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Graf Kraft von Toggenburg
(um 1248 – 1259)
Rosenlachen
Wer den Sinn auf Freude stellt,
Gehen soll der zu der grünen Linden:
Schattendach und Blüthenzelt,
Aufgebaut vom Sommer, wird er finden.
Das liebt der kleinen Vögel Schwarm;
Die singen froh und scherzen,
Und wie Wolken schwingen leicht
Sich empor die sehnsuchtschweren Herzen.
Blumen trägt die Haide viel:
Wem der Mai will Gram und Sorge lindern,
Findet mancher Freude Spiel.
Wollte nur mein Sehnsuchtsweh sich mindern!
An frohem Muthe wär' ich reich
Und könnt' an Lust mich weiden,
Möcht' ein reines, sel'ges Weib
Nur so sehr nicht lachen meiner Leiden.
Lache, rosenfarb'ner Mund,
Aber nicht mehr kränke durch dein Lachen
Meine Lust im Herzensgrund;
Laß dein Lachen lieber sie entfachen.
Der Mai und all der Blumen Glanz,
Die könnten dem Gemüthe
Nicht so süße Lust verleih'n,
Wie dein Lachen, wenn du's meinst in Güte.
Blumen, Laub, Klee, Berg und Thal
Und des Maien sommersüße Wonne -
Vor der Rose steh'n sie fahl,
Die die Fraue trägt; die lichte Sonne
Erlischt in meinen Augen gar,
Wenn ich die Rose schaue,
Die aus rothem Mund erblüht,
Wie die Rosen aus des Maien Thaue.
Wer sich Rosen je gepflückt,
Scherzen kann der frohgemuth und kosen;
Was an Rosen auch entzückt,
Nimmer sah ich noch so lose Rosen.
Wie viel man ihrer pflückt im Thal,
Wo sie erschafft die Mächt'ge:
Immer lacht ihr rother Mund
Eine neue tausendmal so prächt'ge.
Nachgedichtet von
Wilhelm Storck (1829-1905)
Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 209-210)
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