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Graf Otto von Botenlauben
(um 1200)
Wer ist Schuld?
Ich habe selbst erwählt mir süßen Kummer
Und lieb' ihn mehr, als aller Blumen Schein;
Der ist ein Thor, der drum mich hält für dummer.
Haß war ja stets und wird auch immer sein.
Der Liebe wegen trag' ich diese Pein;
Die wählt' ich mir, so sei sie denn auch mein.
Frau, wie du willst, so thue stets an mir, die Macht sei dein.
An ihr Versprechen mahn' ich noch die Hehre,
Das sie mir gab - die Zeit ist gar so lang -:
Mein Leiden ende, wenn ich wiederkehre;
Geschieht das nicht, so wird mir trüb' und bang.
Nach deren Minn' ich stets mit Schmerzen rang,
Die macht, daß mir geschieht im Liebesdrang
Gleichwie der Nachtigall, die freudig sich zu Tode sang.
Und sollt' ich sterben durch die großen Leiden,
Angst wäre das, die peinlich mich bedroht;
Wer das verschulde, will ich euch bescheiden:
Mir bringt ihr holder, rother Mund die Noth.
Bin lang ich fern von ihr, das wird mein Tod;
Auch wurden ihr die lichten Augen roth,
Als ich in ihre Gnad' und Huld beim Abschied mich entbot.
Nachgedichtet von
Wilhelm Storck (1829-1905)
Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 340-341)
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