Heinrich von Sax
(um 1235–1258)



Komm und hilf

Wieder trägt der Mai
Bunten Blüthenschmuck zur Schau;
Doch in Sorge leb' ich und in Gram.
Froh vermöcht' und frei
Mich zu machen nur die Frau,
Deren Reiz Verstand und Sinn mir nahm.
Frau, Barmherzigkeit!
Sei mit Hülfe mir bereit;
Wende du mein Leid,
Sonst erlieg' ich vor der Zeit.

Gute Frau, die Pein
Meiner Sehnsucht scheuche bald,
Die mit mancherlei Beschwer mir droht;
Denn es hat allein
Ueber meinen Schmerz Gewalt
Immerdar dein Mund, so süß und roth.
Frau, Barmherzigkeit!
Sei mit Hülfe mir bereit;
Wende du mein Leid,
Sonst erlieg' ich vor der Zeit.

Meiner Freuden Hort,
Zeige doch dein gutes Herz
Und befreie Seele mir und Leib;
Sprich das süße Wort:
"Nehmen will ich dir den Schmerz",
Immer bist du dann ein sel'ges Weib.
Frau, Barmherzigkeit!
Sei mit Hülfe mir bereit;
Wende du mein Leid,
Sonst erlieg' ich vor der Zeit.

Nachgedichtet von Wilhelm Storck (1829-1905)

Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 150-151)

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