen,
Müßte doch den Mai erseh'n
Mein Auge stets in ihren Augen,
licht und klar.
Rühmen hoch und hehr
Will immerdar
Vor dem grünen Laub ich gern ihr blondes Haar
Ich bin so leer.
Kam ein süßer Traum
Mir jüngst zu Dank;
Lieben Gästen
Künd' ich, was mit mir erging:
Wie ein Rosenbaum,
Von Wuchse schlang,
Mit zwei'n Aesten,
Reich an Blüthen, mich umfing;
Von Veilchen stand er und von Rosen hold umringt.
Also deut' ich mir's -
Wenn's nur gelingt -:
Daß ihr Arm mich einen halben Tag umschlingt.
Gestatt' ich ihr's?
Ja, ich will dahin
Mit Freuden geh'n,
Wo der Schmerzen
Ganz vergißt wer sehnend liebt;
Muß doch so mein Sinn
Zu Dienst ihr steh'n,
Daß dem Herzen
Süße Lust ihr Lachen giebt
Und hell erstrahlt bei ihrem Blick sein tiefster Grund.
Wie die Rose roth
Ist ihr der Mund;
Welchen Siechen der berührt, der wird gesund
Trotz Qual und Noth.
Doch sie übt Gewalt
An dem noch mehr,
Der in linden
Armen ruht an ihrer Brust.
O der Huldgestalt!
Für Herzbeschwer
Ist zu finden
Sänftigung bei ihr und Lust.
Wie lieb ein Weib, wie traut sie sei,
das leuchtet ein,
Da ein 'Ja' der Frau
Befreit von Pein.
Darum sei verwünscht auf immerdar ihr 'Nein';
Das macht mich grau.
Nachgedichtet von
Wilhelm Storck (1829-1905)
Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 247-249)
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