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Der Litschauer
(um 1260)
Wohl und Weh
Was tut dem Auge wohl und weh dem Herzen?
Dein holder Reiz, o weiblich Weib,
Wenn dein geschmückter, edler Leib
Dem Manne tief ins Herz durchs Auge dringt.
Die Liebe schleicht dann still und unter Scherzen
Ins Herz durchs Auge bald dem Mann,
Der Minne suchet, bis sodann
Die Liebe mit des Mannes Herzen ringt.
Dann werden ihm verwundet Herz und Sinne,
Doch bleibt die Wackre unversehrt,
Man hält sie hoch und treu geehrt
Und achtet ihrer Tugend Wert.
Des Mannes Augen tut sie wohl,
Doch weh tut ihm die Minne.
Nachgedichtet von Richard Zoozmann (1863-1934)
Aus: Der Herrin ein Grüßen
Deutsche Minnelieder
aus dem zwölften bis vierzehnten Jahrhundert,
ausgewählt und nachgedichtet
von Richard Zoozmann
Leipzig 1915 (S. 187)
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Wohl und Weh
Was thut den Augen wohl und weh dem Herzen?
Dein holder Reiz, weibliches Weib,
Da dein beglückter, reiner Leib
In's Herz dem Manne durch die Augen dringet.
Dann schleicht geheim die Lieb' und unter Scherzen
Durch's Auge bald in's Herz dem Mann,
Der Minne sucht, so daß alsdann
Die Liebe mit des Mannes Herzen ringet
Und ihm das Herz verwundet und die Sinne.
Das wack're Weib bleibt unversehrt,
Man hält sie lieb und hochgeehrt
Und achtet ihrer Tugend Werth;
Des Mannes Augen thut sie wohl, doch thut ihm weh die Minne.
Nachgedichtet von
Wilhelm Storck (1829-1905)
Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 8)
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