Minnesang

Nachdichtungen deutscher Minnesänger
 

 

 


Jakob von Warte
(um 1272 – 1331)

 

Einzige Hilfe

Hören soll man süßes Singen
In den Auen überall,
Löblicher Gesang soll klingen,
Voraus von der Nachtigall.
Schaut des Angers grünen Plan,
Schaut auch an die lichte Heide,
Wie sie schön sich mit dem Kleide
Für den Mai hat angetan.

Mannigfache Blumenwonne
Lächelt in des Maien Tau
Zu dem hellen Schein der Sonne –
Ei, die Zeit lohnt solche Schau.
Aber mir kein Trost behagt,
Weil das Herz mir zuckt vor Wehe:
Die ich gern mir nahe sehe,
Ihre Gunst mir noch versagt!

Du, die voller Minne immer,
Mach mich frei von Sehnsuchtsnot,
Laß aus deiner Hut mich nimmer,
Sonst bin ich an Freuden tot.
Deiner Hilf muß ich begehren;
Machst mein Herz du frei von Pflicht.
Kann mich andres trösten nicht,
Als: du wollst mir Huld bescheren.

Manchen hat Gewalt bezwungen,
Wenn man darf den Weisen traun,
Wo man Gnade nie gedungen,
Soll man sehn an meiner Fraun.
Die ist gar gewaltig mein
Ohne Gnade, die viel Gute,
Läßt mich trauern, im Unmute
Muß ich bis ans Ende sein.

Minne, du sollst allgemein sein,
Sonst bin ich an Freuden tot,
Füge, sie soll mein allein sein,
Deren Mund so lieblich rot.
Da du mich hast in Gewalt
Und ganz leitest meine Sinne,
So hab sie auch, werte Minne,
Die ich liebe, in Gewalt.

Nachgedichtet von Richard Zoozmann (1863-1934)

Aus: Der Herrin ein Grüßen
Deutsche Minnelieder
aus dem zwölften bis vierzehnten Jahrhundert,
ausgewählt und nachgedichtet
von Richard Zoozmann
Leipzig 1915 (S. 219-220)

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Die einzige Hülfe

Hören kann man süßes Singen
In den Auen überall;
Doch vor Allem läßt erklingen
Wonn'gen Sang die Nachtigall.
Seht den Anger weit und breit
Und dabei die lichte Haide,
Wie sie steht in schmuckem Kleide
Für des Maien Fest bereit!

Lust ist Alles, was ich schaue:
Manch ein buntes Blümelein
Lacht am Morgen aus dem Thaue
Gen der lichten Sonne Schein.
Mir gebricht's an Troste doch,
Weil ich leid' an Herzenswehe;
Die ich nahe gern mir sehe,
Weigert ihre Huld mir noch.

Ach, du minnigliche Gute,
Löse mich aus Sorg' und Noth,
Denke mein mit holdem Muthe,
Oder meine Freud' ist todt.
Deine Hülf' ist mein Begehr;
Wenn sich diese Bande lösten,
So vermag mich nur zu trösten
Deine Huld - nichts And'res mehr.

Mancher muß Gewalt erleiden,
Wie die Kund'gen zugesteh'n,
Wenn ihn Huld und Gnade meiden,
Wie's von ihr auch mir gescheh'n.
Sie beherrscht mir Herz und Sinn;
Ohne Gnade sieht die Gute
Meinen Gram; in trübem Muthe
Geht die Lebenszeit mir hin.

Minne, triff mich nicht alleine,
Sonst verbleib' ich trüb' und wund;
Mache, daß mich minn' und meine
Der Geliebten rother Mund.
Weil du übst Gewalt an mir
Und mir leitest Herz und Sinne
Wie du willst: ach, werthe Minne,
Zeig' auch deine Macht an ihr.

Nachgedichtet von Wilhelm Storck (1829-1905)

Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 115-116)

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Frühlingslied

Hört ihr nicht die Lieder klingen
In den Auen überall?
Hört ihr nicht im Walde singen
Schon die süße Nachtigall?
Auf den grünen Anger blickt,
Blicket auf die lichte Heide,
Wie sie mit dem schönsten Kleide
Vor dem Lenz sich hat geschmückt!

Manche bunte Blümelein
Lachen aus des Maien Thaue
Gen den goldnen Sonnenschein,
Alles steht in werther Schaue:
Ach, was tröstet mir den Muth
In der bangen Herzenschwere?
Die, bei der ich gerne wäre,
Ewig mir nur wehe thut.

O du minnigliche Gute,
Hebe meine Liebesnoth,
Laß mich nicht aus deiner Hute,
Oder ich bin freudentodt.
Deine Hülfe ruf' ich an:
Wenn mich diese will verlassen,
Muß ich Augenblicks erblassen:
Nur ihr Trost mich retten kann.

Wo Gewalt die Schwäche zwinget,
Da kann Gnade nicht bestehn:
Also mancher Weise singet,
Und die Wahrheit mußt' ich sehn
An der lieben Fraue mein,
Die bezwungen hat mich Armen
Und sich nimmer will erbarmen,
Bis ich werd' im Grabe sein.

Minne, du sollst sein gemeine,
Oder ich bin freudentodt:
Gieb daß bald mich herzlich meine
Der Geliebten Mündel roth.
Wie du bist im Herzen mein
Und beherrschest meine Sinne,
Wolle also, werthe Minne,
Auch bei ihr gewaltig sein!

Nachgedichtet von
Wilhelm Müller (1794-1827)

Aus: Blumenlese aus den Minnesingern
Herausgegeben von Wilhelm Müller
Erste Sammlung Berlin 1816
In der Maurerschen Buchhandlung (S. 50-53)

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