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Dietmar von Aist
(vor 1140 - nach 1171)
Minneklage
"Was ist gut wohl gegen Trauer,
wenn ein Weib am Liebsten hängt?
Gerne möcht' mein Herz es wissen,
da 's mir ist so sehr bedrängt."
So sprach klagend eine Schöne.
"Wären Wächter nicht,
es nahmen meine Schmerzen
Bald ein Ende. Nie vergess' ich sein im Herzen."
"Viele sagen, große Treue
sei das Glück der besten Fraun,
Seit mein Herz in Leid befangen,
kann ich nicht darauf vertraun."
Also sprachen zwei Geliebte,
da sie voneinander schieden.
"Weh dir, Minne!
Nur wer ohne dich könnt' leben,
wär' bei Sinne."
Wenn alle Welt der Ruhe pflegt,
so schlafe ich nur nicht allein.
Das kommt von einer Schönen her,
der ich so gerne lieb möcht' sein.
Mein ganzes Glück liegt nur an ihr.
Wie wird mir jemals Rat dafür?
Schier möcht' ich sterben!
Was ließ sie Gott mir armen Mann
zur Marter werden!
Nachgedichtet von Bruno Obermann
Aus: Deutscher
Minnesang Lieder aus dem
zwölften bis vierzehnten Jahrhundert
Übertragen von Bruno Obermann
Leipzig Druck und Verlag von Philipp Reclam jun. o. J. (1890) (S. 27-28)
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