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Der Marner
(um 1246 – 1267)
Rosen und Dornen
Nun freut sich Erd und Wasser
Und Feuer
Und Himmel, Luft und Zeit!
Jüngling, sei froh, du Lasser,
Da heuer
Dir alles Hilfe leiht.
Liebe eignet allen Wesen,
Zwei und zwei gehn sie gemeinsam;
Der zur Minne auch erlesen,
Willst du immer bleiben einsam?
Unstet ist der Minne Brauch:
Wo sich Rosen wiegen,
Schmiegen
Dornen in der Näh sich auch!
Die Zeit mit Freuden büßet
Der Aue,
Die aller Not genas.
Der Mai die Heide grüßet.
Im Taue
Glänzt Blumenflor und Gras.
Weiß, blau, gelb und rot, so finde
Rings den Boden ich beblümet,
Und das breite Dach der Linde
Sich des grünen Laubes rühmet.
Wonnig schluchzt die Nachtigall,
Drosseln, Lerchen mischen
Frischen
Wohllaut noch in ihren Schall!
Ich will die Minne strafen,
Denn macht sie
Sich selbst nicht öfter Leid?
Und wo sie sollte schlafen,
Da wacht sie,
Und wacht, wenn Schlafenszeit.
Red ich hart, seis nicht im Spaße,
Ists auch nicht in ihrem Sinne;
Übersteigt sie Zucht und Maße,
Muß ich heißen sie Unminne.
Minne ist nicht Wandels frei:
Wo die Rosen lohen,
Drohen
Auch die Dornen nahebei!
Mit Scherzwort, Kuß und Lachen
Giebt Minne
Sich wohl die rechte Zier,
Doch Minne soll entfachen
Die Sinne
Nicht scherzhaft zur Begier.
Minne giebt Verliebten schneller
Einen Sinn und eine Treue,
Ihre Farben glänzen heller,
Wenn es frische sind und neue.
Doch wird Liebe auch zu Leid!
Wie der Ring erblindet,
Schwindet
Minnegoldglanz mit der Zeit!
Nachgedichtet von Richard Zoozmann (1863-1934)
Aus: Der
Herrin ein Grüßen
Deutsche Minnelieder
aus dem zwölften bis vierzehnten Jahrhundert,
ausgewählt und nachgedichtet
von Richard Zoozmann
Leipzig 1915 (S. 126-127)
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