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Graf Kraft von Toggenburg
(um 1248 – 1259)
Winter im Herzen
Mir ist leide,
Daß im Winterkleide
Wiese, Wald und Heide
Kahl stehn überall.
Winters Zwingen
Läßt nicht Blumen mehr entspringen
Noch die Vögel singen
Ihren süßen Schall.
So verderbt auch mich die schöne Frau,
Die mir nie
Hilfe lieh,
Daß durch sie
Mir gedieh
Großes Leid, und ich noch größeres schau!
Aller Schwere
Ich alsbald entbehre,
Wenn zu ihr ich kehre
Meine Augen hin,
Daß die Hehre,
Reich an Schönheit, Zucht und Ehre,
Meine Freuden mehre,
Mir zum Frohgewinn.
Rosenwangen hat sie, roten Mund,
Goldhaar lang,
Hälslein blank,
Hüften schlank,
Ohne Wank
Lieb ich sie aus tiefstem Herzensgrund.
Ich will singen,
Und ihr Dienste bringen,
Bis mirs mag gelingen,
Daß sich schwächt ihr Groll.
Kann ihr Lachen
Doch Betrübte fröhlich machen,
Und den Mut entfachen
Dem, der trauervoll.
Wenn ihr Gruß mir würde einst zuteil,
Dann fürwahr
Wär ich gar
Für ein Jahr
Sorgenbar:
Ach, daß bald mir blühte solch ein Heil!
Nachgedichtet von Richard Zoozmann (1863-1934)
Aus: Der Herrin ein Grüßen
Deutsche Minnelieder
aus dem zwölften bis vierzehnten Jahrhundert,
ausgewählt und nachgedichtet
von Richard Zoozmann
Leipzig 1915 (S. 128-129)
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