Minnesang

Nachdichtungen deutscher Minnesänger
 

 

 


Der von Kürenberg
(Mitte des 12. Jh.s)


Ich zog mir einen falken
Länger als ein jahr,
Da ich ihn gezähmte,
Wie ich ihn wollte han,
Und ich ihm sein gefieder
Mit golde wohl umwand,
Hob er sich auf ins hohe
Und flog in anderes land.

Seit sah ich den falken
Schön hinfliegen,
Er führte an seinem fusse
Seidene riemen,
Und war ihm sein gefieder
Allrot goldrein -
Gott sende sie zusammen,
Die sich gern lieb wollen sein.

Nachgedichtet von 
Friedrich Wolters (1876-1930)

Aus: Minnelieder und Sprüche
Übertragungen aus deutschen Minnesängern
des XII. bis XIV. Jahrhunderts von
Friedrich Wolters. Zweite Ausgabe Berlin 1922 Bei Georg Bondi (S. 12-13)

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Fräuleins Klage

Ich zog mir einen Falken
Wohl länger als ein Jahr,
Und als ich ihn gezähmet
Und er mir freundlich war,
Da flocht' ich um die Schwingen
Ihm manches goldne Band;
Doch ach, bald lernt' er fliegen
Und flog in andres Land!

Wohl sah' ich oft ihn schweben
Und rief ihm weinend zu,
Doch er will mich nicht hören
In seinem stolzen Flug.
Er trägt viel seid'ne Riemen
Und glänzt von rothem Gold:
O Gott, gieb mir ihn wieder
Und mach' sein Herz mir hold!

Nachgedichtet von Wilhelm Müller (1794-1827)

Aus: Blumenlese aus den Minnesingern
Herausgegeben von Wilhelm Müller
Erste Sammlung Berlin 1816
In der Maurerschen Buchhandlung (S. 58-59)

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Der entflogene Falke

"Ich zog mir einen Falken
Ein ganzes Jahr und mehr,
Und als er zahm geworden
Nach Wunsch mir und Begehr
Und ich ihm sein Gefieder
Mit Golde wohl bewand:
Da stieg er in die Lüfte
Und flog hinaus in and'res Land.

Drauf sah ich den Falken
Prächtig schweifen:
Er führt' an seinem Fuße
Seidene Streifen
Und war ihm sein Gefieder
Ganz roth von Gold.
Gott bringe sie zusammen,
Die einander lieb und hold."

Nachgedichtet von Wilhelm Storck (1829-1905)

Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 255)

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Lieder der Frau

Der entflogene Falke


"Ich zog mir einen Falken     länger als ein Jahr.
Doch als er, wie ich wollte,     von mir gezähmet war
Und ich ihm sein Gefieder     mit Golde schön umwand,
Da hob er auf gar hoch sich     und flog hinweg in fremdes Land.

Drauf sah ich den Falken     wieder stattlich fliegen,
Er trug an seinem Fuße     seidene Riemen,
Es glänzte sein Gefieder     ganz von rotem Gold:
Gott bringe sie zusammen,     die sich da gerne wären hold!"

Nachgedichtet von Bruno Obermann

Aus: Deutscher Minnesang Lieder aus dem
zwölften bis vierzehnten Jahrhundert
Übertragen von Bruno Obermann
Leipzig Druck und Verlag von Philipp Reclam jun. o. J. (1890) (s. 26)


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