Minnesang

Nachdichtungen deutscher Minnesänger
 

 

 


Graf Kraft von Toggenburg
(um 1248 – 1259)



Die Unvergessene

Der kleinen Vögel Freude ist jetzt groß,
Sie freuen sich der lichten Tage,
Die aller Welt erhöhen das Gemüte.
Nur ich bin aller Freuden bloß,
Denn was ich singe oder sage:
Nicht tröstet mich des reinen Weibes Güte,
Mir helfen nicht die Blumen auf der Heide!
O tröste mich, du reines Weib,
Du zwangest Seele mir und Leib,
Daß ich unsanft von deiner Minne scheide.

Gott weiß, daß ich dir treu ergeben bin,
Auch streb ich nicht nach anderm Ziele,
Als dir zu dienen, Holde du und Reine.
Du nahmst den Willen mir, den Sinn
Hinfort, daß er dir dient zum Spiele,
Und ich von Freuden kenne auch nicht eine.
Was hilft mirs, daß ich der Geliebten singe?
Sie tut, alsob sies nicht versteh,
Das tut mir tief im Herzen weh,
Wo ich so treu nach ihrer Minne ringe!

Was alles ich der Guten jemals sang,
Hat nie bei ihr mir nützen wollen,
Sie läßt in Gram mich leben schon zu lange.
Ja würde mir ihr Habedank,
So würd ich gern der Freude zollen
Und eifrig dienen ihr mit meinem Sange.
Ich kann vergessen nicht der Reizgeschmückten,
Sie machte ja das Herz mir wund,
Sie und ihr rosenfarbner Mund,
Seit mich der Minniglichen Fesseln drückten.

Nachgedichtet von Richard Zoozmann (1863-1934)

Aus: Der Herrin ein Grüßen
Deutsche Minnelieder
aus dem zwölften bis vierzehnten Jahrhundert,
ausgewählt und nachgedichtet
von Richard Zoozmann
Leipzig 1915 (S. 129)

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