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Der Marner
(um 1246 – 1267)
Weibeshuld und Mannessinn
Wer nach meiner Lehre
Sich Liebe nimmt zum Ziel,
Soll der Frauen Ehre
Nicht halten für ein Spiel.
Prahlerei und Lüge
Scheucht werthe Frauen fort;
Einzig macht gefüge
Sie Zucht in Werk und Wort.
Reine Frau'n erheben
Soll man allezeit,
Weil sie Freude geben
Und vertreiben Leid.
Daß wir Frau'n gewinnen,
Kein Wunder liegt darin;
Nur als Siegerinnen
Stellt unser Sieg sie hin.
Was man sonst auch meide,
Den Frauen sei man hold;
Lieblich stellt zu Seide
Sich immer rothes Gold.
Reine Frau'n erheben
Soll man allezeit,
Weil sie Freude geben
Und vertreiben Leid.
Nännt' ich mein das Wissen
Von tausend Meistern gar:
Dennoch müßt' ich missen,
Was meine Sehnsucht war.
Mag die Minn' auch letzen,
Ihr Anbeginn ist heiß;
Wem sie giebt Ergetzen,
Sei fröhlich, daß er's weiß.
Reine Frau'n erheben
Soll man allezeit,
Weil sie Freude geben
Und vertreiben Leid.
Blonde Frau'n und braune,
Die halte werth und lieb;
Schleich hinzu und raune
Mit ihnen wie ein Dieb.
Wilder Sinn wird nimmer
Als nur durch Minne traut;
Wohl ihr heut und immer,
Minn' ist ein süßer Laut.
Reine Frau'n erheben
Soll man allezeit,
Weil sie Freude geben
Und vertreiben Leid.
Hört die frohe Kunde
Ihr alle, Kind und Maid;
Nach dem Haidegrunde
Lockt uns die Sommerzeit.
Geht nur hin, zu schauen,
Und nehmt uns mit hindann,
Unter schönen Frauen
Manch hochgemuthen Mann.
Reine Frau'n erheben
Soll man allezeit,
Weil sie Freude geben
Und vertreiben Leid.
Nachgedichtet von
Wilhelm Storck (1829-1905)
Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 198-200)
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