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Der wilde Alexander
(um 1239)
Mein trauervolles klagen
Ist, dass mich tief im streit
Minne sehr'!
Soll aber ich nun tragen
Das grosse herzeleid
Immer mehr,
Das an mir schon tat
Der minne rat?
Nein, ich will mich still
Und bald entladen
Von diesem schaden.
Die not der tod
Eh von mir jage,
Eh dass ich trage
Alle tage
Mein leid als unendlich gleich.
Ganz wie ein schwan,
Der wissen kann,
Dass heran
Naht sein tod, dem sing ich gleich.
Ach meiner wonne früchtige rebe,
Verwundert wen, warum ich lebe?
Meine stäte zuversicht
Tröstet mich, ein andres nicht.
Ach minne, du hast mir gegeben
Nach liebem wahn ein strenges leben:
Soll ich ohne fraue mein
Doch dein schildgefährte sein?
Er mag wohl von nöten sagen,
Der den schild muss einsam tragen:
So ist das not über not,
Trägt man gegen ihn den schild.
Wenn sie scheiden ungespielt,
Ach, das ist ein lebender tod.
Nun lass sie zusammenkommen,
Leicht wird dann ein spiel genommen,
Das freud über freud gebiert.
O weh, ihnen sagt danach
Wieder langes trauern schach,
Wenn urlaub genommen wird.
Minne ist ihr geselle,
Wer ihr dienste stelle,
Heute süss und morgen sauer:
Liebens nachbarschaft ist trauer.
Wer noch jemals spielte
Unterm minnenschilde,
Der litt übel und litt gut,
Wie noch minnegieriger tut.
Uns malten die alten
Die sehnende not,
Wie sich mancher bot
In den grimmen tod,
Wenn die minne ihn überwand.
Nun lehre mich, hehre
Minne, auf dass ich
Deinen schild und dich
Wohl und minniglich
Deinen freunden mach bekannt.
Zieht her und her,
Wer nun begehr,
Dass er werde dienstes mann
Würdiger Minne um hohen lohn:
Den lasse ich hie
Wissen, wie
Ihnen gab und geben kann
Minne zeichen, ruf und ton.
Nun nehmet wahr, dies ist der schild,
Darunter mancher hat gespielt:
Auf rotem felde ein nacktes kind,
Das ist gekrönet und ist blind,
Von gold ein strahl in einer hand
Und in der andern ist ein brand.
Das kind hat auf den rand gespänget
Zwei flügel, wie zu schnellem fluge,
Der schild ist überall besprenget
An dem zeichen und an dem zuge.
Habt ihr vernommen, wie für sie kommen
Die worte und die stoffe klar?
Schild und auch kind, das ist ein wind,
Nun nehmet auch der glossen wahr!
Weck auf, Minne, spähe, sinne,
Üb dein recht, durch das dein heer
Dich erkenne: schiess und brenne
Und sieh, wer sich dein erwehr'.
Fürwahr, so kommt Amor geflogen,
Er bringt fackeln mit und bogen:
Sein strahl fährt durch die ganze wand,
Und nach ihm wirft er seinen brand:
So kommt ein feuer, eine lust
Bald unter minnegehrende brust.
Was er begeht und was er treibet,
Das ist alles kindlich spiel,
Darum man kindlich ihn beschreibet:
Er hat kindischer tücken viel.
Er trägt so hold der krone gold,
Der manchen könig schon bezwang.
Weh über weh! wie stark, wie jäh
Er überkommt, wen er bedrang.
Ihr sollt schauen liebste frauen
Und lasst euch hinwieder sehen.
Kommt ganz stille, zwei ein wille,
Ach, so ist sein schuss geschehen.
Schone, minne, schone
Tobe nicht mit der krone!
Bist in ihrem lande,
Tobe nicht mit dem brande!
Hast mit einem male
Zwei mit einem strahle
Geschnürt in deinem stricke
Ihrer augenblicke.
Wo brust kommt zu brüsten,
Da scheint von gelüsten
Dein feuer an die strasse
Und brennest ohne maasse.
Ich muss noch deiner blindheit klagen,
Sieht man einen schwachen zagen
Hoher minne sold bejagen.
Blind und bloss war stets dein spiel:
Das merke, wer das merken will,
Spräche ich mehr, das wäre zuviel.
Wünschen und gedenken
Ist dein gefieder,
Das kannst du lenken
Hoch und nieder.
Wer möchte dir entschwenken?
Du fliegest her, du fliegest wider.
Deinen schild lass schauen:
Sein feld ist rot,
Wie man durch die frauen
Kommt in die not,
Dass einer liegt zerhauen,
Der andre leidet schnellen tod.
Wer deinen schild will üben,
Den soll nicht betrüben,
Wenn ihn das kind mit der krone
Zwinge, dass er folg und frone
Dem tone,
Den uns Paris über see
Brachte von den Griechen
Zu den minnesiechen:
Als sie brachen Trojas spiegel,
Wer da trug der Minne riegel,
Des siegel
War nichts als ach und weh!
Nachgedichtet von
Friedrich Wolters (1876-1930)
Aus: Minnelieder und Sprüche
Übertragungen aus deutschen Minnesängern
des XII. bis XIV. Jahrhunderts von
Friedrich Wolters. Zweite Ausgabe Berlin 1922 Bei Georg Bondi (S. 132-136)
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