Minnesang

Nachdichtungen deutscher Minnesänger
 

 

 


Heinrich von Morungen
(um 1225)
 


Wie soll freudeloser tage
Mir und schwerer jahre jemals werden rat?
Aber das ist meine höchste klage,
Dass wir sind an sang, an freude leer und matt.
Seitdem die welt von sorgen ist so ganz bezwungne statt,
Schweigt nun auch mancher, der doch herrlich sonst gesungen hat.

Ich war irgend einmal froh,
Als mein herz sich wähnte neben der sonne stehn.
Durch die wolken sah ich hoh!
Nun lass ich mein auge nieder zur erde gehn:
Mich trügt allzusehr ein allzu minnigliches flehn,
Seit ich von ihr nichts mehr als leid und herzenslast ersehn.

Will sie meiden mich um das,
Weil sie ein wenig ist in falschen volkes hut?
Das ist schwaches freundesmaass,
Dass sie um die andern mir so wehe tut.
Es höret nicht zur liebe ein so kranker freundesmut,
Doch will sie die hüter wieder trügen, ist uns beiden gut.

Nachgedichtet von Friedrich Wolters (1876-1930)

Aus: Minnelieder und Sprüche
Übertragungen aus deutschen Minnesängern
des XII. bis XIV. Jahrhunderts von
Friedrich Wolters. Zweite Ausgabe Berlin 1922 Bei Georg Bondi (S. 53-54)

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