Minnesang

Nachdichtungen deutscher Minnesänger
 

 

 


Friedrich von Hausen
(1150/60 - 1190)

 

Mein herze und mein leib, die wollen scheiden,
Die miteinander fuhren manche zeit:
Der leib will gerne fechten gegen heiden,
So hat jedoch das herz erwählt ein weib
Vor aller welt. Das müht mich immer seit,
Dass sie einander nimmer folgen beide.
Mir haben die augen viel getan zuleide.
Gott selber müsste scheiden noch den streit.

Ich wähnte ledig mich von solcher schwere,
Als ich das kreuz zu Gottes ehre nahm,
Und wär es, wenn mein herz wie ich nur wäre,
Doch seine stetigkeit ihm das benahm.
Ich stünde kräftig ohne schwache scham,
Wenn es vom trotzigen willen sich bekehre.
Nun seh ich wohl, dass es mein herz nicht sehre,
Ob mich das ende bringt in schweren gram.

Seit ich, mein herz, dich nimmer mehr kann wenden
Von deinem wunsch, der trauer auf mich legt,
So bitt ich Gott, dass er dich wolle senden
An eine statt, da man dich sorglich hegt!
Weh, armes, wie dein los mich nun bewegt!
Wie wagst du dich allein zu solchen bränden?
Wer soll dir deine sorge helfen enden
Mit solchen treuen, als ich hab gepflegt?

Nachgedichtet von Friedrich Wolters (1876-1930)

Aus: Minnelieder und Sprüche
Übertragungen aus deutschen Minnesängern
des XII. bis XIV. Jahrhunderts von
Friedrich Wolters. Zweite Ausgabe Berlin 1922 Bei Georg Bondi (S. 27-28)

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Herz und Leib


Mein Herze und mein Leib, die woll'n sich scheiden,
Die miteinander ziehn nun lange Zeit.
Der Leib will gerne kämpfen mit den Heiden,
Doch hat das Herz vor allen sich ein Weib
Erwählt. Seitdem bin ich in großem Leid,
Daß sie einander nun nicht folgen beide.
Die Augen thaten vieles mir zu leide,
Und Gott allein kann enden nur den Streit.

Ich glaubte, frei zu sein von Leid und Schwere,
Nähm' ich das Kreuz zu Gottes Ehre an.
Es wär' auch recht so, wenn es also wäre,
Nur hält die Treu' es unter strengem Bann.
Ich wär' gar wohl ein lebensfrischer Mann,
Geläng' es, daß die Thorheit ich ihm wehre.
Nun seh' ich wohl, daß sich's daran nicht kehre,
Wie mir's auch mag ergehn am Ende dann.

Da ich, o Herz, dich nicht zurück kann wenden,
Es würde denn mir großes Leid entstehn,
So bitt' ich Gott, er möge dich doch senden
An einen Ort, wo man dich gern mag sehn.
O weh, wie soll's dir armen doch ergehn!
Glaubst du alleine solche Not zu wenden?
Wer soll dir deine Sorgen helfen enden
Mit solcher Treu', wie dir's von mir geschehn?

Nachgedichtet von Bruno Obermann


Aus: Deutscher Minnesang Lieder aus dem
zwölften bis vierzehnten Jahrhundert
Übertragen von Bruno Obermann
Leipzig Druck und Verlag von Philipp Reclam jun. o. J. (1890) (S. 55)

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