Minnesang

Nachdichtungen deutscher Minnesänger
 

 

 


Heinrich der Schreiber (der Tugendhafte)
(um 1208 - 1228)

 

In den Wald gesungen

In den Wald nur ist gesungen,
Klag' ich ihrer Huld das Leid,
Die das Herz mir hat bezwungen
Und bezwingt zu aller Zeit.
Gleich' ich doch der Nachtigall,
Die so manches Lied verschwendet;
Und mit ihrem Schaden endet
Doch zuletzt ihr süßer Schall.

Fraue, lieb vor allen Frauen,
Deine Huld gewähre mild;
Fröhlich könntest du mich schauen,
Wärst du nur dazu gewillt.
Gieb mir, Fraue, hohen Muth
Und besänft'ge doch die Schmerzen
Meiner Sehnsucht tief im Herzen:
Ach, wie sanft die Minne thut!

Die Geliebt', ach, nicht die Gute,
Die zur Frau ich stets begehrt:
Wünsch' ich Trost in trübem Muthe,
Fühlt sie dadurch sich beschwert,
Und die Klag' ist ihr ein Spaß;
Wagt' ich drum sie anzuklagen,
Wunderdinge könnt' ich sagen,
Doch die Zucht verbietet das.

Nützt im wilden Wald das Singen,
Wenn so manch ein Vögelein
Süße Töne läßt erklingen?
Trägt der Schick wohl Dank ihm ein?
Dankestaub ist all der Wald,
Und das wilde Waldgesinde
Eilt' aus Wilde nie geschwinde,
Wo es hübsch zu lohnen galt.

Nachgedichtet von
Wilhelm Storck (1829-1905)

Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 128-129)

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