Minnesang

Nachdichtungen deutscher Minnesänger
 

 

 


Heinrich von Morungen
(um 1225)
 


Verborgen und verboten

Heil und Segen
Sei der Guten allezeit!
Allerwegen
Steht das Hütervolk bereit.
Weh, das hat's verschuldet, daß sie selten nur sich zeigt,
Wie die Sonne, wenn sie Abends niedersteigt.

Bis zum Morgen,
Wie die lange Nacht vergeh',
Muß ich sorgen,
Ob ich einmal nur sie seh',
Die geliebte Sonne, die so wunderherrlich tagt,
Daß um trübe Wölkchen kaum mein Auge klagt.

Wer der Frauen
Hütet, sei in Bann und Acht;
Denn zum Schauen
Hat sie Gott dem Mann gemacht,
Spiegel all der Welt zu sein und Herzenswonne gar.
Nützt denn Gold vergraben? Niemand wird's gewahr.

Ueble Lehren
Giebt man Frau'n, die rein und gut;
Die verkehren
Treuen Sinn zu Wankelmuth.
Frauen soll man schau'n und lassen ohne Zwang und Band;
Nach verbot'nem Wasser greift des Siechen Hand.

Nachgedichtet von
Wilhelm Storck (1829-1905)

Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 87-88)

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