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Graf Wernher von Hohenberg
(1284 – 1320)
Unverschuldet
Klagen muß ich, daß die Welt
Sich verändert hat sobald;
Seht, wie öd liegt Flur und Feld,
Und in Nebel steht der Wald.
Wo man sonst nur süßen Klang
Und Gesang
Rings im Tal, und überall
Hat vernommen:
Winters Kommen
Macht verstummen Hall und Schall.
Was beklag ich Vogelsang
Und beklag nicht meinen Schmerz,
Daß ich nicht die Holde zwang,
Die bezwungen mir das Herz?
Ach vom Leid, daran ich wund,
Schweigt mein Mund,
Und erzählt nicht, welche Not
Unverschuldet
Ich erduldet,
Die beinah mir bringt den Tod.
Nachgedichtet von Richard Zoozmann (1863-1934)
Aus: Der
Herrin ein Grüßen
Deutsche Minnelieder
aus dem zwölften bis vierzehnten Jahrhundert,
ausgewählt und nachgedichtet
von Richard Zoozmann
Leipzig 1915 (S. 244)
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Ohne Verschulden
Klagen muß ich, daß die Welt
Sich verkehrt hat gar so bald;
Oede liegen Flur und Feld,
Und im Nebel steht der Wald.
Wo sonst man hörte Vogelsang
Und Klang
Im Thal, und überall
Süße Stimme:
Winters Grimme
Ist rings erlegen all der Schall.
Was beklag' ich Vogelsang,
Warum nicht den eignen Schmerz,
Daß bei ihr mir nichts gelang,
Die bezwungen mir das Herz?
Ach, jenen Kummer, der mich quält,
Erzählt
Der Mund nicht, noch die Noth,
Die ich dulde,
Nicht verschulde;
Ich fürcht', es bringe mir den Tod.
Nachgedichtet von
Wilhelm Storck (1829-1905)
Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 60)
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