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Heinrich von Rugge
(um 1190)
Unbelohnt
Ich habe rings in Pracht gesehn
Die Heide und den grünen Wald,
Doch alles welkte überall;
Verfärbt und traurig müssen stehn
Die Blumen, weil es wurde kalt;
Auch hat die liebe Nachtigall
Vergessen ganz ihr schönes Lied.
Doch treulich all mein Sinnen zieht
Mich hin zu einem schönen Weib,
Die mir, ob sie mich kalt auch flieht,
Viel lieber ist als Seel und Leib.
Und würd ich solch beglückter Mann,
Daß sie mich Lohnes hielte wert,
Sie, die ich stets im Herzen barg:
So hätt ich, was ich nie gewann
Und doch mein Wunsch von ihr begehrt
In aller Treu und ohne Arg.
Nun leid ich, ungewiß wofür?
Ich lobte sie stets nach Gebühr;
Und lohnt sie mir noch holdgeneigt,
So ist nur sie es für und für,
An der sich meine Treue zeigt!
Nachgedichtet von Richard Zoozmann (1863-1934)
Aus: Der Herrin ein Grüßen
Deutsche Minnelieder
aus dem zwölften bis vierzehnten Jahrhundert,
ausgewählt und nachgedichtet
von Richard Zoozmann
Leipzig 1915 (S. 39)
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Lob ohne Lohn
Ich hatte rings den Wald geseh'n
Und all die Haid' in lichter Pracht,
Die wurden falb allüberall;
Und gar vertrauert müssen steh'n
Die Blumen vor des Winters Macht.
Auch hat die liebe Nachtigall
Vergessen auf ihr schönes Lied.
Voll Treue mein Gedenken zieht
Mich hin zu einem schönem Weib,
Ob sie mir jemals Huld gewährt,
Die lieb wie Leben mir und Leib.
Und würd' ich ein so sel'ger Mann,
Daß ich sie däuchte Lohnes werth,
Die meine Lust zu jeder Frist:
So hätt' ich, was ich nie gewann
Und was ich doch von ihr begehrt
Ohn' alle Missethat und List.
Nun leid' ich, ungewiß, wofür;
Lobt' ich sie stets doch nach Gebühr.
Doch lohnt sie noch mir holdgeneigt,
So ist und muß sie's immer sein,
An der sich meine Treu' erzeigt.
Nachgedichtet von
Wilhelm Storck (1829-1905)
Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 136)
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