Minnesang

Nachdichtungen deutscher Minnesänger
 

 

 


Herzog Johann von Brabant
(um 1280)

 

Nicht doch! nicht doch!

Eines Maienmorgens stand
Früh ich auf und ging
In ein schönes Gartenland,
Das mich hold umfing.
Fand drei schöne Mägdlein flink,
Sangen nach der Reihe da:
Herbalorisa, Herbaherbalorisa, Herbalorisa.

Als ich sah das schöne Kraut,
Das im Gärtlein war,
Und vernahm so süßen Laut
Von den Mägdlein gar,
Ward das Herz mir freudenklar
Daß auch ich sang fröhlich da:
Herbalorisa, Herbaherbalorisa, Herbalorisa.

Und die Schönste grüßt ich stumm,
Die darunter stund,
Schlang den Arm um sie herum
Dort im Rasengrund,
Küssen wollt ich ihr den Mund -
Nicht doch! nicht doch! rief sie da -
Herbalorisa, Herbaherbalorisa, Herbalorisa.

Nachgedichtet von Richard Zoozmann (1863-1934)

Aus: Der Herrin ein Grüßen
Deutsche Minnelieder
aus dem zwölften bis vierzehnten Jahrhundert,
ausgewählt und nachgedichtet
von Richard Zoozmann
Leipzig 1915 (S. 233)

_____

Laß sein!

Am Maientag, im Morgenschein
Thät' ich früh aufsteh'n;
Zu einem schönen Baumgärtlein
Wollt' ich spielen geh'n.
Drei Mägdlein hab' ich dort geseh'n,
Die sangen eins um's and're da:
Herbaflorisa, Herbaherbaflorisa, Herbaflorisa!

Als ich ersah das frische Kraut
In dem Baumgärtlein
Und auch vernahm den süßen Laut
Von den Mädchen fein,
Da freute sich das Herze mein
Und singen mußt' ich auch allda:
Herbaflorisa, Herbaherbaflorisa, Herbaflorisa!

Die Allerschönste grüßt' ich bald,
Die darunter stund,
Und schlang den Arm um die Gestalt
In dem grünen Grund.
Ich wollte küssen ihren Mund:
'Laß sein! laß sein!' so sprach sie da.
Herbaflorisa, Herbaherbaflorisa, Herbaflorisa!

Nachgedichtet von
Wilhelm Storck (1829-1905)

Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 191)

_____

Eines maienmorgens schon
Musst ich früh aufstehn,
In ein schönes baumgärtelein
Sollt ich spielen gehn,
Da fand ich drei jungfrauen stehn,
Die eine sang vor, die andre nach:
Harba lori fa,
Harba harba lori fa,
Harba lori fa.

Als ich nun sah das schöne kraut
In dem baumgärtlein
Und hörte diesen laut
Von den mädchen fein,
Zog es froh ins herz mir ein,
Dass ich singen musste nach,
Harba lori fa,
Harba harba lori fa,
Harba lori fa.

Die allerschönste grüsste ich,
Die darunter stund,
Ich liess den arm allum sie gehn,
Zu derselben stund.
Ich wollte sie küssen auf den mund,
Sie sprach: "lass da, lass da, lass da"
Harba lori fa,
Harba harba lori fa,
Harba lori fa.

Nachgedichtet von
Friedrich Wolters (1876-1930)

Aus: Minnelieder und Sprüche
Übertragungen aus deutschen Minnesängern
des XII. bis XIV. Jahrhunderts von
Friedrich Wolters. Zweite Ausgabe Berlin 1922 Bei Georg Bondi (S. 128-129)

_____
 

 


 

zurück

zurück zur Startseite