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Meister Heinrich Teschler
(um 1250)
Der wahre Grund
Weilt noch so fern von mir,
Die also süß und minnig,
Es schlägt allein doch ihr
Mein Herz getreu und innig!
Und daß ich selten gar
Zu ihr den Fuß hinkehre,
Geschieht zu ihrer Ehre;
Daß ich ihr die bewahr
Und nimmermehr versehre.
Sie wisse nun den Grund -
Sonst wär ich bei ihr alle Stund.
Weilt noch so fern von mir,
Die also süß und minnig,
Es schlägt allein doch ihr
Mein Herz getreu und innig!
Daß nicht nach ihrem Brauch
Die Merker sie mir schelten,
Drum sieht man nur so selten
Mich bei der Liebsten auch;
Und sie wird mirs vergelten.
Wenn sie dies recht bedenkt -
Sie sicher Minnelohn mir schenkt.
Weilt noch so fern von mir,
Die also süß und minnig,
Es schlägt allein doch ihr
Mein Herz getreu und innig!
Der Merker Zunft hab Acht,
Um die ich ungern meide
Die süße Augenweide
Und ihres Leibes Pracht;
Wald, Au und blumige Heide
Sind alles eitel Nichts -
Denk ich des holden Angesichts.
Weilt noch so fern von mir,
Die also süß und minnig,
Es schlägt allein doch ihr
Mein Herz getreu und innig!
Nachgedichtet von Richard Zoozmann (1863-1934)
Aus: Der Herrin ein Grüßen
Deutsche Minnelieder
aus dem zwölften bis vierzehnten Jahrhundert,
ausgewählt und nachgedichtet
von Richard Zoozmann
Leipzig 1915 (S. 150)
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Der wahre Grund
Mag noch so fern ich von der Minn'gen, Süßen sein,
Mein Herz gehört ihr doch allein.
Daß ich selten hin zu ihr mich kehre,
Das geschieht, weiß Gott, um ihre Ehre,
Daß ich die bewahr' und nicht versehre.
Sie wiss', es kommt daher,
Sonst wär' ich fern ihr nimmermehr.
Mag noch so fern ich von der Minn'gen, Süßen sein,
Mein Herz gehört ihr doch allein.
Nur damit sie Merker nicht verschelten,
Sieht man bei der Lieben mich so selten;
Dafür lasse sie mich nicht entgelten.
Bedenkt sie's lieb und hold,
Gebührt dafür mir Minnesold.
Mag noch so fern ich von der Minn'gen, Süßen sein,
Mein Herz gehört ihr doch allein.
Weh der Merkerzunft, um die ich meide
Ihres schönen Leibes Augenweide!
Blumen, Laub, Gras, Aue, Wald und Haide
Bedünken mich ein Nichts,
Gedenk' ich ihres Angesichts.
Mag noch so fern ich von der Minn'gen, Süßen sein,
Mein Herz gehört ihr doch allein.
Nachgedichtet von
Wilhelm Storck (1829-1905)
Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 271-272)
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