Minnesang

Nachdichtungen deutscher Minnesänger
 

 

 


Heinrich von Veldeke
(vor 1150 - 1190/1200)



Rechte Minne

In des Jahres schönen Zeiten,
Wo die Tage wieder lang,
Wo sich klar die Lüfte breiten,
Da erneun von allen Seiten
Auch die Amseln ihren Sang,
Die uns hohe Lust bereiten.
Dann mag Gott auch sagen Dank,
Wer da rechte Minne
träget ohne Leid und Wank.

Ich bin froh durch sie, die Hehre,
Die mir hat so wohl gethan,
Daß ich mich vom Leide kehre,
Das mich quälte sonst mit Schwere,
Aber nun verließ fortan,
Daß ich reich bin und voll Ehre,
Seit ich durfte sie umfahn,
Die mir gab rechte Minne
ohne Wank und ohne Wahn.

Will mich jemand drum beneiden,
Daß mir Liebes nun geschieht,
Denen folgen, die nicht weiden
Sich an Frohsinn, will ich's leiden
Und die Luft, die mich durchzieht,
Nimmermehr darum vermeiden,
Da mich die ja gerne sieht,
Um deren rechte Minne
ich mich lange schwer bemüht.

Nachgedichtet von Bruno Obermann

Aus: Deutscher Minnesang Lieder aus dem
zwölften bis vierzehnten Jahrhundert
Übertragen von Bruno Obermann
Leipzig Druck und Verlag von Philipp Reclam jun. o. J. (1890) (S. 45-46)
 

_____
 


 

 


 

zurück

zurück zur Startseite