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Hartmann von Aue
(um 1165 - um 1210)
Glück der Liebe
Wohl niemand hat mehr Glück und Heil
Auf dieser Welt zu eigen,
Als wem ein Liebes ward zuteil,
Und Liebe darf erzeigen.
Er kennt nicht Sehnsucht oder Not,
Die manches Herz betrübt zum Tod.
Doch wer da diente lange Zeit
Und dann des schönen Lohns entbehrt,
O weh! es giebt kein größeres Leid,
Wie ich nun dessen ward belehrt,
Da gleicher Kummer an mir zehrt.
Ja Unglück ward mir und Verdruß,
Wie niemals mich ereilte,
Da ich von Freunden scheiden muß,
Wo stets ich gern verweilte.
Die Treue brachte mir dies Leid;
Ob mirs zum Seelenheil gedeiht?
Mein Herz vertrauert unbeglückt
Den langen Tag, des Trostes bar!
Ach wie die Treue quält und drückt,
Weil ich vergesse nimmerdar
Der Guten, die mein Trost einst war.
Nachgedichtet von Richard Zoozmann (1863-1934)
Aus: Der Herrin ein Grüßen
Deutsche Minnelieder
aus dem zwölften bis vierzehnten Jahrhundert,
ausgewählt und nachgedichtet
von Richard Zoozmann
Leipzig 1915 (S. 45)
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Trübes Sinnen
Der allein hat Glück und Heil
Auf dieser Welt und keine Schmerzen,
Dem nie Liebes ward zu Theil
Und nimmer Liebes liegt am Herzen.
Kein Sehnen kennt er, noch die Noth,
Die manchen Mann betrübt zum Tod,
Wenn er gedient hat lange Zeit
Und nun des schönen Lohns entbehrt.
Es giebt fürwahr! kein bitt'rer Leid,
Wie leider nun ich ward belehrt,
Da gleicher Kummer mich verzehrt.
's ist ein Unglück mir gescheh'n,
Wie nie ein Gleiches mich ereilte,
Daß ich muß von Freunden geh'n,
Bei denen gern ich immer weilte.
Von meiner Treue kommt das Leid;
Ob mir's zum Seelenheil gedeiht?
Der Leib vertrauert ohne Wehr
Den langen Tag in Acht und Bann.
Wie macht die Treue mir Beschwer,
Weil nimmer ich vergessen kann
Der Guten, die mein Herz gewann.
Nachgedichtet von
Wilhelm Storck (1829-1905)
Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 348)
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