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Graf Konrad von Kirchberg (oder Kilchberg)
(um 1300)
Aller Minne Krone
Gras und Blumen, thaubeperlt und duftig,
Wenn der wonnigliche Mai sie bringet,
Und die Lerche trillert hoch und luftig,
Daß ihr Lied hin durch die Wolken dringet,
Und es schmettert frei und unverborgen
In den Auen überall
Ihren Sang die Nachtigall:
So verzehr' ich mich in Gram und Sorgen.
Reich an Kräften nennt man Kraut und Steine,
Worte sind als mächt'ger noch zu preisen;
Herzersehntes könnte wohl die Reine
Leicht mit ihren Worten mir erweisen.
Liebe Wort' in Lieb' aus liebem Munde,
Sänken süß sie in die Brust:
Ach, was gliche solcher Lust,
Fänd' ich Herzensfreud' und Minn' im Bunde!
Rosenroth gefärbt zu Lust und Liebe
Blüh'n der Schönen Kinn und Mund und Wangen;
Weckt' ihr Tugendwerth mir diese Triebe,
Daß ich muß von Herzen an ihr hangen:
Dann ist Venus schuldlos mit dem Sohne.
Amor, deiner Fackeln Glut
Hat mir nicht entflammt das Blut;
Wahre Lieb' ist aller Minne Krone.
Wenn ein Herz von rechter Freud' entglommen,
Kann und soll es frohen Muth bewahren;
Aber ich muß leben tief beklommen;
Denn mir ward in allen meinen Jahren
Von der Holden nie ein lieblich Grüßen.
Darum hab' ich trüben Muth;
Doch die Frau ist lieb und gut;
Wenn sie will, sie kann das Leid versüßen.
Nachgedichtet von
Wilhelm Storck (1829-1905)
Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 64-65)
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